Bishamon schrieb:Wie sieht so eine Frage aus?
Gehst du öfters zu einer Gemeinde/Moschee oder passiert das bereits beim ersten Mal?
Ich habe mich, bevor ich quasi so ins Feld gestiegen bin, auch mal öffentliche Gemeinde und Moscheen zu besuchen, hauptsachlich mit dem Salafismus beschäftigt. Die "praktische" Auseindersetzung habe ich u.a. neben öffentlichen Da'wa-Ständen durch die Teilnahme an salafitischen Internetportalen gefunden.
Zunächst habe ich als Kafir eher ontologische, epistem. oder sprachphilosophische Fragen gestellt, wie z.B.:
Hat Allah den Quran erschaffen? Hat Allah die Entscheidungen des Menschen erschaffen? Liegt die Hand Allahs in einer geschlossenen Sprachdimension, wie lässt sich diese aufteilen? Wie lässt sich "Aql" definieren - Sind nicht-arabiche Wortkonstruktionen satanisch geprägt? usw. mit ihnen darüber rumdiskutiert, wo sie noch für sich "Sabr" (Geduld) aufgebracht haben wollen konnten.
In solche theologischen Debatten konnten sich meiner Erfahrung nach nur wenige Salafiten vertiefen; viel mehr wird die "Dialektik" oder der "Syllogismus" mit der Philosophie als Tor zum Satans zwar fundamentalistisch-konsequent aber theologisch-unrefektiert verunglimpft. Auch Fragen auf Basis ihrer Lehren, die konsequenterweise die Lossagung vom "eigenständigen Denken" explizit ausformuliert, sehen sie nicht als Bestärkung des Imans an, sondern als Fitnah und Hetze; dazu gehören eben dies reliphilo. Fragenstellungen, die meine geposteten Darstellungen dieser islamischen Lehren beinhalten - bezügl. Al-Wal wal Bara, Schohadan-Mechanismen, Hukm Al-Murtadd, Al-Hoor Al Ain u.a..
So wird aber auch auffällig, dass solche Themen für große Fitnah sorgt und dieser Salafi-Schauplatz eine heterogene Menschengruppe definieren lässt, die diversen Lehren und Gelehrten befolgen, worunter auch schnell die Ashari-Maturidi und andere kulturspezifische Prägungen hervoragen und für viel Uneineinigkeit innerhalb dieser Umma sorgt. Diese politiol. Konstruktionen erweisen sich bei der DIfferenzierung als hilfreich. Auch kann man meinen Beobachtungen zufolge diese "theoretischen" Entwicklungsphasen (Radikalisierungs-Entradikalisierungsphasen) seit der ISIS, Al Qaida und Pierre Vogel Auseinandersetzungen beobachten.
Weitere grundsätzliche Hermeunetik-Fragen, wie in Richtung, warum Bukhari und Ahlul Sunnah Wa Ajamaha-Tradition lassen die Shia-Fitnah Warnsignale aufleuchten. Diese habe ich generell nicht gestellt. Als vermeintlicher Muslim bekommt man aber Zugang zu sehr spektakulären Informationen und Debatten, die natürlich nicht öffentlich dem Kafir auf dem Servierteller präsentiert werden. Interessant finde ich daher auch Fragestellungen zu Da'wa-Verhaltensweisen, die das Thema sunnitische Verstellung oder Aufschiebung näher beleuchten wollten, die man auch als diplomatische Anwendungen in Darul Kufr (Gebiet des Unglaubens) auslegen wollen könnte. Solche Themen sind natürlich Tabu für den Kafir.
Dem Großteil der Salafiten, den ich begegnet bin, sind diese Konzepte natürlich völlig fremd, geschweige denn Taqlidmuslimen oder Kulturmuslimen.
In konservativen Moscheen oder Gemeinden treffen sich meiner Erfahrung nach viele Muslime eher aufgrund der Sozialkontakte. Diese Veranstaltung wird m.E. nur von wenigen genutzt, um sich theologisch zu bilden oder darüber zu informieren, was haram und halal sein soll, sondern um sich in etwa hinsichtlich der Motivation die Nähe zu Allah suchend (Niya) "besser zu fühlen". Die können weniger etwas mit Methodologien und Denkströmungen anfangen; begeistern sich aber tendenziell mehr als die "Gelehrten" dort über ein solches Interesse am Phänomen Islam. Man wird bei vermeintlich Sachkundigen dort aber schnell als Reporter oder Lawrence von Arabien getadelt und kann sich auf ellenlange Predigten einstellen, warum die Medien usw dies und das berichten. Ansonsten beschränkt man sich selbst in konservativen Moscheen auf spirituelle Thematiken; es wird viel über böse Gespenster - für Taqwa - gepredigt. Die Auseinandersetzung mit politischen Ansprüchen wird auch nicht nur wegen Befürchtungen von Big Brother kritisiert und aus der Frage "Wie wird man guter Muslim?" geschaffen.
Für diesen "politisierte Islam" wird - wie gesagt - mE seit der sogn. Entradikaliseriungswelle durch die ISIS-Krise vermutlich eher nur in salafitischen Hinterhofmoscheen, oder eng vertrauten Salafi-Kreisen oder über das Internet propagiert. Ich würde sehr gerne mal einen Abul Baraa Vortrag live in einer Moschee besuchen und ihm Fragen stellen, aber ich vermute, dass ich die Tat bereuen würde.
In liberalen Moscheen herrscht m. Erfahrung nach ein ganz anderer Duktus. Dort wird nat. nur ein spiritueller Islam behandelt. Theokratische Ansprüche werden versucht, zu überwinden. Viel "Philosophie", mit viel Kritik gegen Ahlul Hadith-Ausprägungen oder Athari-Methodologien.