gagitsch schrieb:Die Kirche war nicht froh darüber
Nope.
Selbst im Wiki-Artikel zu Galilei (ebenso zu Kopernikus) stehts anders da. Und das ist auch nicht erst gestern oder voriges Jahr da reingeschrieben worden. Bereits in Gerhard Prauses "Niemand hat Kolumbus ausgelacht" aus den Achtziger Jahren, im "Lexikon der populären Irrtümer" von Walter Krämer und Götz Trenkler aus den Neunzigern u.ö. wurde diese - weitere - antikirchliche Mittelalter-Mär aufgedeckt. Scheint sich echt noch nicht so rumgesprochen zu haben. Sind ja erst dreißig Jahre...
Die größten inhaltlichen Befürworter, Förderer und Finanzies des heliozentrischen Weltbildes von Kopernikus und Galilei waren Kirchenleute. Bischöfe, Kardinäle, Jesuiten, selbst der Papst, der Galileis heliozentrische Schriften dann verwarf, selbst der ermunterte ihn immer wieder, daran weiterzuarbeiten. Warum er es am Ende verwarf - lies einfach mal nach.
alhambra schrieb:martenot schrieb:
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, in welchen historischen Epochen man überwiegend von einer flachen Erde ausgegangen ist?
Ich denke nie.
Doch, wurde.
Vor zweieinhalbtausend Jahren war dies in den europäischen bis mesopotamischen Kulturen jedenfalls Mainstream. Bei den Griechen war die Erde flach, von einem unschiffbaren Mahlstrom umspült, dem Okeanos. Am westlichen Rand der Welt stand der Titan Atlas und trug die Himmelskuppel. Eine die Erdscheibe überwölbende Himmelskuppel mit Wächtern an den Rändern kommt auch im babylonischen Epos Enuma Elisch vor. Selbst in der Bibel findet sich die Kuppel, die wie im Enuma Elisch verhindern soll, daß sich die oberen Wasser mit den unteren Wassern wieder verbinden, was die Rückkehr des Chaos und das Ende der Schöpfung bedeuten würde. Und bei den Germanen durchschwimmt die Midgardschlange das die Welt umgebende ringförmige Gewässer. Nur bei der Scheibenwelt kann der Pharao in der Nacht mit der Sonnenbarke die Sonne vom Untergangsort zum Aufgangsort zurückbringen; durch die Unterwelt, versteht sich. Auch die Totenwelt der Ägypter erreicht man am Westrand der Welt. Bei den Griechen liegt das Elysium dort am Westende, also der luxuriöse Bereich für auserwählte Verstorbene (der restliche Hades war eher trist). Wohin man sieht, Scheibenwelt.
alhambra schrieb:Allerdings muss das Wissen der alten Griechen über die Größe der Erde (die die Griechen schon recht präzise berechnet hatten) verloren gegangen sein. So dachte Kolumbus zeitlebens es bis China geschafft zu haben, hatte aber tatsächlich nur die Hälfte der Strecke geschafft.
Kolumbus' Unternehmen wurde von zahlreichen Zeitgenossen kritisch gesehen, eben weil Kolumbus einen Äquatorumfang von weniger als 30.000 km annahm, die anderen gingen von rund 40.000 aus. Bei letzteren Ausmaßen hätte kein damaliges Schiff genügend Proviant und Wasser für die benötigte Crew mitnehmen können, um es bis nach Ostasien zu schaffen. Kolumbus hatte einfach Schwein gehabt, daß da an erwarteter Stelle wirklich Land war.
Findet sich übrigens ebenfalls an diversen Stellen nachzulesen, ebenso bei Prause und im Irrtümer-Lexikon.
gagitsch schrieb:Die Kirche selbst sah sich als Mittelpunkt, so sah sie auch die Erde als Mittelpunkt.
Noch so ne Mär. Putzig auch, da die selben Leute, die meinen, die Kirche wäre so "mittelpunktorientiert", behaupten zuweilen im selben Atemzug, Kirchens hätten immer alles kleingeredet und für unbedeutend, unwürdig usw. gehalten. Erst Humanismus und Aufklärung hätten dann gesagt, daß der Mensch und so weiter richtich wichtich seien.
martenot schrieb:Ich finde, es reichen ja schon recht einfache Beobachtungen aus, um eine flache Erdscheibe in Zweifel zu ziehen.
Nicht wirklich. Ab den geometrischen Überlegungen der Griechen ja, aber zuvor machte man sich nicht wirklich eine Rübe über sowas. Es reichte die Erfahrung, daß weit Entferntes kleiner erscheint als Näheres, um "damit leben" zu können, daß weit entfernte Scheibenregionen hinter geringeren Erhebungen in größerer Nähe verborgen sein "müßten". Unsereins wird schon in früher Schulzeit dazu geschult, daß uns das als "popeleinfach" vorkommt, über solche Wahrnehmungen die Scheibenerde ausschließen zu können.