@eich-hörnchen:
eich-hörnchen schrieb:Also, wo man Masse in Energie umwandelt und wo das gemacht wird.
Dafür muss man zwei separate Sachverhalte betrachten: Einmal Kernfusions- und Kernspaltungs-Vorgänge und einmal Materie/Antimaterie-Reaktionen.
Zunächst zur Kernfusion/Kernspaltung. Betrachten wir dazu jeweils eine typische Reaktion (die frei werdende Energie ist dabei in der in der Kernphysik üblichen Einheit
Elektronenvolt angegeben):
1. Die Fusion eines Deuterium- und eines Tritium-Kerns zu Helium-4 unter Freisetzung eines Neutrons (das ist die vermutlich aussichtsreichste Reaktion für Fusionsreaktoren):
\mathrm{_{1}^{2}H\,+\,_{1}^{3}H\,\rightarrow\,_{2}^{4}He\,+\,_{0}^{1}n\,+\,17{,}6\,MeV}
2. Die Spaltung eines Uran-235-Kerns nach Zugang eines Neutrons in einen Barium- und einen Krypton-Kern unter Freisetzung von zwei Neutronen (das ist eine von über 100 Zerfallsvarianten für Uran-235, und zwar eine derjenigen, die bei der
Entdeckung der Kernspaltung durch Hahn und Straßmann Ende 1938 auftraten):
\mathrm{_{\phantom{0}92}^{235}U\,+\,_{0}^{1}n\,\rightarrow\,_{\phantom{0}56}^{139}Ba\,+\,_{36}^{95}Kr\,+\,2\,_{0}^{1}n\,+\,174\,MeV}
In beiden Fällen ist die Gesamtmasse der Teilchen nach der Reaktion geringer ist als vorher. Bei der Reaktion "verschwindet" also tatsächlich Masse, und wird nach der altbekannten Formel
E=mc^2 in Energie umgewandelt.
Betrachten wir das nun im Einzelnen (ich rechne dabei mit auf fünf Nachkommastellen gerundeten Werten, was für den Zweck ausreichend ist):
Die
Atommassen der einzelnen Elemente und ihrer Isotope kann man z.B. der folgenden offiziellen Tabelle des
Atomic Mass Evaluation Projekts entnehmen:
AME2016: ATOMIC MASS ADJUSTMENTAtommassen werden üblicherweise in der
atomaren Masseneinheit u (bzw. in der verlinkten Tabelle in µu) angegeben, wobei gilt:
\mathrm{1\,u = 1{,}66053906660(50)×10^{-27}\,kg}
Die "(50)" gibt die Unsicherheitsschranken des Werts an (±0,00000000050×10^-27 kg).
Für die oben genannte Fusionsreaktion ergibt sich daraus:
\begin{alignedat}{4}
&\mathrm{_{1}^{2}H+\,_{1}^{3}H} &&\rarr \mathrm{2{,}01410\,u+3{,}01605\,u} &&= \mathrm{5{,}03015\,u} &&≈ \mathrm{8{,}35276×10^{-27}\,kg} \\
&\mathrm{_{2}^{4}He+\,_{0}^{1}n} &&\rarr \mathrm{4{,}00260\,u+1{,}00866\,u} &&= \mathrm{5{,}01126\,u} &&≈ \mathrm{8{,}32139×10^{-27}\,kg}
\end{alignedat}
Offensichtlich gibt es da einen kleinen Unterschied:
\mathrm{Massenverlust = 8{,}35276×10^{-27}\,kg-8{,}32139×10^{-27}\,kg=3{,}137×10^{-29}\,kg}
Rechnet man diese "verschwundene" Masse in Energie um, ergibt sich:
\begin{aligned}
E&=m*c^2=\mathrm{3{,}137×10^{-29}\,kg*(299792458\,m/s)^2 ≈ 2{,}81939×10^{-12}\,J\,[oder\ Ws]} \quad\longrightarrow \\
E&=\mathrm{2{,}81939×10^{-12}\,J\,/\,1{,}602176634e×10^{-19}\,J/eV ≈ 1{,}75972×10^{7}\,eV ≈ 17{,}6\,MeV}
\end{aligned}
Das ist der oben angegebene Wert für die bei dieser Kernreaktion freiwerdende Energie.
Die zur Auslösung dieser Kernreaktion erforderliche Energie beträgt nur einen Bruchteil der freigesetzen Energie. Fusionsreaktionen dieser Art treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ab einer relativen kinetischen Energie der Kerne von etwa 4 keV auf, bei etwa 15 keV erreicht die Wahrscheinlichkeit einen praktikablen Wert. Das ist weniger als ein Promille der freigesetzen Energie. Das Problem bei der Energieerzeugung mittels Kernfusion ist nicht, Fusionsreaktionen auszulösen. Das ist mit einem
Fusor sogar für (gehobene) Hobbybastler möglich. Das Problem ist, genügend viele Fusionsreaktionen für einen wirtschaftlichen Betrieb auszulösen. Daran wird gearbeitet.
Für die oben genannte Spaltungsreaktion ergibt sich:
\begin{alignedat}{4}
&\mathrm{_{\phantom{0}92}^{235}U\,+\,_{0}^{1}n} &&\rarr \mathrm{235{,}04393\,u+1{,}00866\,u} &&= \mathrm{236{,}05259\,u} &&≈ \mathrm{3{,}91975×10^{-25}\,kg} \\
&\mathrm{_{\phantom{0}56}^{139}Ba\,+\,_{36}^{95}Kr\,+\,2\,_{0}^{1}n} &&\rarr \mathrm{138{,}90884\,u+94{,}93971\,u+2*1{,}00866\,u} &&= \mathrm{235{,}86587\,u} &&≈ \mathrm{3{,}91664×10^{-25}\,kg}
\end{alignedat}
Für den Unterschied ergibt sich:
\mathrm{Massenverlust = 3{,}91975×10^{-25}\,kg-3,91664×10^{-25}\,kg=3{,}11×10^{-28}\,kg}
Rechnet man diese "verschwundene" Masse in Energie um, ergibt sich:
\begin{aligned}
E&=m*c^2=\mathrm{3{,}11×10^{-28}\,kg*(299792458\,m/s)^2 ≈ 2{,}79513×10^{-11}\,J\,[oder\ Ws]} \quad\longrightarrow \\
E&=\mathrm{2{,}79513×10^{-11}\,J\,/\,1{,}602176634e×10^{-19}\,J/eV ≈ 1{,}74458×10^{8}\,eV ≈ 174\,MeV}
\end{aligned}
Das ist der oben angegebene Wert für die bei dieser Kernreaktion freiwerdende Energie.
Um dazu noch auf folgenden Punkt einzugehen:
eich-hörnchen schrieb:Bei mir sind 1 Kg und 999 g aber Gewicht und nicht Masse.
Bei den beschriebenen Reaktionen ändert sich die
Masse, wie sich z.B. mit einem
Massenspektrometer -- oder
jedem anderen Messverfahren für Masse -- messen lässt. Das Gewicht ist die Kraft, die ein Objekt mit einer bestimmten Masse in einem Gravitationsfeld ausübt. Der Massenverlust bei den beschriebenen Reaktionen ist jedoch völlig unabhängig von einem Gravitationsfeld. Der Massenverlust tritt unter Schwerelosigkeit genauso auf wie auf der Erde.
Im Gegensatz zu den gerade beschriebenen Kernreaktionen, wo nur ein Bruchteil der Masse der beteiligten Kerne in Energie umgewandelt wird, geschieht dies bei Materie-Antimaterie-Zerstrahlung (
Annihilation)
vollständig. Z.B. zerstrahlen
Elektronen und
Positronen (was auch in der Natur vorkommt) folgendermassen:
\mathrm{e^-+e^+\rightarrow\,1{,}022\,MeV}
Die freigesetzte Energie entspricht auch in diesem Fall der Masse:
\begin{aligned}
E&=m*c^2=\mathrm{2*9{,}10938×10^{-31}\,kg*(299792458\,m/s)^2 ≈ 1{,}63742×10^{-13}\,J\,[oder\ Ws]} \quad\longrightarrow \\
E&=\mathrm{1{,}63742×10^{-13}\,J\,/\,1{,}602176634e×10^{-19}\,J/eV ≈ 1{,}022\,MeV}
\end{aligned}
Das gleiche geschieht entsprechend auch bei der Reaktion von Protonen mit Antiprotonen, Neutronen mit Antineutronen, etc. Die Teilchen werden bei diesen Reaktionen
vollständig ausgelöscht, übrig bleibt nur Gammastrahlung. Derartige Reaktionen sind seit den frühen 1930ern bekannt, an ihrem Ablauf gibt es nicht den allergeringsten Zweifel.
Genauso gibt es den umgekehrten Prozess, der als
Paarbildung bezeichnet wird. Dabei entsteht aus energiereicher elektromagnetischer Strahlung ein Teilchen/Antiteilchen-Paar. Auch derartige Reaktionen sind seit den frühen 1930ern bekannt.