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Was sagt Jesus zu einem Pflichtzölibat?
Kurz gesagt: Nichts! Jesus hat ein solches Gebot nie gegeben. Er hat im Gegenteil durchwegs verheiratete Männer berufen (eine Ausnahme ist vielleicht der Apostel Johannes). So war etwa Petrus, der erste Papst, verheiratet. Das Matthäusevangelium [1] erzählt ganz unbefangen, dass Jesus die Schwiegermutter des Petrus vom Fieber heilte.
Auch sonst gibt es in den Evangelien keinen einzigen Hinweis darauf, dass Jesus die Ehelosigkeit für seine Priester gewünscht oder gar gefordert hätte.
Haben die Apostel ihre Frauen verlassen?
Manche Befürworter des Zölibats behaupten allerdings unentwegt, dass die Apostel nach ihrer Berufung ihre Frauen verlassen hätten, um Jesus nachzufolgen. Die entsprechenden Bibelstellen, die da manchmal von Verfechtern des Pflichtzölibates angeführt werden, haben aber einen ganz anderen Sinn. So heißt es etwa bei Matthäus: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und seine Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern hasst, der kann mein Jünger nicht sein“. [2] Doch ist hier von Jüngern die Rede und nicht von Priestern. Jünger aber bedeutet einfach „Anhänger“. Damit sind alle Christen gemeint. Und Jesus verlangt doch von seinen Anhängern nicht, dass sie Vater und Mutter und ihre Frauen und Kinder usw. hassen oder verlassen müssten. Abgesehen davon widerspräche das dem Gebot der Liebe.
Daher muss diese Stelle der Bibel anders verstanden werden, nämlich so, wie es Jesus tatsächlich gemeint hat: Wenn Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter usw. ein Hindernis dafür wären, dass jemand ein Jünger (Anhänger) Jesu wird, dann ist es angezeigt, Eltern und Ehegatten weniger zu lieben als Christus, oder mit anderen Worten: Sie sollen trotzt des Widerstandes der Angehörigen Jesus als Jünger nachfolgen. Pinchas Lapide, einer der profundesten Kenner der hebräischen Sprache, weist ausdrücklich auf diese Sprechweise der Juden hin. Denn die hebräische Sprache ist, wie er sagt, eine erdnahe Sprache, eine Sprache, die gerne in Kontrastpaaren denkt, die nicht wörtlich zu nehmen sind. Ohne Kenntnis der hebräischen Sprache sind solche Worte der Bibel leicht missverständlich. [3]
Auch die andere Matthäusstelle [4], wo Jesus auf die Frage der Apostel, welchen Lohn sie dafür empfangen werden, weil sie um seinetwillen alles verlassen hätten, antwortete, dass sie alles hundertfach zurückbekommen würden, bezieht sich erstens nicht auf die Priester, sondern auf eine aktuelle Situation der Apostel, die zu dieser Zeit ihr Zuhause verlassen hatten, um Jesus auf seinen Wanderungen zu begleiteten. Zweitens wissen wir, dass die Apostel später dann ihre Ehefrauen auf ihren Missionsreisen mit sich genommen haben.
Was sagt Paulus dazu?
Es ist reine Spekulation, dass die Apostel ihre Frauen auf immer verlassen hätten. Vor allem in Paulus haben wir einen völlig unverdächtigen Zeugen dafür, dass die Apostel ihre Frauen nicht nur nicht verlassen, sondern, dass sie diese sogar auf ihre Missionsreisen mitgenommen haben. So heißt es etwa bei Paulus: „Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen (gemeint: auf ihren Missionsreisen), wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas (Petrus)?“ [5] Paulus pocht hier auf sein und seiner Mitarbeiter Recht, eine „Frau“ mitzunehmen, wie es auch die anderen Apostel, die Brüder des Herrn und wie es auch Petrus taten.
Was sagen die ältesten Kirchenväter zu dieser Schriftstelle?
Dass mit dem Wort „Frau“ die Ehefrau gemeint ist, bezeugen schon die ältesten Kirchenväter.
So schreibt z. B. Tertullian (+ um 220 n. Chr.): „Es war auch den Aposteln erlaubt zu heiraten und Ehefrauen mit sich zu führen“ [6] . Obwohl Tertullian in dieser Schrift für die sogenannte „Jungfräulichkeit“ eintritt, bezeugt er der Wahrheit gemäß, dass die Apostel verheiratet waren und ihre Frauen auf ihren Reisen mitgenommen haben.
Auch der berühmte Kirchenlehrer Hieronymus (347 – 420 n. Chr.), der zwar aus ideologischen Gründen ein fanatischer Gegner der Priesterehe war, bezeugt, dass die Apostel ihre Ehefrauen auf ihren Missionsreisen mitgenommen haben. So hat er in seiner ersten Vulgataübersetzung [7] das griechische Wort „gynaika“ (= Frau) in 1 Kor 9, 5 mit dem lateinischen „uxor“ übersetzt, was eindeutig „Ehefrau“ heißt. Damit bezeugt auch er aus seiner Kenntnis der Urkirche, dass die Apostel ihre Ehefrauen „mit sich genommen haben“.
Erst als Papst Siricius (384 – 399) gegen die Priesterehe zu Felde zog [8], übersetzte er in der zweiten Vulgataübersetzung das Wort „gynaika“ mit dem unverfänglicheren Wort „virgo“ (= Frau). Papst Siricius schrieb damals nämlich: „Diejenigen aber, die im Fleische sind (Anm.: gemeint sind die Eheleute), können Gott nicht gefallen“. Die Schlussfolgerung in der Denkweise von Papst Siricius war nämlich die: Die Apostel könne man doch nicht als solche bezeichnen, die Gott nicht gefallen. Daher müssten sie wohl ihre Frauen verlassen haben. Aber er konnte dieses Gesetz nicht durchsetzen.
Außerdem: Wo in der Heiligen Schrift heißt es, dass Eheleute Gott nicht gefallen können? Wo steht, dass die Sexualität böse sei? Diese Leib- und Sexualfeindlichkeit ist eine der verhängnisvollsten Ideologien, die sich in der Kirche breit gemacht haben.
Diese Beispiele mögen genügen. Aber sie zeigen klar, dass die Apostel keineswegs ihre Frauen und Kinder verlassen haben und es liegt auch kein Auftrag Jesu vor, dass Priester unverheiratet sein müssten.
Im 1. Timotheusbrief verlangt Paulus (bzw. ein Paulusschüler) sogar, dass ein Bischof, damals der Vorsteher einer Gemeinde, verheiratet sein musste, damit er ein guter Bischof sein könne. Es heißt dort: „Der Bischof soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen. Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?“ [9]
Und im 4. Kapitel dieses Briefes wird er noch direkter. Er schreibt: „Der Geist sagt ausdrücklich: In späteren Zeiten werden manche vom Glauben abfallen; sie werden sich betrügerischen Geistern und Lehren von Dämonen zuwenden, getäuscht von heuchlerischen Lügnern, deren Gewissen gebrandmarkt ist: Sie verbieten die Heirat und fordern den Verzicht auf bestimmte Speisen, die Gott doch dazu geschaffen hat, dass die, die zum Glauben und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt sind, sie mit Danksagung zu sich nehmen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird; es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet“. [10]
Wo Paulus von den für den Aufbau der Kirche wichtigen Charismen (Gnadengaben) spricht, fehlt die Ehelosigkeit. Wo er aber von der Ehelosigkeit spricht, geschieht dies in einer Reflexion über Ehefragen [11], ohne Bezug zur Kirche. Sowohl die Ehe als auch die Ehelosigkeit werden als Charismen bezeichnet, die nicht in unserem Ermessen liegen, sondern von Gott gegeben sein müssen: „Jeder soll so leben, wie der Herr es ihm zugemessen hat, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat. [12]
Wo aber Paulus von der Ehelosigkeit spricht und sie empfiehlt, verweist er auf sein eigenes Beispiel und nicht auf Jesus und betont, dass er darüber „kein Gebot des Herrn“ habe.[13] Dabei wäre ein Hinweis auf Jesu Beispiel doch das stärkste Argument gewesen. Paulus begründet seine persönliche Option und seinen Rat zur Ehelosigkeit nur mit der „Kürze der Zeit“, die noch bis zur Wiederkunft Christi zur Verfügung stünde. Er meinte, die Wiederkunft Christi und damit das Ende der Welt stünde unmittelbar bevor, und er wollte die Christen dadurch vor den bevorstehenden Nöten bewahren.
Für keinen Amtsträger wurde die Ehelosigkeit im Neuen Testament als Voraussetzung für ein Dienstamt verlangt.
Nicht die anderen christlichen Kirchen sind in der Frage des Zwangszölibates von der apostolischen Tradition abgewichen, sondern die römische Kirche hat ab dem 4. Jahrhundert die apostolische Tradition verlassen.
http://priester-ohne-amt.org/?page_id=42