@Alienpenis @Fedaykin Also wenn ich permanent angesprochen werde, dann äußere ich mich noch kurz dazu, ohne aber noch mal auf meine Sicht zu rekurrieren.
Alienpenis schrieb:bei allen einwänden deinerseits; aber ich denke, dass die menschen, die deratiges
versuchen, wissen um was es dabei geht.
Ja, das wussten sie schon immer.
Die Titanic war unsinkbar.
Die Concorde war unabstürzbar.
Die Space Shuttles Challenger und Columbia waren unkaputtbar.
Es ist schlicht unmöglich, alle Eventualitäten im voraus zu berechnen und alle Gefahren auszuschließen, schon allein aus dem Grund, weil man nur die Gefahren ausschließen kann, an die man vorher denkt. Wenn's mehr davon gibt und eine eintritt – Pech gehabt. Das Problem ist nur, dass so ein Generationenschiff, wie hier von einigen dargelegt, nicht nur EXTREM teuer ist, sondern gleich die Bevölkerung einer Millionenstadt betrifft, die voller Hoffnung in das Ding reingehen, um zu den Sternen zu fahren.
Natürlich sind meine Einwände nicht widerlegt worden, sie sind bloß weggebasht worden. Auch als Soziologe kann ich keine Beweise für Vorfälle und Reaktionen einer völlig hypothetischen Situation bringen, weil es keine Vorerfahrungen gibt, mit denen man eine solche Situation vergleichen könnte. Da kann man eben nur raten und muss den Menschen (in seiner Reaktion auf unerwartete Vorfälle) so nehmen, wie man glaubt, dass er ist.
Und natürlich werden sich wie immer am Ende die Technokraten durchsetzen, so wie auch hier, denn was machbar ist, wird auch gemacht, wenn es am Ende einen gigantischen Profit und jede Menge technologischer Durchbrüche und Innovationen verspricht. Und auch die Patrioten sitzen im selben Boot und schwadronieren von dem Aufbruch der Menschen zu den Sternen, zu einer Zukunft schier ohne Unmöglichkeiten, ohne Grenzen und ohne Ende. Per aspera ad astra. Da schmeißt man eben alles rein, was man an Träumen, Pionier-Stolz, technologischem Größenwahn und anthropozentrischer Überheblichkeit aufzubieten in der Lage ist.
Natürlich wird alles rational geplant und es werden auch genug Sonden ausgeschickt, die die nächstliegenden Sternsysteme und ihre Planeten genauestens untersuchen; sämtliche Informationen fließen in das Projekt ein. Man wird, da bin ich ziemlich sicher, mindestens einen erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone finden und bis dahin auch schon einige Generationen neuartiger Antriebe gefunden haben, die 1/10 c oder so zulassen, aber es wird dennoch Jahrhunderte dauern, um am Ziel anzukommen. Und wahrscheinlich müssen wohl doch lebende Menschen diesen Trip unternehmen, weil das mit der Gefiertechnik wohl nie richtig funktionieren wird.
Wenn sich also, wie vorauszusehen, weil es schon immer so war, die Technokraten durchsetzen und die Einwände der "Humwanwissenschaftler" bzw. Geisteswissenschaftler – Anthropologen, Soziologen, Philosophen, Psychologen, Psychiater, Hirnforscher, Kognitionsforscher usw. – am Ende abgebürstet werden ("ein Restrisiko besteht immer, aber das muss man angesichts der gigantischen Vorteile eingehen"), darf sich niemand wundern, wenn am Ende der Reise etwas anderes rauskommt, als das, was man am Anfang an Menschen hineingesteckt hat.
Natürlich waren meine Einwände nur erste Ideen, die mir kamen, als ich die Durchführbarkeit so eines Unternehmens im Kopf durchspielte, und sehr oberflächlich. Aber bei der technischen Seite wurde hier ja noch mehr fantasiert, denn es ist eben sehr komisch, über die Mengen von Wasserstoff zu spekulieren, die man mitnehmen muss, wenn man nicht mal weiß, was für eine Antriebstechnologie bis dahin fertig ist, oder global zu sagen, da werden dann unterwegs halt noch ein paar Kleinplaneten und Asteroiden ausgebeutet, die so am Wegesrand stehen, um das Energieproblem vollständig zu lösen. Ist das etwas rationaler als meine Überlegungen zu menschlichen Reaktionen auf einer Reise, die so lange dauert wie vom Absolutismus bis heute?
Ich versuche halt in dem Science Fiction, an dem ich mich in den nächsten Monaten versuchen werde, das Leben in dem Generationenschiff der 3. oder 4. Generation zu schildern, wahrscheinlich der 4., nachdem alle Erstpassagiere weggestorben sind und es von daher kaum noch authentische Erstinformationen gibt. Das soll also ihre Welt sein. Warum fliegt die überhaupt? Was ist das Ziel? Wer weiß alles? Die Roboter? Wo stecken die Programme? Wer entscheidet darüber, was an Wissen mitgeteilt wird und was nicht? Gibt es wirklich eine Erde, oder ist das bloß wieder einer dieser Ursprungsmythen? Und wenn es die Erde nicht gibt, warum ist das hier alles so technisch und künstlich? Sind wir in der Matrix? Wie reagieren die Passagiere einer Zwischengeneration darauf, wenn ein paar Leute durch Zufall oder mit gezielten Methoden dahinter kommen, dass das Schiff eine ganz bestimmte Mission hat und dass, um sie zu erfüllen, eine ganze Reihe von Generationen nur gebraucht werden, um das genetische Zwischenprodukt weiter zu tragen? Ich selbst hab noch nicht die geringste Ahnung, was in dem Science Fiction passieren und wie es/er ausgehen wird. Wahrscheinlich eine "Katastrophe", vielleicht aber auch, dass sie das letztendlich schlucken, ihr so genanntes Schicksal, auch wenn's ihnen schwerfällt. Vielleicht haben sie aber auch null Chancen für was auch immer, weil die intelligenten Roboter längst die Kontrolle übernommen haben, und deren Ziele und Vorhaben sind nun mal völlig andere.
Werden solche Szenen eigentlich auch vor dem Ernstfall durchgespielt, oder sind sie zu subversiv, da sie das ganze Projekt sabotieren könnten und die Technokraten ihrem Lieblingstraum entsagen müssten, noch ehe er Chancen hat sich zu verwirklichen?
Fedaykin schrieb:Mit Leuten wie Realo hätte die Menschheit nie die Höhlen verlassen...
Haha, immer sehr lustig zu sehen, wie manche Leute glauben mich und meine Denkweise besser zu kennen als ich selbst. Hier mal ein kurzer Auszug aus meinem 1. Buch, das für dich Interessante ist nachträglich fett markiert:
Leider erlaubte es ihm sein Intellekt nicht allzu lange, an dieses Märchen zu glauben. Denn zum Intellekt gehört es selbstverständlich, sich Gewissheiten zu verschaffen über die Verhältnisse in der Welt und ihrer Zusammenhänge, und diese Gewissheiten schlossen, je mehr der Mensch von der Welt und dem, was sie im Innersten zusammenhält, erfuhr und dieses Wissen auf eine wissenschaftliche, nachprüfbare Basis stellte, den Schöpfergott aus, ja mehr noch, sie schlossen den Schöpfergott, den er, der Mensch, selbst erfunden hatte, um seine verlorene Seele irgendwie zurück zu gewinnen, aus, umso radikaler, je umfassender sein Wissen über die Welt wurde. Dieses Wissen, mittels dessen er sich im Prozess seiner Menschwerdung aus Neugier, also aus freiem Willen, aus dem Paradies, der unschuldigen, traumhaften, vorbewussten Einheit mit der Welt, ausgeschlossen und damit sogar aus der Welt ausgeschlossen hatte, vertrieb schlussendlich auch den Schöpfergott aus dieser Welt, für den es in ihr keinen Platz gab. Zwar ahnten es schon Marx und Nietzsche, dass Gott tot ist, eine Erfindung des Menschen, aber spätestens mit der Entdeckung der Onto- und der Anthropogenese, des Urknalls und der modernen Kosmologie, mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, last not least mit den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung, die Geist und Bewusstsein, also Erkenntnis und Identität, als Funktion organischer Substrate erkannte und eine vom Hirn unabhängige «Seele» ausschloss, mit der Erschließung von Wissen also, das auf empirischer Basis und Beweisbarkeit beruht und damit anders als die Religion keine Glaubenssache ist, sondern Gewissheit, war auch die Sache mit der Vertreibung aus dem Paradies und der verlorenen Seele ad acta gelegt, und ganz en passant auch die Hoffnung auf die Möglichkeit eines Lebens jenseits des Todes. Der Mensch ist, wie er erkannte, ein intelligentes armes Würstchen, das schon wieder sterben muss, noch ehe es richtig zum Leben gekommen ist.
Dies ist natürlich eine absolut ernüchternde, eigentlich schreckliche Bilanz, mit der es sich nur leben lässt, indem man sich voll ins Leben schmeißt, solange es noch geht, aber natürlich lässt sich der Geist nicht mehr länger austricksen mit Selbsttäuschungen wie der vom ewigen Leben und der unsterblichen Seele. Was bleibt noch nach dem Tod Gottes und dem Ende der Religionen? Flucht in die Esoterik, in den Mystizismus und den Utopismus?
Aber, so sagt sich der Mensch, dieses vernichtende Urteil, dieses grundstürzend fatale Selbst- und Weltbild, dieser wissenschaftlich induzierte Triumph der Sinn- und Hoffnungslosigkeit, dessen Adepten sich nüchtern Realisten nennen, kann und darf doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Schlimmer noch: Als ob das nicht schon genug der Demütigungen wäre, wissen wir seit Ende des letzten Jahrtausends nun auch noch, dass das Universum sich mit kontinuierlich zunehmender Fluchtgeschwindigkeit ausdehnt und entsprechend verdünnt, bis es irgendwann zerreißt und die letzten Elementarteilchen und schwarzen Löcher verdampfen und sich auflösen zu Nichts, und damit auch die Zeit. Weder ein stabiles Universum, das uns Evolution und kontinuierliche Entfaltung des Geistes erlauben würde,ist noch eine Option, noch die zweitbeste Lösung, dass das Universum irgendwann wieder kollabiert bis hin zur raumlosen Singularität mit Hoffnung auf einen neuerlichen Urknall, mit dem die Welt mit neu gemischten Karten aufs Neue beginnen könnte mit ihrer Expansion und neuem Leben. Damit ist auch die gestern noch vage Möglichkeit, die aber dennoch als Versprechen am Horizont stets vorhanden war, dass wir, die Menschen der Erde, uns in ferner Zukunft über die Milchstraße und vielleicht sogar über ferne Galaxien ausbreiten und als Spezies in ständiger Weiterentwicklung fortbestehen, weit über den Hitzetod der Urheimat Erde hinaus, und unseren Samen bis ans Ende der Zeiten durch alle Welt ausbreiten und fortpflanzen, schon heute ad acta gelegt als eine weitere geplatzte Illusion. Und man muss natürlich kein Prophet sein, um sagen zu können, dass der letzte Strohhalm, an den wir uns jetzt noch klammern, weil das Gegenteil noch nicht bewiesen ist, schon morgen wegknicken könnte: dass es nämlich in diesem gigantischen Weltall mit seinen Milliarden Galaxien und Abermilliarden Sternen keine einzige intelligente Zivilisation gibt, dass wir ganz allein sind in diesen unermesslichen Räumen und bewusstlos rotierenden Galaxien, die wir gestern noch mit so leuchtenden Augen Lebenswelten nannten.
Per aspera ad asthma.
Ist es da ein Wunder, wenn wir uns angesichts dieser zutiefst deprimierenden Aussichtslosigkeit mit immer größeren Kraftanstrengungen unter Aufbietung aller Ressourcen an Fantasievermögen immer neue Traum- und Wunschwelten erdenken, um uns vor dem Sturz ins Bodenlose der Ver-zweiflung zu bewahren? Du hast keine Chance, aber nutze sie – es gibt schlechtere Vulgärphilosophien als diesen alten Spontispruch. Der Mensch lebt von Utopien, er braucht sie schlicht wie die Luft zum Atmen und wie die Liebe um zu überleben. Auch wenn alles gegen uns spricht, ist es doch erlaubt, unseren Geist nicht nur zur Wissenschaft zu nutzen, sondern auch zu Fantasieflügen in Traumwelten, die zwar völlig illusorisch und wohl auch eskapistisch erscheinen, die gleichwohl nicht notwendigerweise heute schon dazu verurteilt sind, morgen wie schon alle anderen Utopien als Seifenblasen der Selbsttäuschung wenn nicht der Selbstverdummung zu platzen.
Hätten wir diesen pessimistischen, nüchternen Realismus, den wir, behaupte ich, von Anbeginn der Menschwerdung an auch schon hatten, zu allen Zeiten stets rigoros gepflegt und durchgesetzt und dafür alle Fantasien, Sehnsüchte, Träume und Vorstellungen von einem besseren Morgen geopfert – wir würden heute noch in Fellen mit Fackeln durch die Höhlen laufen und uns mit Faustkeilen gegenseitig die Köpfe einschlagen. Die Illusionen – die Träume und Beschwörungen von Jagdglück, von einem Ende der eisigen Kälte (Eiszeit) –, die Gebete zu einem Gott für eine gute Ernte, für Fruchtbarkeit, gesunde, kräftige Nachkommenschaft –, die Hoffnung auf ein Ende des Kriegs und der Krankheiten –, die Träume vom Ende der Knechtschaft, von der Besiegung des Hungers, von der endgültigen Überwindung sinnlosen Leidens und allen Elends –, der Glaube an ein besseres Morgen war es doch, der Hochkulturen, Zivilisation und Fortschritt ermöglicht hat, wider alle Cro-Magnon-«Realisten» von einst. Und so ist es heute der Glaube an den Fortschritt z.B. in der Biotechnologie, der es unseren Enkeln vielleicht ermöglicht, die Lebensspanne signifikant zu verlängern, und an neue Technologien, die es uns vielleicht dereinst doch erlauben, unsere zu eng gewordene Heimatwelt zu verlassen und die Milchstraße zu entdecken und vielleicht sogar zu besiedeln. Und es ist, last not least, das von uns noch nicht eingelöste Versprechen des Geistes der Utopie (im Blochschen Sinn), der es uns vielleicht erlaubt, im Prozess der weiteren Entwicklung zu lernen, unsere Macken in den Griff zu kriegen und nach vorne und nach oben zu schauen, wie immer, hin zu einem besseren Morgen.