Eine spannende englischsprachige Dokumentation über das frühe britische Atomprogramm, mit speziellem Fokus auf den -- mir bisher nicht bekannten --
Windscale-Unfall 1957, der Stufe 5 auf der bis 7 reichenden
Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse erreichte, und bei dem erhebliche Mengen an Radioaktivität freigesetzt wurden:
Windscale Britains Biggest Nuclear Disaster
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Ich wollte zunächst eigentlich nur mal kurz rein sehen, weil mir die Dokumentation eigentlich zu lang war (ca. eineinhalb Stunden), fand sie dann aber so spannend (u.a. wegen der vielen historischen Originalaufnahmen), dass ich sie mir doch vollständig angesehen habe.
Der Windscale-Nuklearkomplex, später als
Sellafield bekannt, wurde explizit zur Produktion von Nuklearmaterial (insbesondere Plutonium) für das britische Atomwaffenprogramm errichtet. Dabei wurde seitens der Politik ein enormer Zeitdruck ausgeübt, der dazu führte, dass Sicherheits- und Umweltaspekte immer mehr in den Hintergrund traten. Das führte letztendlich zu einem
katastrophalen Brand 1957, bei dem nur sehr knapp eine noch viel grössere Katastrophe verhindert wurde. Die Einzelheiten und die Schwere des Unfalls wurden von der britischen Politik lange Zeit vertuscht, und sind erst in den letzten Jahrzehnten ans Licht der Öffentlichkeit gedrungen. Ausgerechnet diejenigen, die damals vor Ort eine noch viel grössere Katastrophe verhindert hatten, wurden seinerzeit von der Politik beschuldigt, für den Unfall verantwortlich zu sein.
Die Einstellung, die damals bei vielen Beteiligten vorherrschte, zeigt sich u.a. daran, dass die Filter auf den Schornsteinen der Anlage, auf deren Installation der Physiker und Nobelpreisträger
John Cockcroft bestanden hatte, und die während des Unfalls eine katastrophal grössere Radioaktivitätsfreisetzung verhinderten, zum Zeitpunkt ihrer Installation als "Cockcrofts Follies" (= "Cockcrofts Narretei") lächerlich gemacht wurden.
Man erfährt auch viele andere interessante Details, z.B. dass die Briten nach dem ersten fehlgeschlagenen Test einer Wasserstoffbombe 1957 zur Gesichtswahrung eine riesige, technisch wenig sinnvolle Kernspaltungsbombe (
"Orange Herald") testeten, und frech behaupteten, es sei eine Wasserstoffbombe gewesen. Die Täuschung (
"Britain’s Thermonuclear Bluff") -- die seinerzeit allerdings in Expertenkreisen in den USA und in der Sowjetunion vermutlich sowieso durchschaut wurde -- wurde erst Jahrzehnte später, gegen Ende des kalten Krieges zugegeben.