Warum glaubt man an Gott?
04.06.2012 um 16:03
Definieren wir doch erst einmal das Wort "Glauben". In einem sehr alten Wörterbuch fand ich mal eine Definition, die mir sehr gut gefallen hat und meiner Meinung nach den Kern der Sache auch sehr deutlich trifft:
"Innere Gewißheit, die keines äußeren Beweises bedarf".
Heute wird das Wort "glauben" in dem Sinne benutzt, daß man nichts Genaues weiß, nur etwas für möglich hält. Glauben heißt nichts wissen.
Ich möchte das Wort gern im alten Sinne gebrauchen. Diese "innere Gewißheit" ist für mich unabhängig von Religionsideologien - denn nichts anderes sind die Religionen, die schon immer dafür benutzt wurden, die Menschen zu manipulieren und bei Bedarf gegeneinander aufzuhetzen (!). Die Fortsetzung bilden heute politische Ideologien, die ich genauso für überflüssig halte wie ein Kropf.
Ebenso ist diese "innere Gewißheit" für mich unabhängig von irgendwelchen Institutionen, die sich "Kirche" nennt und hat erst recht nichts mit von Menschen geschriebenen Büchern zu tun, und hier komme mir bitte niemand mit "von Gott geschrieben" oder "von Gott inspiriert" - das ist Schwachsinn!
Keine Frage, daß diese "heiligen" Bücher - egal ob nun die Torah (Pentateuch), der Tanach (beinhaltet Torah, Nebbin und Chetubim), Talmud (jüdische Gesetzesauslegung), die Bibel mit ihrem Alten Testament, deren Schriften fast identisch mit dem jüdischen Tanach sind und dem Neuen Testament, oder dem jüngeren, aber ebenfalls von der mosaisichen Religion abgekupferten Koran - von außergewöhnlich intelligenten Köpfen verfaßt wurden, die Codes (z.B. Atbash) und kabbalistische / mathematische Zahlenspielereien in diesen Texten versteckten.
Aber für mich können solche Schriften - die einen einzigen Schöpfergott postulieren, der, gleich einem Patriarchen, im Himmel thront, Glück und Leid willkürlich verteilt, zu Mord und Totschlag auffordert, Frauen geringachtet, und ihnen den Mund verbietet usw. - keine Glaubensgrundlage bilden.
Dennoch habe ich erfahren - da ist diese innere Gewißheit, die keines äußeren oder intellektuellen Beweises mehr bedarf - daß es mehr Ding zwischen Himmel und Erde gibt, als sich unsere Schulweisheit träumen läßt. Würde ich nicht an dieser, für mich total real erfahrbaren Liebe / Energie / Kraft in meinem tiefsten Inneren festhalten, hätte ich mir angesichts einer Welt, die total aus den Fugen zu geraten scheint, einer Menschheit, die immer tiefer in die Unmenschlichkeit abzusinken scheint, dem erfahrenen Leid schon längst die Kugel gegeben.
Ich denke mal, daß es vielen Menschen so geht und deshalb ein Glaube an eine höhere Macht etwas sehr Positives ist. Ein bewußter (!) Glaube verleiht den Menschen Stärke und Durchhaltevermögen und gibt ihnen auch den inneren Antrieb, sich trotz aller Ellenbogen-Gesellschaft, menschlich zu verhalten, Mitleid zu haben, gerecht, fair zu handeln und sich perversen Gewaltbefehlen zu widersetzen; die Wahrheit zu suchen, zu sagen und zu leben - ohne dabei bigott und intolerant zu werden.
Das einzig Negative ist "blinder Glaube" und die, die ihren gesunden Menschenverstand dabei auf der Strecke lassen, unkritisch an den Lippen irgendwelcher Religionsführer hängen und so zu fanatischen, gewaltbereiten Glaubenseiferern werden und im Namen ihrer Religion (Ideologie) andere Menschen töten oder Andersgläubige gar nicht erst als Menschen akzeptieren.
Das Problem liegt wie überall in der Ausschließlichkeit.
Wie heißt es doch so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Was ist denn "Hoffnung", wenn nicht der Glaube daran, daß die Geschichte doch noch gut ausgeht...