@Dom22:
Dom22 schrieb:Warum gibt es diese Diskussion ?
Ich möchte die Frage etwas allgemeiner beantworten: Diskussionen
dieser Art gibt es, weil es eine sehr grosse Zahl von Menschen gibt, die "Energieüberschuss-Maschinen" (um den kontroversen Begriff "Perpetuum Mobile" zu vermeiden) für möglich halten, und über das Argument "Energieerhaltungssatz" bestenfalls milde lächeln.
Natürlich könnte sich die naturwissenschaftlich/technische Community darauf beschränken, zu jedem neuen Konzept einer "Energieüberschuss-Maschine" -- von denen es weltweit hunderte, wenn nicht tausende pro Jahr gibt -- einfach nur "Widerspricht dem Energieerhaltungssatz!" zu sagen, und das Thema anschliessend zu ignorieren. Damit überliesse man aber u.a. den sehr aktiven Propagandisten der Freie-Energie-Szene (im deutschsprachigen Raum wäre in diesem Zusammenhang z.B. das NET-Journal zu nennen) kampflos das Feld. Das würde wiederum dazu führen, dass sich der Glaube an die Möglichkeit derartiger Maschinen noch erheblich weiter verbreiten würde, und dass sich auch die bereits jetzt erheblichen Finanzflüsse in diese Richtung noch wesentlich verstärken würden. Zu letzterem Punkt zitiere ich mich mal selbst:
Es gibt zahlreiche Beispiele, wo richtig viel Geld eingesammelt wurde: RQM, Würth-Getriebe, Perendev, Steorn, GFE (in den beiden letzteren Fällen jeweils zig Millionen). Keshe lebt seit ca. 10 Jahren komfortabel von seinen Fantasiegeschichten, und hat z.B. 2011/2012 für seine fiktiven "3-4 kW Plasmageneratoren" alleine ca. 75.000 EUR an Anzahlungen eingenommen (und, soweit sich nachvollziehen lässt, kaum etwas davon je zurückgezahlt). GAIA hat gerade schlappe 750.000 EUR an Auftriebskraftwerk-Anzahlungen versenkt. Die QEG-Leute kamen 2014 praktisch aus dem Nichts, und haben ohne grössere Schwierigkeiten insgesamt eine deutlich 6-stellige Summe eingenommen.
(uatu am 18.07.2016)
Sehr viel problematischer als die Erfinder mit ehrlichen Absichten (zu denen ich z.B. unseren
@P_M hier zähle) sind dabei die zahlreichen Betrüger in diesem Bereich. Für viele Laien ist ein
scheinbar funktionierender Prototyp sehr viel beweiskräftiger als die Aussage von hundert Physikern, dass der entsprechende Apparat dem Energieerhaltungssatz widerspricht. Es gibt inzwischen auch viele Strategien, mit denen versucht wird, das Energieerhaltungssatz-Argument auszuhebeln. Z.B. wird behauptet, die Energie stamme "aus dem Quantenvakuum" oder der Energieerhaltungssatz gälte nur für geschlossene Systeme, und das System, um das es gerade geht, sei kein solches. Wie soll ein Laie beurteilen, ob das stimmt oder nicht, wenn die naturwissenschaftlich/technische Community dazu schweigt?
Dass die öffentliche Kritik z.T. erhebliche Wirkung hat, kann man z.B. daran sehen, dass "Die Erste KPP GmbH", der Rosch-Auftriebskraftwerk-Lizenznehmer für Deutschland, "Millionenschäden" durch "Negativpresse im Internet" beklagt.
Die Erfahrung zeigt, dass das relativ abstrakte Energieerhaltungssatz-Argument an denjenigen, die Freie Energie für möglich halten, meist völlig wirkungslos abprallt. Neben den Hardcore-Freie-Energie-Gläubigen, bei denen jede sachliche Diskussion sowieso Zeitverschwendung ist, gibt es aber auch eine Menge Menschen, die sachlichen Argumenten sehr wohl zugänglich sind, und denen z.B. das Aufzeigen oder Vorrechnen einzelner, konkreter Sachverhalte durchaus zu denken gibt.
Bei den Freie-Energie-Konzepten mit einer grösseren Anhängerschaft (z.B. während des
QEG-Hypes 2014 oder des
Auftriebskraftwerk-Hypes 2015) spielt auch der Multiplikator-Effekt eine wesentliche Rolle. In der Community der Anhänger werden sich diejenigen mit geringen physikalisch/technischen Kenntnissen oft an denjenigen mit etwas weitergehenden Kenntnissen orientieren. Auf diese Weise können selbst Argumente, die für die Masse nicht direkt verständlich sind -- aber für diejenigen mit etwas weitergehenden Kenntnissen -- indirekt wesentliche Auswirkungen haben. Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen denjenigen Anhängern, die sich nur oberflächlich, und denjenigen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Es lässt sich auch nicht eindeutig voraussagen, welches Gegenargument wen überzeugen wird. Der eine mag z.B. keine Ahnung von Elektrotechnik haben, so dass jede Volt-und-Ampere-Argumentation glatt abprallt, während ihm mechanische Argumente vielleicht einleuchten. Anderen mag es vielleicht sehr zu denken geben, dass gleich drei Gesellschaften einer Unternehmensgruppe ihren Sitz in einem Privathaus haben. Auch können mehrere für sich allein wenig überzeugende Gegenargumente in ihrer Summe u.U. wesentliche Überzeugungskraft erlangen. Deshalb halte ich es gerade bei Freie-Energie-Konzepten mit hohem Bekanntheitsgrad für wichtig, so viele sachliche Gegenargumente wie möglich zu sammeln.
Last, but not least besteht oft auch ein erheblicher intellektueller Reiz darin, den Fehler in einem Konzept oder den konkreten Trick bei einer Vorführung herauszufinden.