kleinundgrün schrieb:Mir ist natürlich bewusst, dass die Kennzeichnung als "Querulant" auch bestens geeignet ist, berechtigte aber lästige Beschwerden abzubügeln. Quasi ein Totschlagargument.
Ich denke, sehr viele Mitarbeiter in Behörden und bei Gericht versuchen Anspruchstellern oder Beschwerdeführern auch dann gerecht zu werden, wenn sie schwierig sind, versuchen ihre Anliegen richtig zu erfassen und zu erklären, warum eine Leistung oder ein Recht nicht oder nur teilweise gewährt werden kann. Der "Dienstleistungsgedanke" hat in vielen Behörden Einzug gehalten, auch wenn es in Subordinationsverhältnissen, wie sie weiter existieren, lächerlich ist, von "Kunden" zu sprechen (höchst kontraproduktiv).
Leider gibt es immer wieder, v.a. im Sozial- und Verwaltungsrecht sehr grausige Behördenschreiben, die triefen vor hoheitlicher, autoritärer Diktion, bloßer Wiederholung kaum verständlicher Gesetzestexte und Verwaltungsvorschriften, Nominalstil, Schachtelsätze und massenhaft kaum nachvollziehbare Paragraphenverweise. Auch unter Juristen gibt es Gestalten, die meinen, je komplizierter etwas klingt, desto stärker beweisen sie ihre Kompetenz. Der Sinn eines solchen Stils ist vielfältig: Verantwortungsdiffusion, Verschleierung, Ab- und Ausgrenzung, Machtdemonstration. Ein flächendeckendes "Gendern" verstärkt noch den Effekt.
Ein großes Problem stellt dann v.a. in Ostdeutschland das Eingabewesen der DDR dar. Es war oft bis 1990 die einzige Möglichkeit für den Bürger, etwas zu seinen Gunsten zu bewegen. Im Rechtsstaat der Bundesrepublik spielen nichtförmliche Rechtsbehelfe wie Petitionen, Beschwerden und Bitten keine große Rolle. "Formlos, fristlos, fruchtlos", sagt der Jurist. Es kann nicht einfach eine Vergünstigung gewährt oder einer Bitte entsprochen werden. Trotzdem hat sich scheinbar die Form der Eingabe gerade in den ostdeutschen Bundesländern erhalten, heute aber mehr als Bestätigung, wie unfähig oder ablehnend dieser Staat sein soll.
Zudem muss man immer unterscheiden, wo ist "Hopfen und Malz" verloren (z.B. Reichsbürger, ideologisch gefestigte oder persönlich nicht mehr einsichtsfähige Personen) oder wo liegt eine Enttäuschung, eine Verbitterung vor, die zumindest partiell gelockert werden kann. Gerichte und Behörden neigen häufig dazu, so auch mein Empfinden, jede Form von Kritik als lästig und illegitim abzutun.
Insofern braucht der "Querulant" immer zwei Elemente: Sich selbst und einen Resonanzboden. Bei Mollath waren das meiner Ansicht nach zwei Dinge: Zum einen die Durchsuchung nach Waffen und dann die psychiatrische Zwangsuntersuchung bzw. -beobachtung, der er sich verweigerte, bis er zwangsweise untergebracht wurde. Ich weiß nicht, wer das wie ein Lämmchen über sich ergehen lassen würde, wenn er davon überzeugt ist, unbescholten zu sein. Die Stigmatisierung als "Irrer" verstärkt dann noch den Effekt. Natürlich war Mollaths Verhalten eine Reaktion auf die Dinge, die ihm geschahen.
Und man muss auch ganz klar feststellen, dass seine Frau hier eine treibende Kraft der Maßnahmen war. Ob das Fürsorge war, ob Angst vor Gewalttätigkeit oder vor beruflichen Nachteilen, ob Rache, ob Notwehr gegen Stalking oder ein perfider Plan, lässt sich von außen kaum beurteilen.