@Mirella Mirella schrieb:Es ist nicht alles sanft, was "natürlich" ist. Da hast du sicher Recht. Aber es gibt nun mal viele Krankheiten, wo die Natur eine körperschonendere, sanftere Behandlung anbietet als ein chemisches Medikament. Warum soll man das Angebot nicht annehmen, zumal es meist noch die billigere Möglichkeit ist?
Wie bereits gesagt, auch die Natur wirkt genau nach den gleichen Mechanismen. Und sanfter ist sie auch nicht. "Sanftere" Methoden sind in aller Regel weniger wirksam bei Gesundheitsstörungen.
Befindlichkeitsstörungen bei empfänglichen Menschen kannst du natürlich prima so behandeln.
Beispiel stärkste Schmerzen. Opioide sind natürlich vorkommenden Stoffen nachempfunden und den meisten anderen Methoden (je nach Schmerzerkrankung) klar überlegen.
Mirella schrieb: Patienten erwarten von einem guten Arzt einfach, dass sie auch-falls vorhanden- alternative Möglichkeiten angeboten bekommen. Und das wissen inzwischen auch viele Ärzte und erkennen dies an.
Vor allem wissen viele Ärzte, dass man damit gut Geld verdienen kann.
Mirella schrieb:Wo bekommt man denn für Statistiken die Ergebnisse her? Sind Einzelfälle nicht auch die Grundlage von med. Studien und Statistiken? Geht´s hier absolut ohne Wahrnehmungsfehler und subjektive Einflüsse? Kann ich mir nicht vorstellen. Oft entscheidet ja schon der Auftraggeber einer Statistik, wo der Hase hinzulaufen hat.
Ich habe nie behauptet, dass dort keine Fehler vorkommen. Im Gegenteil zähle ich die Schwächen von Studien hier regelmäßig auf.
Das Entscheidene ist, dass Naturwissenschaft eine Systematik bietet, die diese Wahrnehmungsfehler so klein wie möglich hält. Der Wissenschaftler ist sich der Möglichkeit dieser Fehler bewußt und versucht sie so klein wie möglich zu halten.
Deswegen sind Therapievergleiche so gut es geht verblindet, randomisiert und kontrolliert.
Es macht einen Unterschied, ob du mir etwas von einem Einzelfall erzählst oder von hunderten Fällen, die unter kontrollierten Bedingungen systematisch erfasst wurden.
Du sagst ja hoffentlich auch nicht:"Der Handwerker gestern war unfreundlich. Also sind alle Handwerker generell unfreundlich."
Es gibt eine Reihe von Merkmalen, die eine gute Studie aufweisen sollte und einige Dinge, die lieber nicht auftauchen sollten. Du merkst ziemlich schnell, wenn der Auftraggeber eine zu große Rolle spielte.
Nichts ist perfekt, aber die kritische Empirie ist die allerbeste Methode, um Behauptungen zu prüfen, die wir haben.
Es würde hier den Rahmen sprengen, aber vielleicht eröffne ich mal einen Thread mit den Basics: Wie bewerte ich wissenschaftliche Evidenz.
Mirella schrieb: Eine Studie findet heraus, Bauchlieger sterben am Frühen Kindstod. Also ab heute auf den Rücken.
Ein gutes Beispiel.
Es waren viele Dutzende Studien, die unabhängig voneinander immer wieder das gleiche fanden. In schlafender Bauchlage ist das Risiko für den plötzlichen Kindstod (SIDS) erhöht. Was wurde gemacht? Es wurde die Rückenlage propagiert und siehe da, ein drastsicher Rückgang war überall dort zu beobachten, wo dies getan wurde.
Eine simple Methode, die viele Leben rettete.
Natürlich kann man seinen Säugling tagsüber auf den Bauch legen, das ist logisch. Und es gibt noch viele andere wichtige Faktoren (rauchfreie Umgebung schützt enorm!).
Mirella schrieb:Aber beim Rückenliegen leidet wieder die Kopfform, was sich später auf den Kieferbereich ungünstig auswirken kann. Was macht nun eine junge Mutter? Sich verrückt!
Diese junge Mutter sollte abwägen.
Geht sie bewußt ein höheres Risiko für SIDS ein? Konsequenz das Kind stribt mit höherer Wahrscheinlichkeit.
Oder geht sie das höhere Risiko für den platten Hinterkopf ein, welches spekulativ Auswirkungen auf den Kieferbereich haben könnte?
Also eine einfache Entscheidung.
Aus hinreichender Kinderheilkunde-Erfahrung, Literaturstudium und Gesprächen mit Pädiatern konnte ich folgendes feststellen.
Die Kopfform wächst sich in aller Regel von ganz allein aus, spätestens wenn sich die Kinder drehen und bewegen, war bei meinen auch so.
Ich kenne bis heute keine ernstzunehmende Literatur, die die Kieferprobleme bestätigt. Wenn du da was hast, lasse ich mich gerne eines besseren belehren.
Aber selbst, wenn es stimmt, ist dies immer noch das kleinere Übel.
Mirella schrieb:Man darf dabei nicht vergessen, dass auch Heilpraktiker eine Ausbildung und oft ein unheimliches Wissen haben. Da können sich manche Ärzte eine Scheibe abschneiden!
Heilpraktiker müssen keine festgelegte Ausbildung durchlaufen! Wer will kann zu einem privaten Lehrinstitut gehen und dort lernen. Aber die Qualität ist dort extrem unterschiedlich und die Inhalte sind nicht gesetzlich geregelt. Bei den Prüfungen fallen deswegen auch regelmäßig je nach Bundesland teilweise über die Hälfte durch.
Ein Heilpraktiker muss nur über 25 Jahre sein, über einen Hauptschulabschluss verfügen und eine staatliche Prüfung ablegen, um zu ansatzweise zu gewährleisten, dass keine größere gesundheitliche Gefahr von ihm ausgeht.
Was mich auch erstaunt hat, ein Heilpraktiker unterliegt nicht der Schweigepflicht.