@FrauSchneiderFrauSchneider schrieb:Aber ist es nicht ein Widerspruch, wenn Du einerseits sagst, es gibt keine Abwesenheit von Aufmerksamkeit und anderseits die Bewusstlosigkeit als Beispiel nennst, in der die Abwesenheit von Aufmerksamkeit da zu sein scheint?
Sehr gut beobachtet! Es scheint tatsächlich ein Widerspruch zu sein, aber eben nur scheinbar. Ich will versuchen, es allgemein verständlich zu erklären:
Mit Bewusstlosigkeit ist tatsächlich gemeint das vorübergehende Beenden der bisher üblichen Kommunikationsfähigkeit.
Wenn ich umfalle, wirst du sagen, dass ich bewusstlos bin. In Wirklichkeit kann ich jedoch alles mitbekommen. Ich bin lediglich aus bestimmten Gründen nicht fähig, in gewohnter Weise zu kommunizieren. Eine Bewusstlosigkeit kann man deswegen selbst nicht bemerken, weil sie eben nicht erfahrbar ist. Es ist das kurzfristige Beenden jeglicher Erfahrbarkeit, sprich, das Beenden jeglichen aktiven kommunikativen Verhaltens, mit der Betonung auf „aktiv“, denn strenggenommen ist auch diese nicht-kommunikative Phase ein kommunikativer Ausdruck, bei der allerdings das sogenannte ICH BIN fehlt. Warum es fehlen kann, dazu komme ich gleich.
Ärzte schlußfolgern eine Bewusstlosigkeit aus dem vorübergehenden Verlust des Kommunikationsvermögens. Das kann jedoch eine fatale Fehldiagnose sein, wie solche Patienten zu berichten wissen, die man als im Koma befindlich vermutete, und die hinterher, als sie daraus wieder „erwachten“ und man sie fragte: „Haben Sie etwas mitbekommen?“ antworteten, „Ja, alles, ich war lediglich nicht fähig, mich bemerkbar zu machen.“ Glücklicherweise kommen auch hierbei die medizinischen Forschungen in dieser Richtung allmählich voran und man entwickelt ganz neue Therapien für Koma-Patentien, weil man eben niemals sagen kann, ob ein anderer Mensch tatsächlich nichts mitbekommt, oder ob er nur, aus bestimmten Gründen, seine kommunikativen Fähigkeiten nicht einsetzt.
Das Beenden der aktiven Kommunikationsfähigkeit (Betonung auf „aktiv“) kann auf viele unterschiedliche Weisen stattfinden. Eine ist die erwähnte Bewusstlosigkeit. Eine weitere ist der sogenannte traumlose Tiefschlaf. Und wiederum eine andere Möglichkeit, diesen Zustand zu erreichen, ist durch bestimmte Meditationsübungen.
Menschen, die dazu in der Lage sind, sprechen dann hinterher von der sogenannten Leere, da ist dann nichts mehr, was bemerkbar war/ist. Ein Zustand vollkommener Stille, eben deswegen, weil keine kommunikativen Absichten mehr stattfinden, die in entsprechenden Handlungen zum Ausdruck kommen könnten. Doch auch dieser Zustand ist noch längst nicht das berühmte aufgelöste ICH BIN.
Denn warum es überhaupt zu solchen Phasen kommt, versteht man, wenn man weiß, was eine sogenannte „duale Konstruktion“ ist. Das klingt zunächst ungewöhnlich, aber es ist tatsächlich so, dass alles, von dem wir sagen, es existiert, eine duale Konstruktion ist. Das gilt demzufolge auch für das sogenannte ICH BIN.
Eine duale Konstruktion kann man sich am leichtesten mit der Analogie einer Münze vorstellen. Sie hat zwei Seiten, die untrennbar miteinander verbunden sind, und doch kann eine Seite die andere niemals bemerken. Dabei ist die eine beiden dualen Seiten die des „Vorhandenseins“ und die andere Seite repräsentiert das „Nicht-Vorhandensein“. Ich weiß, der Vergleich mit einer Münze ist nicht der beste, aber es soll auch nur aufzeigen, warum beide Seiten sich niemals gegenseitig bemerken können.
Nun ist es so, dass das ICH BIN die Phase des Vorhandenseins repräsentiert, oder auch Anwesenheit genannt, bei der eben jeder von uns das Gefühl hat, anwesend zu sein.
Diese Anwesenheits-Phase wiederum kennt jeder von uns in zwei verschiedenen Qualitäten, nämlich als sogenannte Wachphase und Traumphase. In beiden Phasen ist das ICH BIN anwesend, denn sonst könnte man ja nichts erfahren.
Das ICH BIN gibt es übrigens nur und ausschließlich für das Erleben einer Erfahrbarkeit. Wenn keine Erfahrbarkeit (keine aktive Kommunikation) stattfinden soll, dann richtet sich die Aufmerksamkeit auf die zweite Seite der dualen Konstruktion, und dies erklärt, warum man nichts erfahren kann, wenn man sich im traumlosen Tiefschlaf oder in einer tatsächlichen Bewusstlosigkeit oder einem ähnlichen Meditationszustand befindet, und gleichzeitig aber nicht tot ist.
Bei Bewusstlosigkeit wie auch den genannten ähnlichen Phasen ist es nun so, dass sie den dualen Zustand des Nicht-Vorhandenseins repräsentieren, das heißt, auch ein traumloser Tiefschlaf ist der Zustand des ICH BIN NICHT.
Jedoch ist es ohne jeglichen Zweifel so, dass in all diesen Zuständen immer Aufmerksamkeit vorhanden sein MUSS. Warum?
Jeder wechselhafte Zustand kann nur von einem neutralen unveränderlichen Hintergrund heraus erfolgen. Und dieser Hintergrund ist nichts anderes als Aufmerksamkeit. Sie sorgt für diese Wechsel (aus ganz verschiedenen Gründen heraus) von Wachsein zu Schlaf und auch für sämtliche Zwischenphasen. Ohne eine ständig vorhandene Aufmerksamkeit würde es nicht zu diesen Wechseln und den verschiedenen Phasen kommen können.
Ich kann das alles hier immer nur sehr allgemein gehalten erklären, denn in Wirklichkeit sind diese Abläufe sehr viel komplexer, aber ich hoffe, dass dir diese ersten Anmerkungen hilfreich sind und du erkennen kannst, warum es kein Widerspruch ist, wie du eingangs vermutet hast.