Aus meinem Tagebuch
@NarrenschifferHeute war wieder einer dieser Tage, an dem ich aus dem Fenster des Wagens geschaut habe, der mich immer wieder durchs Land fährt. Meistens bin ich, wie wohl viele andere Menschen auch, in irgend etwas vertieft, sei es dass ich während der Fahrt im Internet surfe, die Tagezeitung lese, oder so in Gedanken versunken bin, dass ich meine Umwelt kaum mehr wahr nehme. Oft war es sogar schon so, das ich dadurch den kompletten Weg gar nicht mitbekommen habe, und manchmal waren es Wochen, bis ich mich mal auf die ganze Strecke so konzentriert habe, so dass ich den Weg alleine hätte zurück fahren können.
Wohl hatte ich die neben den Strassen selbstgebastelten Hütten schon gesehen, doch war mir die Menge bisher nicht bewusst geworden. Überall, nicht nur am nahen Strassenrand, auch dahinter liegend in den Feldern, sah ich diese in die Erde gesteckten Äste, die mit schmutzigen Plastikplanen überspannt waren. Darunter war staubige Erde, manchmal eine Decke darüber, manchmal nicht. Kleine schmutzige Kinder, die gerade so eben laufen konnten, mit schmutzigen Hemdchen, verklebten Haaren, und entblösstem Unterleib, rannten überall unbeaufsichtigt herum. Einige hockten gerade und verrichteten ihre Notdurft, andere stolperten so nahe an, oder bereits auf der Strasse durch den Dreck, und hielten irgendwelche Plastikteile in der Hand, die sie aus dem überall herumliegenden Müll aufgesammelt hatten, so dass mir Angst und bange wurde um sie. Müll ist allgegenwärtig in diesem Land, welches so schön sein könnte, wenn nicht jedes Landschaftsbild davon betroffen wäre. Müll überall Müll, darin die Notbehausungen der ärmsten, diese kleinen schmutzigen Kinder, die doch nichts dafür können, dazwischen noch schwarze wilde Schweine, die im Müll herumstocherten, und wie die Kinder auf der Suche nach etwas brauchbarem waren. Eines der Kinder, ein vielleicht 1 ½ Jahre altes Mädchen, mit verfilzten Haaren und mit Dreck überzogenem Körper, starrte in Richtung des Wagen und hielt uns mit ausgestrecktem Arm einen gebrauchten Plastikbecher entgegen, den sie im Müll gefunden hatte, und uns wohl als Tauschobjekt anbot.
Vorbei daran mit 60 km/h, weiter in Richtung Arbeit, fuhren wir unter einer Eisenbahnunterführung durch. Dort im fahlen Licht und grauem Staub, saßen die, welche sich diesen Ort als Unterkunft gewählt hatten. An einer der Säulen in der Mitte saß ein Mann, der ständig in schnellem Rhythmus, mit dem Oberkörper vor und zurück wippte. Er war nackt, bis auf einen dreckigen Stofffetzen, den er zwischen seinen Beinen durchgezogen, und mit einer Schnurr, die er wie einen Gürtel um seine Hüfte trug, verknotet hatte. Als ich den unsagbaren Schmerz in seinem Gesicht sah, bekam ich den Impuls ihm zu helfen, aber der Fahrer hielt nicht an, da es verboten wäre dort anzuhalten, sagte er.
Weiter Richtung Arbeit, vorbei an diesen Menschen, verfiel ich in Nachdenklichkeit, und fragte mich was Menschen wert sind, wenn sie keine Ausbildung haben, und sich selbst überlassen sind.
Das ist eine alte Frage, die leicht zu beantworten ist, und bevor jetzt jemand an Entwicklungsland und Infrastruktur und Marktwirtschaft denkt,
frage ich ihn warum?
Warum lassen wir so etwas zu?
Warum verdammt lassen wir dieses Elend zu?
Warum lassen wir uns in Systeme pressen, die so etwas zulassen?
Warum schenken wir denen immer wieder Glauben, die uns sagen dass es nicht anders geht, während sie immer mehr Reichtümer anhäufen und von Delikatessen von goldenen Tellern essen?
Bald ist Regenzeit, dann werden die Zelte weggeschwemmt. Wenn der Regen aufhört kommen sie wieder. Wo sie bis dahin bleiben, weiss ich nicht.