"Obwohl Homöopathen in gut 200 Jahren den Nachweis schuldig geblieben sind, daß ihre Tradition der Medizin sich naturwissenschaftlich einordnen läßt und wirksam ist auf dem Niveau, das wir bei medizinischen Behandlungen sonst immer fordern, leisten wir uns den Luxus, über einige Krankenkassen homöopathische Behandlungen zu subventionieren. Der fatale Eindruck beim Patienten ist, daß das Medizin sei wie andere auch.
Immerhin gäbe es ja auch bei bestimmten Krankheitsbildern, üblicherweise eher psychosomatisch angelegte Krankheitsbilder subjektiv beim Patienten den Eindruck von Verbesserungen während einer homöopathischen Behandlung. Einen solchen subjektiven Eindruck haben allerdings auch Patienten von afrikanischen Medizinmännern oder von Schamanen in Nordasien, wenn sie ausreichend besprochen, umtanzt und Naturgeistern entsprechende Opfer gebracht wurden.
Auch das Opfern einiger kleiner Mädchen beim Höhepunkt einer Epidemie einer Infektionskrankheit ist in fernerer Vergangenheit schon von vielen als wirksame Maßnahme empfunden worden. Zwischen diesen Methoden und der Homöopathie besteht nur der Unterschied, daß man für das Opfern kleiner Mädchen keine Krankenkasse findet, die es finanziert.
Warum ist das so? Wie gesagt, der objektive Wirksamkeitsnachweis ist nicht die Ursache – für die Homöopathie gibt es keinen. Und als Chemiker weiß ich, obwohl ich keine Ahnung von Medizin habe, daß der Homöopathie die naturwissenschaftliche Basis fehlt. Es gibt kein Gedächtnis des Wassers und hochpotenzierte Mittel können keine andere Wirkung haben als die des verwendeten Zuckers oder Wassers. Und an dem Punkt ist bereits jede sinnvolle Diskussion zu Ende, was danach kommt, ist sinnloses Predigen eines Aberglaubens, und beherrscht in seiner Langatmigkeit die Internetforen zu dem Thema. Dabei war schon seit 1835 die Position der Homöopathen nicht mehr haltbar. Dazu im Blog Science based medicine der Beitrag Homeopathy: failing randomized controlled trials since 1835.
Nun hat vor einer Woche der SPD-Gesundheitspolitiker Heiner Lauterbach etwas gesagt, bei dem ich zum ersten Mal in meinem Leben den Eindruck hatte, daß es gut und sinnvoll war. Daß man nämlich auf die Kassenförderung der Homöopathie verzichten könnte. Auf Seiten der CDU meinte der Gesundheitspolitiker Jens Spahn dazu, daß das aus seiner Sicht klar ginge. Das hätte ein gewaltiges Aha-Erlebnis in der Politik sein können: eine vernünftige Idee in der Opposition, Zustimmung aus der Regierung, und in kürzester Zeit umgesetzt. Aber das wäre naiv gedacht.
Mit der Abschaffung der Kassenförderung der Homöopathie ist zunächst mal kaum Geld zu machen. Das liegt schon daran, daß die meisten Menschen so vernünftig sind, bei „echten“ Krankheiten auch „echte“ Behandlungen vornehmen zu lassen.
Für die meisten Menschen ist die Homöopathie eine Wohlfühlbehandlung, bei der man im Grunde eine verkappte psychosoziale Stunde beim Naturheiler wahrnimmt, aber wenn es ernst wird, wird dann doch operiert, mit Antibiotika behandelt und mit Apparaten und Labor diagnostiziert. Und das ist letztlich das, was eigentlich was kostet.
Die Abschaffung der Kassenförderung würde aber andererseits viele Besserverdiener aus den Krankenkassen treiben, die aus irgendeinem Grund gerne die psychosozialen Stunden wahrnehmen und harmlose Wehwehchen mit Globulischlucken „behandeln“ und die mit einem vielfachen der Ausgaben für Homöopathie die übrigen Kassenmitglieder subventionieren. Da verwundert es nicht, daß die Grünen, die Partei der gehobenen Mittelschicht, der Leute mit akademischen Hintergrund, die ganz genau diese gut verdienenden Globulischlucker vertritt, mit Claudia Roth als erste gegen eine solche Maßnahme protestiert, dicht gefolgt von der SPD, wo Carola Reimann, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Lauterbachs Aussage als Einzelmeinung abqualifizierte.
Es geht eben nicht um Evidenz der Behandlung, sondern einfach darum, daß so ein Aberglaube auch seine Anhänger hat, und die sitzen bei wohl allen Parteien bis in höchste Positionen, auch Philip Rösler von der FDP und Johannes Singhammer kritisierten ein Verbot von Kassenleistungen für Homöopathie. Man muß also jetzt eine große Zahl von Soziologen, Germanisten, Betriebswirtschaftlern oder Juristen davon überzeugen, daß Wasser oder Zucker kein Gedächtnis hat und daß der Grundsatz, alles was subjektiv wirkt, ist medizinisch wirksam, im Zeitalter der Erforschung des Placeboeffekts eine antiquierte Plattitüde ist.
Wir opfern keine kleinen Mädchen mehr, weil die meisten unter uns nicht mehr an gewalttätige Naturgeister glauben, die man besänftigen müßte. Aber anscheinend ist es immer noch schwierig, gebildeten Menschen klar zu machen, wozu man doppelt-blind Tests in der Pharmakologie braucht und wie schwierig es manchmal sein kann, dies auch für eine aussagekräftige Versuchsgruppe zu machen."
http://globalklima.blogspot.com/2010/07/homoopathie-auch-ein-lehrstuck-fur-die.html