Ist die Existenz von Gott unwahrscheinlich und lächerlich?
28.11.2012 um 16:14
Ein Begriff, der hier noch überhaupt nicht angesprochen wurde, ist "Selbstorganisation". Selbstorganisation finden wir überall in der Natur, sie gehört genauso zu den Naturgesetzen wie etwa die Schwerkraft oder die Lichtgeschwindigkeit und tritt automatisch immer ein, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Beispielsweise kann man sich eine übersättigte Lösung bei einer bestimmten Temperatur vorstellen, und sobald die geringste Ungleichgewicht eintritt (etwa durch eine Verunreinigung in Form eines einzigen Staubkorns) beginnt aus dieser (chaotischen!) Lösung ein perfekter Kristall zu wachsen. Und das passiert ganz ohne daß da ein unsichtbarer Gott danebensteht und Atom für Atom zu einer perfekten, geordneten Kristallstruktur zusammensetzt. Solche Vorgänge geschehen in der Natur ständig, nicht nur mit Kristallen, sondern auch mit zahllosen anderen chemischen Verbindungen, daß sich Materie spontan von nieder- zu höherwertigen Strukturen zusammenschließt, einfach weil sie es kann, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Und analoge Vorgänge gibt es auch bei Energie (z. B. Entstehung von Sonnen - Sonnenfusion). In Kurzfassung heißt das, die gebetsmühlenartig widerholte Vorstellung von LucaTM, Veränderungen von Energie- und Materieformen "müßten" zwangsläufig durch einen "intelligenten" Impuls (Gott oder sonstwas) erzeugt werden, ist Unfug. Es gehört schlicht zu den Naturgesetzen in unserem Universum, daß solche Selbstorganisation immer und ganz spontan eintritt, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind. Weiteres Beispiel: wer sich schon immer mal gewundert hat, warum echte Pflanzen und Eisblumen an einer Fensterscheibe sich so verblüffend ähnlich sehen - auch hier ist wieder die Selbstorganisation im Spiel, genauer gesagt ihre Spielarten, die konkret mit den Verbindungen von Wasseratomen zu tun haben. Die Wachstumsstrukturen von Organismen, die ja ebenfalls zu einem großen Teil aus Wasser bestehen, folgen nämlich den gleichen Strukturen von Selbstorganisation, die zu unorganischen Eisblumen führt, in dieser Hinsicht hat die Natur das Rad also nicht doppelt erfunden. Als Beispiel kann man sogar die Entstehung der ersten lebendigen Organismen an sich anführen. Es ist umstritten, wo genau das erste Leben, noch in Form primitiver RNS-Vorläufer, entstand - ob im protoorganischen Schleim urzeitlicher Küsten (Meerschaum-Theorie), rings um "schwarze Raucher" in der Tiefsee, in den chemischen Reaktionen rings um Pyrit-Reaktionen oder, eine neuere Theorie, in den feinen Kapillaren von Eisschollen, vielleicht auch überall gleichzeitig - aber auf jeden Fall war die (chemische, in diesem Fall) Selbstorganisation von Atomen und Molekülen der wichtigte Faktor dabei.
Nach allem, was wir wissen, gelten die Naturgesetze einschließlich der Selbstorganisation überall im Universum gleichermaßen, selbst "exotische" Orte wie Schwarze Löcher sind allenfalls als extrem zu bezeichnen, jedoch nicht als den Naturgesetzen widersprechend (bei genauer Betrachtung - oder, salopp gesagt, hat man mal ein Schwarzes Loch gesehen, hat man alle gesehen, weil die Grundprinzipien immer die gleichen sind).
Unverzichtbarer Teil der Selbstorganisation ist die Selbstähnlichkeit, weil gleiche Grundbedingungen mit gleichen Folgen üblicherweise die gleichen Ergebnisse bringen (im großen und ganzen jedenfalls, Abweichungen durch geringe Abweichungen in den Ausgangsbedingungen sind jederzeit möglich - Chaostheorie). Und wie wir mit unseren beschränkten Möglichkeiten feststellen können, scheint auch die Selbstähnlichkeit überall in unserem Universum vorhanden zu sein - Selbstähnlichkeit zwischen Makro- und Mikrokosmos, Fraktale, Apfelmännchen, Entstehung "organischer" Substanzen sogar in kosmischen Wolken fern jenseits aller "lebensfreundlichen" Bereiche, geordnete Strukturen, wohin man blickt...
um der Frage zuvorzukommen, nein, das ist keineswegs ein Beweis für die Existenz eines Gottes. Es beweist nur, daß diese Verhältnisse, diese Naturgesetze in diesem unserem Universum so sind. Aber es besteht durchaus die Möglichkeit, daß es neben diesem unserem Universum mit eben diesen Verhältnissen noch unzählige weitere gibt (Multiversum-Theorie), in denen die Verhältnisse ganz anders sind, in denen es überhaupt keine Naturgesetze zu Selbstorganisation/Selbstähnlichkeit, Schwerkraft, Zeit etc. gibt oder aber sie in einer für uns unverständlichen anderen oder sogar viel stärker ausgeprägten Version als bei uns existieren. Phänomene wie der Urknall sind und bleiben unverständlich, wenn man nur von der Existenz eines einzigen Universums, nämlich unseren, ausgeht, aber sie werden verständlich und erklärbar, wenn unser Universum nur eines von vielen (?) in einem übergeordneten "Hyperraum" ist. Ein Universum wie unseres mit fest definierten Naturgesetzen wie Raum, Zeit, Schwerkraft und auch Selbstorganisation von Energie und Materie könnte ein einzigartiger Exot in einem riesigen Schwarm von andersartigen Universen sein, oder unzählige gleichartige Zwillinge haben, die alle zur gleichen Zeit in Urknällen entstanden sind, es könnte eine Art "Schwingungsfunktion" sein, das sich von einem Urknall über eine maximale Ausdehnung zur totalen Kontraktion und dem nächsten Urknall hangelt, oder es könnte eine Art Möbius-Band sein, das verschlungen ist in sich selbst - mit Sonnen, die gleichzeitig Atomkerne sind (wer erinnert sich an "Men in Black" Teil Eins, mit der Galaxie im Band des Orion? :) ) und mit anderen Möbius-Bändern...?
Wer sich da Denkverbote auferlegt, nach dem Motto, das alles war Gott, und basta, weiter denke ich nicht! - der verpaßt doch das beste...