@Lara1973 Lara1973 schrieb am 17.09.2014:Dennoch, kam hier noch nichts zur Sprache, was AD definitiv als Täter ausscheiden lässt... und darum geht es doch! Was deutet auf einen anderen Täter? Alle Umstände der Tat, schließen AD nicht aus... egal wie man es dreht oder wendet!
Das ist auch selten möglich. Hätte man AD defintiv von vornherein ausscheiden können, wäre er gar nicht verurteilt worden. Es gibt überhaupt nur wenige eindeutige absolute Entlastungsbeweise, vor allem das Alibi und natürlich der lückenlose Beweis eines anderen Täters. Da diese Beweis auch unschuldigen häufig nicht möglich ist, gilt unter anderem die Unschuldsvermutung: Die StA muss daherumgekehrt über jeden berechtigten Zweifel erhaben nachweisen, dass gerade AD und nicht mglw. auch ein anderer die Tat begangen hat. Das ist generell in einem Indizienprozess nicht einfach.
Lara1973 schrieb am 17.09.2014:Wie heißt es aber immer so treffend, den "perfekten Mord" gibt es nicht...
Das ist völlig unzutreffend. Den perfekten Mord gibt es sehr wohl. Die aktuelle offizielle Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag ist sehr hoch, um die 95 %. Das bedeutet aber auch, dass es jedes Jahr etliche Fälle gibt, die nicht aufgeklärt werden. Hinzu kommt natürlich, dass viele Todesfälle gar nicht als Verbrechen erkannt, sondern als natürliche Todesursache zu den Akten gelegt werden. Nach mancher Auffassung werden 50 % aller Tötungsdelikte nicht als solche wahrgenommen.
http://www.spiegel.de/panorama/kriminalitaet-jeder-zweite-mord-wird-nicht-aufgeklaert-a-177574.html Und schließlich ist es natürlich auch so, dass nicht jeder Fall, der von der Polizei als aufgeklärt angesehen wird, tatsächlich aufgeklärt ist. Wenn zB ein Unschuldiger verurteilt wird, hat der wahre Täter natürlich den pefekten Mord begangen. Nicht nur wurde er nicht geschnappt, nein, er kann sich auch sicher sein, dass die Behörden (und die Bevölkerung) nicht mehr nach ihm suchen, denn die sind ja glücklich darüber, dass "der Täter" im Gefängnis ist.
@Macaroni Macaroni schrieb:Also: wo Sind denn nun die krassen Fehlurteile? In allen indizienprozessen? Wie gesagt, ich kenne nur AD, Fall Boehringer und fall horchheim. Waren es nur die drei, oder nur einer (welcher? Darf man sich das aussuchen?) oder sind generell alle indizienprozesse Fehlurteile?
Da es nur Indizienprozesse sind, besteht natürlich immer ein Restzweifel. Das macht auch Indizienprozesse problematisch. Ich kenne die drei Fälle auch. Meine größten Zweifel habe ich bei AD. Im Fall Horchheim hing alles an der Glaubwürdigkeit eines Augenzeugen. Die konnte ich als nicht am Prozess Teilnehmender nicht beurteilen. Generell ist das aber problematisch, weil Augenzeugen nunmal der unsicherste Beweis sind. Siehe hier:
http://psydok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2004/352/pdf/report_psychologie_0708-2003_1.pdf (Archiv-Version vom 04.03.2016) Hinzu kommt, dass in dem Fall - so die schilederung eines Prozessbeobachters richtig war, der Augenzeuge auch in einem ganz zentralen, entscheidenden Punkt suggestiv vom Richter befragt wurde. Aber unter der Prämisse, dass die Aussage des Zeugen glaubhaft war, geht das Urteil in Ordnung. Der Fall BT weist auch seine Ungereimtheiten auf, hier tendiere ich aber dazu, zu glauben, dass das Urteil richtig ist. Die Indizienlage ist hier von den drei aufgeführten Fällen am stärksten. Generell gibt es kaum wissenschaftliche Untersuchungen in der BRD zu dem Thema. Es ist auch schwierig die Dunkelziffer an Fehlurteilen festzustellen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein erstmal rechtskräftiges Fehlurteil sich nur noch sehr schwer beseitigen lässt und darüber hinaus auch für die Ermittlungsbehörden nach dem Urteil natürlich kein Anlass mehr besteht weiter zu recherchieren. Aus diesem Grund sind auch Fehlurteile entweder zufällig (zB Fall Rupp) oder durch die Recherchen und Veröffentlichungen von Privatpersonen oder Rechtsanwälten aufgedeckt worden. Dabei ist wohl offensichtlich, dass Privatpersonen nur über geringen Bruchteil der Mittel und Möglichkeiten einer staatlichen Behörde verfügen, solche Fälle aufzuklären.
Im Übrigen empfehle ich die Lektüre dieses Spiegel-Artiels:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45439807.htmlGenerell gilt: Fehlurteile ereignen sich in der BRD. Oftmals zu Lasten von Angeklagten. Daran gibt es keine Zweifel. Klar ist auch, dass es hier ein nur schwer zu beseitigendes systemisches Problem gibt: das unbewusste, richterliche Vorurteil. Da wir hier eine Inquisitionsmaxime haben, geht der Richter unbewusst davon aus, dass die StA den Richtigen anklagt, denn die StA hatte ja im Ermittlungsverfahren für und gegen den Angeklagten zu ermitteln. Hier führt das unbewusste Vertrauen des Richters in die Arbeit der Kollegen von der StA häufig bereits zu einer negativen Grundhaltung bezgl. des Angeklagten. Im Anglo-Amerikanischen Prozess existiert dieses unbewusste Vorurteil nicht, weil erstens eine Jury die Faktenlage beurteilt und zweitens die Jury weiß, dass die StA eben gerade nicht zu Gunsten des Angeklagten ermittelt. Ich sehe nur leider keine einfache Lösung für dieses Problem, weil das anglo-amerikanische System seine eigenen Probleme hat, die schwerer wiegen, als dises System bedingte unbewusste Vorurtreil. Ein großer Schritt wäre es schon, wenn Richter generell während ihrer Ausbildung etwas mehr Demut beigebracht bekämen und insbesondere auf dieses inhärente Problem aufmerksam gemacht werden würden. Wenn man weiß, dass es dieses unbewusste Vorurteil gibt, kann ma sich gezielt dagegen wappnen. Ein weiterer äußerst wichtiger Schritt wäre es, für Mord endlich eine zweite Tatsacheninstanz zu schaffen. Diese zusätzliche Kontrolle auf der Tatsachenebene halte ich für elementar. In einem dritten Schritt könnte man die Praxis noch etwas mehr in den Vordergrund rücken, zumindest während des Referendariats. Moot Courts sind selten, wären aber eine gute Lösung, um Vernehmungsmethoden und Aussageanalyse und -bewertung zu üben. Überhaupt sollte die Vernehmungs- und Aussagepsychologie aus ihrem Schattendasein geholt werden. Mit diesen Punkten ließe sich sicherlich einiges verbessern. fehler werden aber deswege immer noch passieren. Das wird sich nicht vermeiden lassen.