neonnhn schrieb:Aber das Problem an der ganzen Fragestellung ist ja eigentlich, dass der Ahteismus sich ja derzeit zum erstenmal überhaupt in nennenswertem Umfang auszubreiten scheint.
Da kann man nun bewerten wie man will (, was ich jetzt hier aber nicht mache und es ungewertet beschreibe) aber es ist nun einfach so, dass wissenschaftliches Denken erst seit ein paar Hundert Jahren nicht mehr als Straftat oder als Blasphemie verstanden wird.
Und wie @WüC schon sagt, so lernt man in der Auseinandersetzung mit immer komplexeren wissenschaftlichen Themen auch zunehmend das Hinterfragen, Anzweifeln und führen von allgemeinen Beweisen. Und diese Denkweisen machen eben erst einmal vor nichts Halt, auch nicht vor religiösen Konzepten.
Wir leben eben nicht mehr in einer Zeit (so hofft man zumindest) von Ständegesellschaften, wo die nächst höhere Instanz der darunterliegenden diktiert, was sie zu denken hat. Auch ein guter Lehrmeister kann Fehler machen, aber ein guter Lehrer steht vor Schülern, die diese Fehler auch selbstständig bemerken. Aber das funktioniert eben erst dann, wenn man einerseits selbst Wissen angehäuft hat und wenn man auch straffrei auf einen Fehler hinweisen darf, ohne dass der, der den Fehler gemacht hat, einen dafür direkt köpft.
Grundlegend wirkt es aber voreingenommen, wenn man meint, dass das Anzweifeln eines Gottes auch zwangsläufig dafür sorgt oder sorgen soll, dass man sich von ihm abwendet.
Es geht beim Konzept des Zweifeln nicht darum sich von etwas abzuwenden oder etwas zuzuwenden, sondern dem Zweifler zu ermöglich, sich sein ganz persönliches Bild davon zu machen.
Ich aus der Uni genügend Personen, die Naturwissenschaften studieren und trotzdem an einen Gott glauben. Die kennen zwar auch die allgemeinen Kritikpunkte, die man gegenüber Religionen formulieren kann, aber dennoch finden sie ihre Wege Wissenschaften und Gott gleichzeitig in ihrem Weltbild zu erhalten. Manchmal wirkt es sogar so, dass erst eine tiefgreifende Beschäftigung mit beiden Themen ermöglicht, dass man auch auf Grund eben des dann angehäuften Wissens, Beides unter einen Hut bekommt und sich eben nicht mehr nur für eins davon entscheiden muss.
neonnhn schrieb:Die gesamte Historie der menschlichen Kultur ist ja durchdrungen von Religion.
Jup, und eben weil wir ein kulturelles Erbe haben, so werden sich Religionen auch noch eine ganze Weile mit durch die Menschheitsgeschichte ziehen.
Es hat schon seine Grunde, warum etwa 4 von 5 Menschen auf der Welt an eine höhere Macht glauben und ich vermute hier wird der Atheismus auch fehlverstanden.
Atheismus scheint mir allgemein nur eine Möglichkeit zu sein, sich nicht mehr nur am heiligen Vater, Allah oder Krishna orientieren zu müssen. Es geht dabei (nach meinen Verständnis) nicht primär darum, dass das Thema Religion gänzlich eingestampft werden soll, sondern man will ermöglichen, dass generell einmal außerhalb der bisher üblichen Standartkonzepte und standartisierten Gottesbildern gedacht wird.
Ich kenne das ja zu genüge von mir. Ich wurde ohne festes Religionskonzept erzogen, lerne im Mathematikstudium die allgemeinsten Grundlagen der Beweisführung und der Logik und dennoch finde ich das Thema Religionen sehr interessant, weil auch ich Fragen an mich und die Welt habe, die mir auch die Wissenschaft nicht so einfach beantworten kann. Den Sinn des Lebens finde ich auch nicht, nur weil ich gelernt habe, was es so für Beweismethoden gibt oder wie die mathematischen Konzepte jeseits der 4. Dimension aussehen.
Ich will wie jeder andere auch erfahren, was Glückseeligkeit und Liebe ist. Ich will genauso einen Sinn in meinem Dasein erkennen können und etwas finden, was mich jeden Tag anspornt trotzdem aufzustehen und in diese verrückte Welt hinauszugehen.
Hinsichtlich solcher Belange ist Philosophie und Religion ein relevanter Faktor. Ich persönlich kann aber mit den Geschichten aus diversen heiligen Schriften nichts anfangen, irgendwie gibt mir das nichts.
Und ich finde es eben schön, dass ich jetzt Freiheiten besitze, auch außerhalb von Christentum, Judentum, Islam oder Buddhismus, meinen Glauben und für mich verständliche Antworten auf die erwähnten Fragen suchen und teilweise finden zu können.
Unser Zeitgeist ist von sehr sehr weit von der gänzlichen Abschaffung von Religionen entfernt und ich habe auch Zweifel, ob dieser Tag jemals kommen wird. Unser Zeitgeist zeichnet sich einfach dadurch aus, die Grenzen der populärsten Religionsmodelle durchbrechen zu können und sich eben auch andernorts nach Antworten umzusehen, sollte man in seinem bisher gefahrenen Modell keine mehr finden.
Kurzum: Das verstehe ich als Religionsfreiheit. Und ich zumindest sehe in der Idee des Atheismus, sich von den bisher festen Gottesbildern etwas zu lösen, mehr Freiheiten als Einschränkungen für Religionen im Allgemeinen.
Hier im Forum kommt das nur leider nicht häufig vor, dass dieses Potential überhaupt erkannt oder gar genutzt wird, weil die Unterschiede zwischen Atheisten und wehementen Religionsgegnern manchmal kaum noch zu erkennen sind. Leider.