@Idu Idu schrieb:1. Tafel (gelesen von links nach rechts)
Vogel, fliegende Schlange, Vogel, Kugel
Die Grundlagen: Links beginnt erst einmal links und links ist die Kugel. Du liest falsch herum.
Das erste Zeichen wird "Ḫ" gelesen, was einem "Ku
chen" gleich kommt, nicht aber "I
ch" o.a.
Der Vogel ist genauer gesagt ein Wachtelküken mit der Lesung "w", das aber keinen Laut wie ein deutsches "
Wie geht es dir?" darstellt, sondern einen Gleitlaut wie im englischen "
Well, fine."
Die Hornviper fliegt nicht, sie ist nur lediglich aus ästhetischen Gründen schön mittig platziert. Hieroglyphen werden nicht die lateinische Buchstaben an einer gedachten unten verlaufenden Leitlinie orientiert, die die Zeile vorgibt, sondern anhand von gleichförmigen Quadraten, die es möglichst mittig symmetrisch auszufüllen gilt. Das Gesamtbild ist entscheidend.
Es ergibt sich die Schreibung:
Ḫ w f w
Daraus ergibt sich der konventionelle an der rein konsonantischen Schreibung orientierte Pharaonenname, der in englischer Umschrift tradionsgemäß "Khufu" wiedergegeben wird.
Vokale sind im Altägyptischen bekanntermaßen so eine Sache und immernoch eine Sache der Forschung. Einige Laute mit sagen wir "vokalischem Charakter" werden durchaus einmal geschrieben, aber eben öfter schlicht weggelassen. Hieroglyphen sind schließlich nicht für unwissende Gedacht, die sie entschlüsseln wollen, obwohl sie zuerst keine Ahnung haben, sondern für den bereits eingeweihten Ägypter, der sie zu lesen und seine Sprache zu beherrschen weis.
Da kann man das offensichtliche, wie bspw. einen schnöden regelhaften Dual u.ä. weglassen. Man kennt ja als ausgebildeter Schreiber die Tradition.
Davon sind vor allem "vokalische" Endungen wie ein "w" oder "i" (Was als "i" wiedergegeben wird ist zumeist ebenso ein Gleitlaut) betroffen, die so häufig vorkommen, dass es "Abkürzungen" gibt in Form von "Schnörkeln" und Strichen.
Dank ewig langer linguistischer Untersuchungen und div. Vergleichen kann man aber letztlich ziemlich aufwendig den Vokalismus zumindest für späte Formen der Sprache anhand bspw. des Demotischen brauchbar rekonstruieren.
Beides, die Erforschung von Schreibtradition und Konvention (Was wird für gewöhnlich geschrieben, kann aber weggelassen werden, ist aber ggf. durch Parallelen belegt usw.) und die Linguistik ergeben dann:
Ḫw(i) = f w(i)
"Er beschützt mich." (Die Grammatik spare ich mir erstmal)
Bei deinem Punkt 3:
3. Tafel
Vogel, krieschende Schlange unter der Kugel;
Übersetzung als: Er beschützt mich
Frage siehe 1. Tafel
gilt dasselbe. Es ist nur eine andere Schreibung mit weiterer Auslassung eines ohnehin dem oft zum Opfer fallenden "w".
Ḫ f w
für
Ḫ(wi) = f w(i)
"Er beschützt mich."
4. Tafel
fliegende Schlange; Vogel, krieschende Schlange unter der Kugel
Übersetzung als: Chufu
In dieser Übersetzung fehlen "Er" "beschützt" und "mich"
Das ist nämlich auch keine Übersetzung, sondern oben (wie in dem Eintrag auch sonst ganz konsistent) der Name in Umschrift und Transkription. Die zweite Hornviper ist mir erstmal auch suspekt, deshalb warte ich erstmal auf
@FrankD s Vorschlag dazu
;) Und wer beschützt wen?
Na:
ẖnm(w) ḫw(i)= f w(i)
"Chnum beschützt mich."
Namen waren nicht nur im Alten Ägypten, sondern im ganzen Alten Orient i.d.R. Satznamen, die aber ggf. als Kurzform auftreten konnten. "Ḫwi=f wi" ist lediglich die Kurzform von "ẖnmw ḫwi=f wi"
Kleiner Nachtrag: Eigentlich hieße der Gott wohl "Chenemu" in der Umschrift, aber weil man sich konventionell so gern nach den griechischen Überlieferungen richtet wird eben nicht nur aus Ḫwfw ein Cheops, sondern aus Chenemu ein Chnum.
2. Tafel
fliegende Schlange; Vogel, Kugel, Stier, Krug
Übersetzung als: Chnum beschützt mich
Hier ist die Reihenfolge aber wieder falsch:
Zuerst kommt der Krug, "ẖn" (das ẖ liest sich nun aber wie ein "ch" in "I
ch"). Das Tierchen danach ist kein Stier, sondern ein Schaf.
Das kleine Ding hängt mit dem Namen des Gottes zusammen, der "Schaf" bedeutet. Passenderweise ist er ein schafsköpfiger Schöpfergott und das Zeichen selbst lässt sich ebenso "Schaf", also "ẖnm(w)" lesen. Das Zeichen davor kann man als Komplement ansehen oder ggf. auch umgekehrt.
Für den Rest s.o.
Es lässt sich alles recht problemlos übersetzen. Es sind nur lediglich verschiedene Schreibungen für dasselbe und einmal eine Langform eines ansonsten als Kurzform gängiger bekannten Eigennamens.
Idu schrieb:Da wir es hier mit einer sehr hoch kultivierten Sprache zu tun haben, werden sich da sicher
noch so einige neue Deutungen ergeben.
Was soll das sein eine "hoch kultivierte Sprache"?
Idu schrieb:In dieser Kultur war ja unser Alphabet vollkommen unbekannt.
Die ersten Kulturen, die schriftliches hinterließen, hatten für jedes Symbol entsprechende
Wortsätze; sodaß ich die Übersetzung mit lediglich einem oder wenigen unserer Buchstaben
nicht für ausreichend halte.
Was ist bitte ein "Wortsatz"? Und diese Ansicht ist falsch. Die Keilschrift, zu Beginn noch eine rein logographische Schrift, entwickelt bereits 500 Jahre nach ihrem Entstehen (also letztlich ca. ~2600 v. Chr.) in zunehmendem Maße zusätzliche Silbenlesungen für ihre Zeichen bis hin zu einzelnen Vokalen, weil das schlichtweg das Lesen in gewissen Zusammenhängen vereinfacht. Vor allem dort, wo es praktisch sein soll und wo die Schrift stets am umfangreichsten angewendet wurde - der Administration - muss es schnell gehen und verständlich sein. Da ist stundenlanges Rätselraten über einer kryptisch verfassten Warenzustellung nicht hilfreich.
Genau aus diesem Grund gibt es dann sogar in so manchem literarischen Text (seltene) phonetische Komplemente als Lesehilfe , was für die Keilschrift eher ungewöhnlich und eine Sache ihrer Frühzeit ist.
Bei den ägyptischen Hieroglyphen bleibt es Gang und Gäbe.
Rund 100-150 Silbenzeichen (je nach Struktur) zu lernen ist letztlich auch deutlich einfacher als zig tausend Wortzeichen wie es die armen Chinesen müssen.
@Lepus Lepus schrieb:Was heißt v.H. ?
Ich denke er meint "vor Heute".
Lepus schrieb:Uff! Sind die teuer! O_O
Und das letztere ist nicht mehr verfügbar (jedenfalls nicht bei Amazon).
Ja, relativ :P Schau mal direkt beim Verlag. Da sind solche Bücher sogar manchmal billiger als bei Amazon. Frag mich aber nicht warum.
Lepus schrieb:Klingt spannend!
Das heißt, du beschäftigst dich mit Sprache und Kulturen alter Völker?
Wie lange hast du gebraucht (bzw. wie lange dauerte der Kurs), um Mittelägyptisch zu lernen?
Ja mache ich. Nun, der Kurs dauerte zwar nur ein Jahr, entsprechend lange habe ich für den Kurs gelernt. Um die Sprache aber richtig zu beherrschen müsste man aber wohl länger ansetzen. Hieratisch, also die eigentliche Schreibschrift wurde bspw. nicht behandelt. Hieroglyphen sind ja nur die Vorzeigeschrift.
PS: Habe ich damit den Rekord für den längsten Beitrag bei Allmystery geschafft?