Auftriebskraftwerk
08.07.2015 um 20:02
Um noch mal auf die Blindleistung zurück zu kommen:
Eigentlich ganz simpel, aber euer Elektronetz ist ein nicht-intuitives Modell.
Nehmt eine Schaukel/Pendel, da wird's deutlich.
Das Pendel (das freie Ende) im Ruhezustand ist klar - (Bogen)Geschwindigkeit v=0, potentielle Energie=0 (relativ, irgendwo steht das Ding ja auch). Für v kann man hier auch die kinetische Energie nehmen, die ist im Ruhezustand auch 0 (sucht euch was aus an Maßeinheit, ist aber hier nicht relevant, da nur Gedankenmodell)
Nun gibt man Energie ins System. Pendel wird angestupst. Ohne Reibungsverluste wird das Ding nun bis in alle Ewigkeit Pendeln (wir nehmen hier mal frech eine ungedämpfte Schwingung an).
Also:
1: rechte Seite, oberer Wendepunkt -> v=0, Ekin=0, Epot=max, (I=0, U=max)
2: Durchlauf durch den tiefsten Punkt -> v=max, Ekin=max, Epot=0 (I=max, U=0)
3: linke Seite, oberer Wendepunkt -> v=0, Ekin=0, Epot=max, (I=0, U=max)
das geht nun immer weiter...
Man sieht hier schon, im Idealfall ist die Phasenverschiebung zwischen potentieller Energie und Geschwindigkeit/kinetischer Energie 90Dezimal-Grad oder Pi/2 (mal ein Koordinatensystem aufmalen mit der Epot, Ekin als y-Achse, und den "Totpunken" als x-Achse, das sind zwar Dreiecke, da zu wenig Punkte, aber ich denke, man sieht die Verschiebung). Das ist der Phasenwinkel (z.Bsp. zwischen U und I).
Im System selbst findet ständig eine Energieumwandlung statt - kinetische Energie in potentielle und umgekehrt, in der E-Technik - elektrisches Feld <- Strom -> magnetisches Feld.
Die Energie, die in diesem Zustand das System besiedelt, ist quasi Blindenergie, weil sie nur die Schwingung aufrecht erhält. Ist sie weg, steht das Pendel. Daher ist auch klar, das diese notwendig ist (für eine Schwingung). Ohne Blindenergie, keine Schwingung.
Zapft man nun aus dem System Energie ab (bremst das Pendel), wird die Schwingung irgendwann aufhören. Die Blindenergie ist irgendwann verbraucht, aus die Maus.
Was die Resonanz/Resonanzüberhöhung betrifft, auch hier mal ein Beispiel:
Wenn ihr eure schwingende Schaukel, die ja schöne gleichmäßig vor sich hin schaukelt, synchron/phasengleich im Takt der Schwingung mit Energie versorgt, wird der Ausschlag in beiden Richtungen größer (die Amplitude wird größer, sacht man).
Das ist solange ok, solange ihr entweder diese Energie wieder entnehmt, oder es mit der Energiezufuhr (die Blindenergie im System wird größer) nicht übertreibt. Klar, denke ich.
Zur Resonanzkatastrophe kommt es dann, wenn ihr nicht aufhört (oder der Sturm die schon schwingende Brücke weiter schön im Takt -Stichwort Eigenresonanz- mit Energie versorgt).
Irgendwann überschreitet die Blindenergie (die ist ja real) die max. Haltbarkeit (Strom, Spannung, Wasserdruck etc.) des Systems. Nun stellt euch vor, schlagartig hört die Schwingung auf und die als Blindenergie gespeicherte Energie wird nun schlagartig zur Wirkenergie. Dann kommt es je nach Größe des Systems (siehe Brücke) schon zu echten Katastrophen.
Evt. noch ein Spruch zur Eigenresonanz:
Unsere Beispielschaukel hat so was ja auch. Versucht mal die Schaukel mit einem Takt von sagen wir mal 5Hz (5 Stupser pro Sekunde!) mit Energie zu versorgen. Na ja, das wird wahrscheinlich nix, da die mechanischen Parameter des Schaukelsystems nicht dazu passen. Es wird also zu recht unpassenden Zeitpunkten Energie ins System gespeist, das beschleunigt mal, mal bremst es stark, die Schwingung wird recht mickrig sein, wenn überhaupt.
Wird aber passend zum System und (was noch dazu kommt) phasenrichtig Energie (ihr gebt ja der Schaukel immer im oberen Todpunkt oder etwas nach dessen Durchlauf einen kleinen Schubs) zugeführt, dann beginnt das Ding richtig zu schwingen. Das kann man berechnen. Ist auch wichtig. Ohne Resonanz keine Energieübertragung durch Schwingkreise.
Was Stromnetze betrifft will man den "Pendeleffekt" nicht. Das Stromnetz soll nicht "schwingen" (Blindenergie hin und her schaufeln), sondern Wirkenergie liefern. Das funktioniert nur, wenn wir echte sog. ohmsche Lasten haben.
Nun ist es so, dass aber in unseren Netzen viele induktive und kapazitive Lasten laufen. Die Verschieben den Arbeitspunkt des Netzes gegen "Schwingkreis". Ist Mist, der Generator liefert dann Blindenergie, die nicht nutzbar ist. Daher wird der Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung mittels Kompensation klein gehalten. Spulen gegen Kondensatoren und umgekehrt.
Oder ganz ordinär: Der Generator ist auf der einen Seite des Schwingkreises als Induktivität, das Netz auf der anderen Seite als Kondensator. Das Konstrukt soll aber nicht in Resonanz geraten (50Hz, der Generator ist ne' schöne Energiespritze), deshalb hält man den Phasenwinkel auf 0, damit keine Blindenergie hin und her wandert (Pendel steht quasi).
Ich hoffe, es war nicht zu wirr.