Immer wieder lesenswert
Liga-Lehren XXVIII
Alptraum 2035
Die neuen Liga-Lehren sind da – mit einer Menge Christoph Daum, dem Grundkurs Anatomie und einer besorgniserregenden Prognose:
Unumgänglich
Dieser Trainerwechsel in Frankfurt hatte sich ja angedeutet. Die Fans unbefriedigt wie Berlusconi vor der Mittagspause. Die Mannschaft bezaubernd wie eine Palette Dosenobst. Und der Trainer? Wirkte irgendwie konzeptlos, uninspiriert und ausgebrannt. Weshalb man sich eben nach einem Neuen umsehen musste. Aber wie das so ist, wenn man einen Trainer sucht, der eine Linie hat, einen gutes Näschen beweist und bis in die Haarspitzen motiviert ist – dann bleibt eben nur Christoph Daum.
Logisch
Zugegeben, die Schneemann-Scherze über Christoph Daum sind inzwischen älter als die Trainingsmethoden von Felix Magath. Und irgendwie freuen wir uns ja auch, dass Mister Rapid Eye Movement wieder in der Bundesliga zurück ist. Beim Effzeh wollte er ja zuletzt nicht mehr, weil ihm da die Champions League-Perspektive fehlte. Eine Anspruchshaltung, die einen auf lange Sicht irgendwann eben nach Frankfurt führt. Genauso wie es Jürgen Klopp als Liebhaber einer euphorischen Fan-Szene früher oder später nach Wolfsburg verschlagen wird.
Besorgniserregend
Don Jupp kommt also zurück nach München. Und diesmal nicht nur für ein vierwöchiges Seniorenpraktikum, sondern so richtig für immer – oder bis zur nächsten Bayern-Krise im Herbst. Heynckes setzt damit einen besorgniserregenden Trend fort. Beim FC Bayern scheint man nämlich nur noch auf bewährte Ex-Trainer zu setzen. Denn alle kommen sie irgendwann wieder: Trapattoni nach einem Jahr, Hitzfeld nach dreijähriger Abstinenz und nun Heynckes nach 20 Jahren. Man erahnt eine geradezu mystische Gesetzmäßigkeit, den sog. Bayrischen Alkorithmus, der uns mit mathematischer Präzision voraussagt: Neuer Bayern-Trainer im Jahre 2035 wird – 48 Jahre nach seinem Abgang und pünktlich zu seinem 100. Geburtstag: Udo Lattek. Zweifel ausgeschlossen!
Physikalisch
Apropos Seniorenfernsehen: Wie räsonierte Bela Rethy dieser Tage so treffend, als die Spanier auf der litauischen Buckelpiste mit hohen Bällen agierten: "In der Luft sind die Platzverhältnisse prima!". Physikalisch unangreifbar richtig – andererseits fliegen die Bälle aber am Boden auch nicht gerade hoch. In diesem Zusammenhang fällt uns denn auch ein bislang ungelöstes wissenschaftliches Phänomen ein: Wie oft semmeln Schweinsteiger & Co. die Kugel über den gegnerischen Kasten? Unter das Tor hat es komischerweise jedoch bislang noch niemand geschafft. Angesichts Werders derzeitiger Chancenauswertung wohl aber auch nur noch eine Frage der Zeit.
Chaotisch
Irgendwie verhält es sich mit Bayerns Innenverteidiger-Pärchen ja wie bei so einem Erstrundenmatch im DFB-Pokal: Die Zusammensetzung wird in einer chaotischen Auslosungsprozedur ermittelt und nach dem Spiel scheidet einer wieder aus. Kein Wunder also, dass man auch als semi-professioneller Beobachter irgendwann den überblick verliert. Noch dazu, wenn man wie Marcel Reif die 90 Minuten eigentlich nur nutzen will, um sich den inneren Stefan Effenberg von der Galle zu nölen. Da kann es dann schon einmal vorkommen, dass man in Luiz Gustavo den virtuell eingewechselten Breno erkennt. Macht ja nix. Nehmen wir dem ollen Fritz gar nicht krumm.
Politisch
Im Grunde ist die Bundesliga eben auch nur ein Spiegel unserer Gesellschaft. Was nicht nur für die wenigen Chaoten auf den Rängen gilt, sondern auch politisch zutrifft, ließ sich an diesem Spieltag doch auf subtile Weise das Wahlergebnis des vergangenen Sonntags ablesen. Ob man Jupp Heynckes' Spielmobil-Gesichtsteint aber wirklich als plumpen Anbiederungsversuch beim roten Kurt interpretieren kann, ist dabei eher zweifelhaft. Eindeutig politisch motiviert war dagegen das Lichtspielfestival in der Allianz-Arena, welches uns die Farbe Grün in allen schmerzhaften Hell- und Dunkel-Nuancen offerierte. Dass van Gaal erstmalig zwei Linksfüße in der Innenverteidigung aufbot, war im übrigen genauso der politischen Stimmungslage geschuldet wie die Konzeption des Münchener Offensivspiels. Das wirkte nämlich mitunter so trübsinnig und jämmerlich, als wollte die Bayern-Mannschaft in einem tragikomischen Method-Acting die Befindlichkeit der FDP nachstellen. Künstlerisch absolut wertvoll.
Höflich
Schon Ralf Möller lehrt uns: Die Körpergröße eines Menschen lässt keinen direkten Rückschluss auf dessen intellektuelles Vermögen zu. So kann man auch mit den Ausmaßen eines Laternenpfahls nur Brei in der Birne haben der oder umgekehrt als Drei-Icke-Hoch gleichwohl deutlich die Kindergartenreife überschritten haben. Dies nur als kleine Denkhilfe für Schiri Deniz "Hightower" Aytekin, der die vergleichsweise unterdimensionierte Biathlon-Weltmeisterin Miriam Gössner beim Anstoß-Ritual mit einem pädagogisch strengen "Sag mal 'Hallo'!" zur gebotenen Höflichkeit gegenüber den anwesenden Mannschaftskapitänen ermahnte. Klein-Miri sagte verschüchtert 'Hallo' und wurde kurze Zeit später im Spieleparadies von ihren Eltern abgeholt.
Sozial
Wir kennen den DFB ja als verantwortungsvollen Verband mit hoher Sozialkompetenz: Da gibt man gerne was für karitative Zwecke (und nicht nur einen Zwanziger), sagt den Betäubungsmitteln mit gesenktem Daum(en) medienwirksam den Kampf an oder versucht bemitleidenswerte Menschen, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat, ein wenig vom Elend des Alltags abzulenken. Weshalb man jetzt einfach mal wieder ein Länderspiel in der Pfalz austrug und als Dankeschön ein gellendes Pfeifkonzert erntete. In der Pfalz noch immer das deutlichste Zeit unbändiger Begeisterung. Die Lauterer Fans sollen ihren Unmut nach der 13. Saisonniederlage denn auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben – mit Standing Ovations. Andere Länder…
Ahnungslos
HSV, Freiburg, Gladbach, Nürnberg, Bremen, Frankfurt – so lautet also das gammelige Restprogramm des BVB. Alles lockere Selbstläufer, die die Borussia im Dreivierteltakt nach Hause fahren wird. Weshalb wir Kloppo & Co. schon jetzt recht herzlich zur Meisterschaft gratulieren und damit endlich nachempfinden können, wie man sich so fühlt – als Wolf-Dieter Poschmann. Denn laut Kloppo hat jeder, der hier von einem leichten Restprogramm spricht, "nullkommanull Ahnung von der Bundesliga". Schon irgendwie erniedrigend, dieses Poschi-Feeling.
Anatomisch
Zum Abschluss die anatomische Erkenntnis der Woche, die wir dem Star dieser Ausgabe verdanken: "Wenn der Kopf funktioniert, ist das wie ein drittes Bein." Meint Christoph Daum und lehrt uns damit erneut, dass einem diese Nase dann und wann zu Kopf steigen kann. Wer erfahren will, wieso einem die Leber auch schon mal an die Nieren gehen kann, sollte sich aber weiterhin an uns Ouzo halten. Und dank 1860 wissen wir auch jetzt, dass man selbst in einem Sport, den man mit dem Fuß spielt, durchaus arm dran sein kann.
Quelle:
http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Liga-Lehren-XXVIII,123451.html