Mordmerkmale nicht nachweisbar
Mordfall Obst: Staatsanwalt fordert elf Jahre
Bielefeld. 11 Jahre Haft wegen Totschlags fordert die Staatsanwaltschaft für den Ehemann der getöteten Zeitungsbotin Gabriele Obst aus Halle. Staatsanwalt Christoph Mackel musste am Ende der Beweisaufnahme feststellen, dass für die Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe notwendigen Mordmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe nicht beweisbar seien.
Der Staatsanwaltschaft stellte fest, dass es für ihn keinen Zweifel daran gebe, dass der 74-jährige Ehemann seine Frau erschossen habe. „Selbstmord ist für mich ganz weit weg“, sagte er und begründete seine Sicht der Dinge. Die Frau hat einen Großteil ihrer Zeitungen ausgetragen, um dann plötzlich zu beschließen, sich das Leben zu nehmen?“, fragte er. Sie werfe ihr Fahrrad mitten auf den Weg, ihr Handy in den Wald, um dann vier Kilometer weit in den Wald zu laufen, im Dunkeln ohne Taschenlampe? Dann erschieße sie sich, um kerzengrade „wie ein chinesischer Steinkrieger“ umzufallen? Das Gewehr lande dann auch noch zufällig auf ihr drauf und die Brille fliege mehrere Meter entfernt von ihren Füßen auf den Waldboden. „Dieser Suizid wurde gestellt“, so das Fazit des Staatsanwaltes.
Im Anschluss daran zeigte Mackel die Verdachtsmomente auf, die gegen den Angeklagten sprechen. Angefangen von seiner Lüge, was den Besitz der Flinte angeht, bis hin zu passenden Patronen, die in der Werkstatt des Angeklagten gefunden wurden, die der Ehemann aber nicht kennen wollte. „Die müsse ihm jemand untergeschoben haben, hat er gesagt“, so Mackel. Das „dickste Ding“ sei jedoch die Aussage gegenüber des Sohnes gewesen, der sich Sorgen machte, dass seine DNA auf der Waffe gefunden werden könnte. „Die seien bestimmt verwischt worden, hat der Angeklagte gesagt“, führte der Staatsanwalt aus. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Leiche noch nicht gefunden worden war.
Für den Staatsanwalt gebe es nur einen möglichen Täter, und zwar den Angeklagten. „Motive wie die Lebensversicherung oder ein Verhältnis stehen im Raum, sind aber nicht nachweisbar“, sagte Mackel. Strafmildernd müsse sich auswirken, dass der Beschuldigte nicht vorbestraft sei. Strafschärfend sei die hohe Brutalität der Tat zu werten. Alles in allem halte die Staatsanwaltschaft elf Jahre Haft für angemessen.
Verteidiger Siegfried Kammel machte deutlich, dass er einen Selbstmord der Zeitungsbotin nicht ausschließen könne. Die Rechtsmedizin und der hinzugezogene Sachverständige hätten das im Übrigen auch nicht getan. Aber selbst wenn man eine Selbsttötung ausschließen würde, mache das seinen Mandanten nicht automatisch zum Täter. Warum das geschehen sei, erklärte Kammel mit dem enormen Druck, unter dem die Ermittler unter anderem auch wegen dem ungeklärten Mord an Nelli Graf gestanden haben. „Die Polizei war bestrebt, möglichst schnell einen Täter zu präsentieren“, sagte Kammel. Halle sei in Aufruhr gewesen und das sei durchaus nachvollziehbar. Als sich der Angeklagte aus Angst vor waffenrechtlichen Konsequenzen in Widersprüche verstrickt hatte, sei in andere Richtungen gar nicht mehr ermittelt worden.
„Dass eine Beziehung, die seit zwei Jahren beendet war, ein Motiv für eine Eifersuchtstat gewesen sein soll, scheint mir völlig abwegig“, so Kammel weiter. Seiner Auffassung nach stehe nach der Beweisaufnahme keinesfalls fest, dass der Ehemann der Täter gewesen ist. Daher müsse der Angeklagte freigesprochen werden.
Das Urteil soll am kommenden Donnerstag gesprochen werden. Der Angeklagte, der das letzte Wort hatte, beendete den achten Verhandlungstag mit den Worten: „Mit dem Vorfall habe ich nichts zu tun, das ist alles aus der Luft gegriffen.“
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