@leserin Exodus und Landnahme Israels
Zu den grundlegenden Ereignissen der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel gehört die Tatsache, dass Israel aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit und in das Land Kanaan, in dem Milch und Honig fließen (Ex 3,8), hineingeführt wurde. Dies wird in verschiedenen Bekenntnissen zusammenfassend ausgesprochen (vgl. Dtn 26,5-9) und in den Büchern Exodus bis Josua breit entfaltet.
Biblische Darstellung
Nach dem biblischen Bericht entsteht dabei das Bild, dass sich in Ägypten aus der kleinen Gruppe der Nachkommen Jakobs das Volk Israel gebildet habe (Ex 1). Beim Bau der Städte Ramses und Pitom wurden den Israeliten solche Fronmaßnahmen aufgebürdet, dass sie aus Ägypten flohen. Dabei war das entscheidende Ereignis die wunderbare Rettung vor den Truppen des Pharao am Schilfmeer (Ex 11-15). Nach der Offenbarung am Sinai (Ex 19 – Num 10) kam es in der Wüste zu Kämpfen mit Arad, den Amoritern (Num 21) und Midianitern (Num 31), bis dann unter der Führung Josuas das Land Kanaan kriegerisch erobert wurde (vgl. Jos 12). Darauf beginnt die Zeit des Sesshaftwerdens Israels, von der das Richterbuch berichtet.
Historische Rekonstruktion
Doch dieses Bild stellt sich bereits bei genauer Lektüre der Texte als historisch nicht zutreffend heraus. So findet sich in Ri 1 eine Liste, die aufzählt, welche Städte und Regionen Kanaans von den Stämmen Israels nicht erobert werden konnten. Ri 5 berichtet ebenfalls von nur kleinen Gebieten, in denen die Israeliten siedelten. Das Josuabuch schildert in den Kapiteln 3-9 nur die Situation für den kleinen Bereich des Stammes Benjamin, über die Küstenebene und den Norden wird nichts berichtet. Die Eroberung Jerichos durch Feldgeschrei und Posaunenklang (Jos 6) ist erkennbar kein historischer Bericht, sondern will Gottes Macht erzählerisch verherrlichen.
Archäologie
Zu diesen Beobachtungen kommen Ergebnisse der modernen Archäologie. So ist festgestellt worden, dass die Städte Jericho und Ai zur Zeit der Landnahme (13./12. Jh.) gar nicht besiedelt waren. Ausgrabungen anderer Städte, die angeblich zerstört worden sein sollen, zeigen für diese Zeit keine Merkmale einer Eroberung. Auch die Vorstellung, dass ein ganzes Volk aus Ägypten durch die Wüste nach Kanaan ziehen konnte, ist historisch nicht belegbar. "Israel" als Volk ist erst im Lande Israel entstanden, vorher gab es nur den lockeren Zusammenhalt einzelner Stämme. Dies ist auch die Situation, die das Richterbuch voraussetzt.
So steht also fest, dass es eine "Landnahme Israels" in der biblisch berichteten Weise nicht gegeben haben kann.
http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-at/exodus-und-landnahme-israels/