Diana Ferch (Stralsund) seit 2011 vermisst
27.10.2014 um 02:30
Hm, das wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Na gut, stellen wir uns einmal vor, das war wirklich Diana (ich bin davon keineswegs überzeugt, aber nehmen wir es einmal an).
Was tut sie dort? Und wohin ging sie von dort?
Niebüll ist ein winziges Städtchen von weniger als 10000 Einwohnern. Man kann davon ausgehen, dass jemand, der sich dort längere Zeit aufhält, sofern er irgendwie am öffentlichen Leben teilnimmt, oder gar obdachlos ist, sehr bald auffällt. Erst recht, wenn derjenige einen etwas hilflosen oder heruntergekommenen Eindruck macht.
Niebüll hat ein kleines Krankenhaus, dort könnte man medizinische Hilfe erhalten. Niebüll ist Verwaltungsort, Obdachlose können hier soziale Leistungen beantragen, wobei typischerweise solch kleine Orte aber Durchreisende, wie Nichtsesshafte sich heutzutage oft nennen, versuchen abzuwimmeln und in die größere Kreisstadt zu senden (zuständig wäre hier Husum, wobei Flensburg sicherlich für Obdachlose mehr bietet und sogar näher ist).
Niebülls Bedeutung liegt eigentlich nur im Verkehr, als Durchgangsort für den Inselverkehr nach Sylt, Föhr und Amrum.
Dementsprechend hat Niebüll zwei Bahnhöfe, die allerdings genau gegenüber liegen. Einen sehr kleinen, der nur der Regionalbahn nach Dagebüll zur Fähre nach Föhr und Amrum dient. Vom DB Bahnhof aus kann man mit Zügen Sylt, Husum (und in der Verlängerung Hamburg) sowie Dagebüll und Tondern in Dänemark erreichen. Ein Bus fährt nach Flensburg, der nächsten Stadt. Dazu kommt noch der Autoverladehof für den Autoverkehr nach Sylt. Sylt kann man nicht über eine Strasse erreichen, daher müssen alle Fahrzeuge hier auf einen Zug verladen werden.
So. Anfang Januar ist es an der Nordsee nicht unbedingt gemütlich, wenn man sich nachts draussen befindet. In Niebüll selbst ist gegen 23 Uhr vermutlich nicht mehr sehr viel los.
In dem Pressebericht über das Auftauchen der mysteriösen Person heisst es, dass sie Anfang Januar 2013 gegen 23 Uhr in einem Garten auftauchte und zum Bahnhof wollte. Was also wollte diese Person am Bahnhof?
Interessanterweise gibt es um diese Zeit in Niebüll tatsächlich noch Züge! Sowohl um 23:30 als auch um 0:30 fährt noch ein Zug in die Kreisstadt Husum. Nach Hamburg aber kommt man dann nicht mehr. Der erste Zug, mit dem man Hamburg erreichen kann geht gegen 5 Uhr. Husum ist nachts sicherlich auch nicht dafür bekannt, dass der Bär tanzt, daher ist schon zu fragen, was jemand, der nicht von dort ist, um diese Zeit noch in Husum will.
Gegen 23 Uhr, 0 Uhr und sogar noch um 1.37 Uhr kann man aber einen Zug nach Westerland (Sylt) nehmen. Die Fahrt dauert 35 Minuten, man kommt also auch auf Sylt mitten in der Nacht an.
Flensburg, die nächste größere Stadt, kann man mit einem Bus ab Bahnhof erreichen, allerdings fährt der letzte bereits gegen 22 Uhr, der nächste erst wieder gegen 5 Uhr.
Dagebüll und damit Föhr oder Amrum ist ebenfalls erst wieder am Morgen, nach 6 Uhr zu erreichen.
Der erste Zug nach Dänemark geht um 7 Uhr morgens.
Das bedeutet, dass diese Person in jener Nacht vermutlich noch die Möglichkeit hatte, Husum oder Westerland zu erreichen. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie wirklich einen der Züge genommen hat. Aber was ich oben über Niebüll gesagt habe, macht es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie längere Zeit dort geblieben ist. Ich denke, sie wäre aufgefallen, wenn sie keine feste Unterkunft gehabt hat.
Nun also Husum oder Sylt. Von Husum aus kann man andere Nordseeinseln erreichen, aber auch vor allem Hamburg. Wer ein Leben "auf der Platte" anstrebt, ist, besonders im Winter, in Hamburg wahrscheinlich besser dran als auf dem Land. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass Obdachlose sich selten länger unter dem Radarschirm der Polizei bewegen können. Ausweiskontrollen sind in diesem Milieu sehr häufig, und die meisten Streifenbeamten eines Reviers kennen recht bald "ihre" Obdachlosen. Hamburg bietet aber sehr viele soziale Einrichtungen, auch solche, in welchen man nicht unbedingt nach einem Ausweis gefragt wird, wenn man Essen oder auch mal eine Dusche braucht (z.B. in kirchlichen Einrichtungen).
Auf Sylt, der reichen Ferieninsel, gibt es auch Obdachlosigkeit, aber in sehr geringem Mass. Es gibt zwei kleine Obdachlosenheime, eines in Westerland, eines bei Tinnum. In einem Zeitungsbericht von 2013 wurde die Zahl der dort betreuten Obdachlosen mit 28 angegeben. Wer dort unterkommt, wird natürlich auch den Sozialbehörden bekannt.
Im Winter auf Sylt im Freien zu übernachten wird wohl kaum angenehm sein. Ausserdem sind die Bewohner Sylts nicht sehr gut auf "Gäste" zu sprechen, die nicht zur typischen Klientel gehören. Es gibt ein Drogenproblem auf Sylt, und relativ gesehen, hohe Kriminalität. Dementsprechend wird die Polizei ein Auge auf neue "Fremde" haben. In den einschlägigen Dokumentationen, die man auf google finden kann, gilt Sylt als nicht sehr freundlich gegenüber sozial Schwachen.
Was sagt uns das im Zusammenhang mit Diana? Ich vermute, wenn sie es wirklich war, die damals nachts im Januar in Niebüll zum Bahnhof gebracht wurde, und wenn sie wirklich freiwillig unterwegs war, und nach Sylt gelangt ist, dann denke ich wird sie dort nicht lange geblieben sein. Die materiellen Umstände werden sie vermutlich bald wieder aufs Festland gebracht haben, und hier liegt nahe, dass sie sich eher wieder in Richtung Hamburg aufgemacht hat.
Noch ein Wort zum nahen Dänemark: Es ist ein freundliches Land und die Grenze zwischen Nord und Ostsee ist sehr leicht unkontrolliert zu überschreiten. Die Grenze ist nur wenige Kilometer nördlich von Niebüll. Allerdings ist das Land, das hinter der Grenze liegt, auch sehr dünn besiedelt und weist eine ähnliche Struktur wie Nordfriesland auf. Die nächste größere Stadt, in der man als nicht gerade reicher Fremder nicht sofort wie ein bunter Hund auffallen würde, ist Esbjerg. Das ist aber schon wieder 100 km von Niebüll entfernt. Ich kenne Esbjerg recht gut, es hat leider auch ein "Randgruppenproblem," es gibt dort eine Obdachlosenszene etc. Die Polizei in Esbjerg erscheint mir extrem "low-key," aber ich denke, sie kennt ihre Szene auch recht gut. Daher vermute ich, als Deutsche, die nicht dänisch spricht, ist es auch nicht so leicht in dieser Gegend unterzutauchen. Wie alle vermutlich wissen, ist Lebenshaltung in Dänemark extrem teuer, so dass es m.E. auch kein Idealziel einer norddeutschen "Durchreisenden" ist.
Wenn also das alles stimmt mit der Sichtung in Niebüll, dann befürchte ich, dass Diana schon lange nicht mehr in dieser Gegend ist. Lebt sie tatsächlich freiwillig abseits der Gesellschaft, denke ich sollte man die Suche auf die norddeutschen Grosstädte konzentrieren, vor allem auf den Bereich Hamburg.