Ich möchte mal meine Gedanken zu den von
@Arikado dargestellten zwei Säulen des Atheismus hier darlegen und zur Diskussion stellen:
Einmal hierzu: „Der hier entwickelte undogmatische Atheismus beansprucht, den Gottesglauben von innen heraus aufzulösen, ihn an seinen inneren Widersprüchen und Ungereimtheiten scheitern zu lassen. Damit wird die religionskritische Schlüsselaufgabe bewältigt, weil im Gottesbegriff alle weiteren Glaubensinhalte letztlich verankert sind.“
Eine Weltanschauung wie der Atheismus, sollte wenn er überhaupt in einer Art „Manifest“ formuliert wird, am besten gar keinen Bezug zum Theismus haben, sondern völlig unabhängig von diesem begründbar sein.
In dem Augenblick, wo er sich einer Aufgabe verschreibt, die darin liegt, den Gottesglauben von innen heraus aufzulösen, macht er sich ja von der Existenz dieses Gottesglaubens selbst abhängig. Heißt: Er existiert auch nur so lange, wie der Gottesglaube existiert und seine Daseinsberechtigung ist erloschen, wenn der Gottesglaube aufgelöst wäre. Damit fällt schon eine Säule des Atheismus zusammen. Sich aber von etwas anderem, was man bekämpfen will, abhängig zu machen ist eigentlich dumm. Denn dann braucht der Atheismus immer auch den Gegenpol, den er aber doch bekämpfen will. Diese Präambel wenn man so will, hat also keine Begründung in sich selbst, sondern macht sich ihrerseits wieder von der Existenz des Gottesglaubens abhängig. Hingegen macht sich der Gottesglaube nicht von der Existenz des Atheismus abhängig und begründet sich unabhängig davon.
Die beiden Säulen des Atheismus:
„1. Es gibt keinen Gott, der die Welt erschaffen hat. Die Welt ist keine Schöpfung, sondern unerschaffen unerschaffbar, unzerstörbar, kurz: ewig und unendlich. Sie entwickelt sich unaufhörlich gemäß den ihr innewohnenen Gesetzmäßigkeiten, in denen sich Notwendiges und Zufälliges verschränken.“
„2. Es gibt keinen göttlichen Erlöser. Die Welt ist unerlöst und unerlösbar, voller Webfehler und struktureller Unstimmigkeiten, die aus der Bewußtlosigkeit ihrer Gesetzmäßigkeiten herrühren.“
Bei Säule 1 bleibt die Frage: „Woher“ offen und unbeantwortet. Statt eines Gottes wird einfach behauptet: Die Welt selbst sei sozusagen schon immer da gewesen... Es ist das gleiche in Grün nur mit einem anderen Vorzeichen. Die Welt selbst wird damit sozusagen zum Gott, der unerschaffen, unerschaffbar und unzerstörbar und somit Ewig und Unendlich sei.
Damit begründet sich der Atheismus mit der gleichen Formel wie der Theismus. Diese Formel wird nicht neu begründet, sondern kopiert und anstelle eines Gottes wird die Welt selbst gesetzt. Das kann man natürlich machen. Aber diese geniale Formel wurde im Grunde nur aus dem Theismus entnommen wobei quasi nur das Vorzeichen geändert worden ist. Aber der Grundgedanke ist im Prinzip der Gleiche ! So sind sich Theismus und Atheismus also gar nicht mal so unähnlich !
Bei Säule 2 wird auf die Erlösung angesprochen. Auch diese ist dem Theismus entnommen, sie wird nur widerlegt. Es wird behauptet: Die Welt ist unerlöst und unerlösbar, sie ist wie sie ist und bedarf keiner Erlösung. Auch hier wird eine Formel aus dem Theismus entliehen und lediglich wieder mit einem anderen Vorzeichen versehen. Auch das kann man machen. Aber auch hier zeigt sich, wie nahe sich diese beiden Strömungen eigentlich sind.
Dass die Welt unerlöst ist, das ist auch im Theismus so. Daher bedient sich der Theismus allerdings gewisser Lösungsmöglichkeiten, eben durch Erlösung. Das geschieht in verschiedener Art, einmal durch Selbsterlösung (Karma- und Wiedergeburtslehre) oder durch Gesetzesbefolgung und anschließender Belohung oder Bestrafung (Himmel oder Hölle) oder wie im Christentum durch Sühne, wie durch den Erlösertod Jesu Christi, stellvertretend für alle.
Der Theismus sagt also zunächst das Gleiche: Die Welt ist unerlöst. Er sagt aber auch: Sie muss es nicht bleiben ! Der Atheismus hingegen bemüht sich erst gar nicht um hier nach einer Lösung zu suchen und sagt: Sie ist und bleibt auch unerlösbar. Es ist halt so und das lässt sich auch nicht ändern. Er nimmt also eine Welt, so wie sie ist, einfach hin.
„Für eine atheistische Weltweisheit und Lebenskunst ergibt sich aus diesen Einsichten die Schlußfolgerung: Der Mensch ist nicht das Ebenbild einer überweltlichen und übernatürlichen Gottheit, sondern ein vorbildloses Geschöpf der Natur, all ihren Gesetzen unterworfen.“
Erster Satz der Schlussfolgerung, dass der Mensch nicht ein Ebenbild einer überweltlichen und übernatürlichen Gottheit sei, bleibt vom Folgesatz völlig unberührt ! Er kann das eine wie das andere sein, völlig unabhängig ob sich „dahinter“ trotzdem eine Gottheit verbirgt, durch welche der Mensch wurde oder nicht !
Dass der Mensch ein Geschöpf der Natur ist und allen ihren Gesetzen unterworfen ist, das ist eine Wahrheit, die nichts mit Atheismus oder Theismus zutun hat. In beiden Fällen würde ich das als Gegebenheit betrachten können. Ob nun mit oder ohne Vorbild, spielt dabei keine Rolle. Wenn man einen Gott als Vorbild (Ebenbild) ablehnt, dauert es nicht lange und der Mensch sucht nach anderen Vorbildern, die an dessen Stelle treten unter seines Gleichen, oder unter der Naturgewalt selbst. Die Natur als Vorbild zu nehmen um von ihr zu lernen ist durchaus klug zu nennen, aber die Existenz der Natur kann wieder ebenso aus sich selbst begründet werden als auch als Schöpfung einer weisen Gottheit, die sich dahinter verbirgt.
Aber weiter im Text...
„In einer Welt, die nicht für ihn gemacht wurde, muß er sich seinen Weg selbst Bahnen und lernen, allem verderblichen Allmachts- und Unsterblichkeitswahn zu entsagen.“
Das „für ihn gemacht“ kann man zwar auf eine Gottheit beziehen, die eine Schöpfung kreirte, die für den Menschen gemacht worden sei, aber genauso kann man sagen: Doch, die Welt ist durchaus aus sich selbst heraus, für die darin enthaltenen Wesen gemacht. Denn sie ist nicht gegen sich selbst gerichtet und nicht gegen ihre eigenen Wesenheiten gemacht. Man könnte auch sagen: Es ist ein Zusammenspiel von allem mit allem. Sonst könnte man sich gar selbst als Fremdkörper in dieser Welt betrachten, wo man eigentlich nicht hin gehöre. Dann taucht aber die Frage auf: Wo gehöre ich denn hin, wenn nicht hierhin? Dann müsste es logischerweise eine andere Welt geben, wo ich hergekommen bin, wo ich eigentlich hin gehöre. Der Mensch ist aber Teil der Welt selbst und folglich gehört er da auch hin wo er nun mal ist. Damit ist er auch kein Fremdkörper, sondern die Welt um ihn herum ist genau für ihn gemacht, er passt da hinein, wie es nicht besser sein könnte.
Sicher weiß ich, wie das zu verstehen ist. Der Zufall hat „gemacht“ und dann sieht man sich in einer Welt, in der man eben irgendwie zurecht kommen muss, sich seinen Weg suchen muss, sich darin behaupten muss, um zu existieren.
Auch dieses kann sein und wäre nicht einmal ein Widerspruch zum Theismus. Ausser, dass statt des Zufalls eben ein Kreator gesetzt wird. Es bliebe dennoch wieder die Möglichkeit, dass dieser Kreator es bewusst so „gemacht“ hat, dass wir uns als Wesen in einer Welt wiederfinden, die wir nicht als die unsrige erkennen und dass wir nicht einmal wissen, wer wir eigentlich sind, warum wir sind und unser eigenes Sein sich erst einmal entwickeln muss um zu höheren Erkenntnissen zu gelangen.
Im Entsagen des Allmachts- und Unsterblichkeitswahnes, der hier als „Verderblich“ betrachtet wird, sind sich Theismus und Atheismus wieder sehr ähnlich ! Auch die rein menschliche Vernunft weiß sozusagen instinktiv, dass der Mensch begrenzt ist, sterblich ist, nicht Allmächtig ist, es aber gerne sein möchte und alles daran setzt, sich in dieser Welt zu beweisen ! Wobei auch hier der Mensch durchaus Erkenntnisfähig ist und aus den eigenen Erfahrungen lernt: Es ist gar nicht gut, nach den Sternen zu greifen, sich hier zu beweisen, seine Macht auszubauen und nach Unsterblichkeit zu streben ! Aber seine Neugierde, sein Wissensdrang, sein Forscherdrang strebt genau nach dem, was ihm seine eigene Vernunft im Grunde verbietet !
Es ist nur eine andere Betrachtungsebene. Im Theismus sagt Gott, was Gut für den Menschen ist. Im Atheismus, sagt es einem die eigene Vernunft, aber der Mensch handelt dennoch grundsätzlich gegen die eigene Bestimmung, wider die Vernunft, sei sie nun religiös begründet oder ethisch-moralisch. Er weiß es besser, handelt aber dennoch wider besseres Wissen somit entgegen seiner eigenen Bestimmung, sich mit seiner Begrenztheit zu begnügen.
Und doch kann der Mensch stolz sein, in diesem seinem Wahn eine Menge Dinge entdeckt, erforscht, entwickelt und erfunden zu haben, denen er sich rühmen kann. Denn kein Tier hat solches je zustande gebracht. Der einzige Nachteil ist nur der, dass der Mensch es nicht im Einklang mit der Natur zustande gebracht hat und sich damit langfristig selbst schadet. Dafür sollte er dann auch keinen Gott verantwortlich machen, sondern sich selbst. Aber wir erkennen auch hier: Der Mensch weiß, was Gut für ihn ist – und handelt dennoch dagegen ! Unerheblich davon, ob nun Gott sagt, was Gut für den Menschen ist, oder er es im Grunde aus Erfahrung selbst erkennt. Er handelt aber nicht danach !
„Atheismus ist der Abschied von jeglicher Heilslehre und Heilshoffnung, freilich auch von jeglicher Unheilslehre und Untergangsprophetie, mögen sie sich auf ein illusionäres Jenseits oder auf das Diesseits beziehen.“
Das wäre im Grunde eine Kapitulation vor dem eigenen Sein !
Lassen wir mal die Unheilslehren und Untergangsprophetien beiseite. Das Heil oder Unheil fabriziert kein Gott und auch kein Teufel, sondern der Mensch selbst ! Insofern liegt eine hohe Verantwortung im Sein. Der Abschied von einer Heilslehre wäre gleichbedeutend mit der Kapitulation vor dem eigenen Sein. So handelt aber weder der Theist, noch der Atheist !
Der Mensch greift ein, handelt, ist nicht passiv, sondern aktiv. Das entspricht seiner Natur. Und Gott hat den Menschen nicht dazu bestimmt, alles schön bleiben zu lassen, die Natur, seinen Lebensraum sozusagen nur bewundernd anzusehen, sondern darin aktiv einzugreifen und darauf einzuwirken. Selbst wenn wir Gott mal ausklammern, stimmt die Gleichung nicht. Der Mensch kann in dieser Welt nicht nur als Zuschauer und Beobachter existieren, will er überhaupt existieren muss er in der Welt aktiv sein und in diese eingreifen und einwirken.
Die Heilshoffnung ist nicht wirklich Nichtig oder Zunichte geworden durch den Atheismus, sondern beschränkt sich darauf, das Heil im Diesseits statt im Jenseits zu finden und nicht nur danach zu suchen, sondern es selbst herbei zu führen durch sein eigenes Handeln ! Und wenn man es mal genauer unter die Lupe nimmt, dann finden sich solche Ansätze durchaus auch im Theismus. Alleine der Spruch Gottes in der Genesis: Macht euch die Erde untertan – Spricht eindeutig davon, dass der Mensch aktiv an seinem Heil selbst handelnd beteiligt werden soll, aber eben auch an seinem eigenen Unheil genauso selbst handelnd beteiligt ist. Auch die Lehren Jesu beschreiben einen bewusst handelnden Menschen und keinen passiv hinnehmenden, der nur sagen soll: Gott wird´s schon machen. Auch hier ähneln sich Theismus und Atheismus wieder. In beiden Weltanschauungen ist der Mensch aufgefordert, seines Glückes oder Unglückes Schmied selbst zu sein, Heil oder Unheil in die Welt zu bringen ist keine Sache Gottes, sondern des Menschen. Dabei ist es wieder unerheblich ob „dahinter“ eine Gottheit nun existiert oder nicht. Die Forderung, selbst am eigenen Heil und am Heil der Welt beteiligt zu sein, ist im Theismus genauso vorhanden wie im Atheismus.
„Menschliches Leben heißt: sich für eine kurze Zeitspanne erträglich einrichten auf einem Staubkorn im Weltall – mit Würde und Anstand und Humor. Vielleicht gelingt es doch noch den Erdball bewohnbar zu gestalten!? Die gesellschaftlichen Verhältnisse lassen sich jedenfalls schrittweise verbessern. Universale Gerechtigkeit und die Versöhnung von Mensch und Natur bleiben allerdings unerreichbar. Himmel und Hölle, Paradies und Verdammnis sind religiöse Trugbilder, keine atheistischen Leitideen.“
Menschliches Leben bemisst sich an der Existenz des Seins innerhalb einer Zeitspanne, wo das menschliche Sein in materieller Form in einem Körper lebt und ist. Über alles darüber hinaus gehende haben wir so gut wie kein Wissen. Insofern stimmt auch dieser erste Satz. Der Theismus verbietet es ja nicht, sich für diese kurze Zeitspanne erträglich hier einzurichten und als Staubkorn im Weltall zu betrachten, verbietet weder Würde, noch Anstand oder Humor. Also auch hier sehe ich, wie ähnlich sich diese beiden Weltanschauungen an sich sind. Nur dass im Theimus das Sein eben nicht nur und ausschließlich auf das Erdenleben beschränkt ist, sondern darüber hinaus von einer Existenz jenseits dieser Welt ausgeht. Sowohl haben wir ein Davor als auch ein Danach, in welcher Form, Art und Weise auch immer. Das ist der Unterschied in dieser Hinsicht.
Was aber das reine Leben im Hier und Jetzt angeht, so steht nicht ausser Frage, dass der Mensch die Möglichkeit hat, den Erdball, seine Welt, bewohnbar zu machen und zu gestalten. Auch das schrittweise Verbessern von gesellschaftlichen Verhältnissen steht nicht ausser Frage. Weder im Theismus, noch im Atheismus. Das Ideal hingegen bleibt auch hier unerreichbar, sowohl im Theismus als auch im Atheismus sind die Ideale für den Menschen nur anzustrebendes Gutes, aber nie erreichbares ! Eine stete Vervollkommnung hin zur Vollkommenheit in Gott bleibt ein ewiger nie endender Prozess. Das einzige was möglich ist, ist die stetige Annährung an diese Vollkommenheit, ohne sie jedoch jemals vollkommen tatsächlich erreichen zu können. Fortschritt ist dabei jedoch permanent möglich. Nicht viel anders ist es auch im Atheismus. Wenn auch die Ideale wie universale Gerechtigkeit usw... nie erreicht werden, so werden sie aber stetig angestrebt und vervollkommnet, ohne diese Vollkommene Gerechtigkeit jemals zu erreichen. Also auch hier sehe ich wieder eine ganze Menge Gemeinsamkeiten. Einzig die Distanzierung von Himmel und Hölle, Paradies oder Verdammnis ist hier Gegensätzlich. Wobei man auch diese auf das Hier und Jetzt anwenden kann und der Mensch weiß es, dass er in der Lage dazu ist, Himmel oder Hölle auf seinem Planeten selbst zu erschaffen. Es liegt also an ihm selbst, an seinem eigenen Handeln, was aus dieser Welt wird. – Der Theist klammert das Diesseits ja nicht aus, er begründet das Sein nur noch darüber hinaus.
„Die beiden Säulen des Atheismus haben den gleichen theoretischen Rang, sie charakterisieren zwei unterschiedliche Argumentationsfiguren, die eine metaphysische und eine empirische Widerlegung des Gottesglaubens liefern.“
Theoretisch ja. Ob sie damit aber einen Gottesglauben wirklich widerlegen, steht mit einer Formulierung an sich ja nicht wirklich fest. Die Wahrheit darüber, ob es einen Gott gibt oder nicht, kann eine theoretische Formulierung ja nicht festlegen bwz. Begründen. Sie bezieht sich zudem auch nicht auf die Frage nach einer wirklichen Existenz einer Gottheit, sondern lediglich auf den Glauben an diese Gottheit. Dieser Glaube existiert zumindest, unabhängig von irgendwelchen Textformulierungen. Und unabhängig von einer wirklichen Existenz einer Gottheit, die ohnehin nicht beweisbar ist, wie auch dessen Nichtexistenz nicht beweisbar ist.
„Der empirische Beweis zielt auf den unerlösten, elenden Zustand der Welt, das herzzerreißende, unschuldige Leiden und Sterben von Tier und Mensch, die mit dem Glauben an einen zugleich allgütigen, allwissenden, allwirksamen und allmächtigen Gott nicht vereinbar sind. Der Atheismus findet seine eigentliche Begründung in der Wirklichkeit selbst, in der blut- und tränengetränkten Geschichte des Tier- und Menschenreiches. Wie kann ein angeblich liebender Gott, bei dem kein Ding unmöglich ist, die Lebewesen, die er doch geschaffen hat, so unsäglich leiden lassen? Entweder er ist nicht allmächtig und kann die Leiden nicht verhindern, oder er ist nicht allgütig und will die Leiden nicht verhindern. Auf diese Zwickmühle innerhalb des Gottesglaubens hat erstmals der griechische Philosph Epikur um 300 vor unserer Zeitrechnung in aller begrifflichen Klarheit aufmerksam gemacht. An Epikurs Religionskritik anknüpfend hat viel später der deutsche Dichter Georg Büchner das Leiden eindrucksvoll als den "Fels des Atheismus" bezeichnet. In dem berühmten "Philosophengespräch" seines Dramas "Dantons Tod" heißt es: "Schafft das Unvollkommene weg, dann allein könnt Ihr Gott demonstrieren ... Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz ... Warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten."
Als einen Beweis, dass es keinen Gott gibt oder geben kann, kann man an der Tatsache, dass es Leid gibt, nicht alleine fest machen.
Die Frage, warum gibt es Leid, ist so alt wie die Menschheit selbst. Bedeutet auch: Das Leid, so wie auch der Tod, gehören zum Leben dazu. Nur weil der Mensch nicht in der Lage ist, darin einen Sinn zu finden, warum es etwas gibt, was er nicht mit dem was „Gut“ ist, in Einklang bringen kann, aus logischen, aber rein menschlichen Überlegungen heraus den Schluss zu ziehen: Weil es Leid gibt, kann es keinen Gott geben – ist somit nicht ganz richtig.
Fairerweise sollte man, wenn man diese Frage nicht beantworten kann, einfach sagen: Wir wissen es nicht, anstatt daraus ein menschliches Konstrukt zu machen, um einen Gott damit zu widerlegen. Selbst wenn das Leid einen Sinn haben sollte, der sich uns jetzt noch nicht erschließt, würde damit die Frage nach einer Gottheit weder beantwortet werden können, noch widerlegt werden können.
Diese Behauptung: Entweder ist Gott nicht Allmächtig, denn sonst würde er das Leid ja verhindern können, oder er ist Allmächtig, dann kann er aber nicht Barmherzig sein, sonst könnte er das Leid aus Barmherzigkeit verhindern, will es aber nicht – Ist ja nichts neues unter der Sonne.
Das würde eine Gottheit zwar menschlich gesehen in Frage stellen, aber eher in der Art „wie“ diese Gottheit beschaffen sein soll und nicht in der Frage der Existenz der Gottheit selbst. Wir wissen so gut wie nichts über die wirkliche Beschaffenheit oder Wesenheit einer Gottheit. Der Mensch projiziert (nach Feuerbach) seine eigene Unzulänglichkeit, seine eigene Unvollkommenheit auf einen Gott und spricht diesem alles das zu, was der Mensch selbst nicht ist. Der Mensch ist Endlich, also muss Gott Unendlich sein. Der Mensch ist Wissend, also muss Gott Allwissend sein. Der Mensch ist Unvollkommen, also muss Gott Vollkommen sein usw... Wie dieser Gott, wenn er denn existiert, wirklich beschaffen ist, weiß doch kein Mensch !
Und daher weiß der Mensch auch nicht, ob Gott diese scheinbare Unvereinbarkeit zwischen seinen ihm zugesprochenen Attributen wie Allmacht und Barmherzigkeit nicht doch in sich vereinen kann. Die Frage allerdings, warum gibt es das Leid überhaupt, ist berechtigt, lässt sich aber sowohl mit einem Gott als auch ohne einen Gott nicht beantworten. Man kann zwar einen Gott für sich wegradieren, aber das Leid nicht ! Das existiert dennoch und die Frage warum, bleibt somit ebenfalls unbeantwortet.
Der Atheismus begründet sich angeblich auf der Wirklichkeit. Diese ist voller Leid, weil das Leid auch die in der Welt vorhandene Unvollkommenheit widerspiegelt. Es ist eben so ! Das beantwortet die Frage nach dem Leid aber nicht. Der Atheismus definiert zudem auch erst einmal seine eigene Wirklichkeit auf welche er sich dann begründet. Ob das was der Mensch als Wirklichkeit definiert aber auch wirklich die ganze Wirklichkeit erfasst hat, bleibt fraglich.
Der Theismus definiert zumindest eine andere Wirklichkeit, welche über die uns erfassbare Wirklichkeit hinaus geht. Und in dieser begründet er sich dann auch entsprechend selbst. Nichts anderes macht der Atheismus im Grunde genommen auch ! Auch hier finde ich wieder mal eine Gemeinsamkeit, nur eben mit unterschiedlichem Vorzeichen.
Wie die Wirklichkeit wirklich ist, wissen wir aber nicht. Was wir wissen, beschränkt sich lediglich auf einen Teil der Wirklichkeit. Ob es darüber hinaus noch eine weitere, eine andere, eine umfassendere Wirklichkeit gibt, das wissen wir nicht. Die Möglichkeit wäre aber durchaus denkbar. Denn das was der Mensch als Wirklichkeit erfasst, dehnt sich ja ständig weiter aus. War es vormals so, dass der Mensch nur das als wirklich betrachtete, was er mit seinen Sinnen wahr nehmen konnte, so erschließt sich heute dem Menschen eine völlig andere Wirklichkeit, die jenseits all unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen liegt. Farben die wir gar nicht sehen, Strahlen die wir gar nicht wahr nehmen, eine Welt aus Atomen, die im Grunde aus Nichts bestehen und uns scheinbar eine Welt von Schwere, Feste und Dichte vortäuschen. Entgegen unserer alltäglichen Erfahrung dreht sich gar nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde dreht sich um sich selbst und dreht sich um die Sonne...
Insofern ist Wirklichkeit immer nur der Teil der Welt, der sich uns nachvollziehbar erschließen lässt. Die wirkliche Wirklichkeit kann aber durchaus größer und umfassender sein, es ist sogar höchst wahrscheinlich so ! Und darin hat eine Gottheit vielleicht auch irgend wann einmal Platz. Jedenfalls lässt sie sich nicht ausschließen, nur weil wir unsere Wirklichkeit nicht in ihrer tatsächlichen Beschaffenheit allumfassend erschlossen haben.
„Aber auch angenommen, es gäbe dermaleinst tatsächlich einen seligen Zustand, wie ihn die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament (21,4) verheißt, daß Gott abwischen wird alle Tränen und es keinen Tod und kein Leid und keinen Schmerz und kein Geschrei mehr geben wird: Wäre damit der schnöde Atheismus eines besseren belehrt und stünde Gott gerechtfertigt da? Nein, denn die Erlösung im Jenseits kommt immer zu spät, Sie kann nicht im geringsten ungeschehen machen, was zuvor geschehen ist. Die Unumkehrbarkeit der Zeit ist die unüberschreitbare Grenze jeder Allmachtsidee. Kein Erdbeben-, Kriegs-, Folter-, Mord-, Krebs-, oder Verkehrs-Opfer wird verhütet durch religiöse Erlösungsversprechen. In welchem annehmbaren Sinn sollte erfahrenes Leid je wieder gutgemacht werden können? Das liebenswerte Sehnsuchtsbild einer vollendeten Gerechtigkeit, einer universalen Versöhnung bleibt unerfüllbar, weil selbst bei einer jenseitigen Kompensation das zuvor Geschehene nie ungeschehen gemacht werden kann.“
Auch der Atheismus kann auf diese Frage keine zufriedenstellende Antwort geben. Denn auch dieser kann das einmal geschehene nicht wieder ungeschehen machen. Selbst wenn der Mensch selbst dazu in der Lage wäre, sich in ferner Zukunft eine bessere Welt zu bauen, in welcher es kein Leid mehr gibt (zumindest nicht jenes Leid, welches sich der Mensch selbst zufügt und die Leiden durch Naturgewalten so weit unter Kontrolle hat, dass diese nur noch geringen Schaden anrichten können) wäre all das vorangegangene Leid nicht Ungeschehen gemacht.
Ich finde es interessant, dass der Atheismus überhaupt fragt: Stünde Gott denn dann gerechtfertigt da, wenn es einst tatsächlich mal einen seligen Zustand geben sollte. Was interessiert den Atheisten ein Gott, an dessen Existenz er doch ohnehin nicht glaubt? Es wäre demzufolge ja so gesehen egal, ob ein Gott gerechtfertigt da stünde oder nicht, denn er existiert für den Atheisten ja ohnehin nicht.
Das was hier vordergründig in Erscheinung tritt, ist auch nicht Gott, sondern die Frage nach der Verantwortung ! Alles was geschehen ist an Leid, das muss doch jemand zu verantworten haben ! Der Mensch, der selbst größtenteils aber für dieses Leid verantwortlich ist, der sucht nun einen Sündenbock, dem er diese eigene Schuld in die Schuhe schieben kann. Entweder ist es Gott, oder es ist die Welt, weil sie eben so ist wie sie ist. Diese aber, sich aus sich selbst entwickelnd, in ihrer Unvollkommenheit, hat ja kein Schuldbewusstsein und man kann ihr also nichts vorwerfen. Einem Gott hingegen kann man es, wenn dieser der Erschaffer aller Dinge ist, dann wusste er ja, was daraus auch an Leid hervorgehen würde und schuf es trotzdem ! Also muss es auch dieser Gott letztlich alles verantworten, was er da mit seiner Schöpfung angerichtet hat !
Ja, so denke ich auch. Und ich denke, Gott wird das sicher auch verantworten können, denn sonst hätte er gegen sich selbst gehandelt. Das wäre zwar auch denkbar, aber ist mal wieder nicht sonderlich mit unserem Gottesbild vereinbar. Gott wird alles das verantworten und er kann es, sonst hätte er nichts geschaffen ! Das „wie“ allerdings kann ich nicht beantworten. Aber ich bin davon überzeugt, wüssten wir alle Zusammenhänge, wüssten wir von Gottes Plan, könnten wir ihn verstehen und nachvollziehen, hätten wir eine Antwort.
Ich will es mal so umschreiben: Gäbe es keine Nacht, wüssten wir den Tag nicht zu schätzen. Heißt: Dadurch dass wir selbst Leidensfähig sind, und Leid erfahren, sind wir überhaupt auch in der Lage, Heil und Glück zu erfahren. Man stelle sich eine Welt vor, in welcher es überhaupt kein Leid gäbe. Der Mensch wüsste überhaupt nicht, was das ist. Dadurch ist er sich aber auch seines heilen und glücklichen Zustandes weder voll bewusst, noch kann er diesen Wertschätzen ! Denn er kann sich keinen Begriff davon machen, was Unheil und Leid überhaupt sein soll, weil es das in einer solchen Welt nicht gibt. Ob eine solche Welt deswegen dann tatsächlich eine bessere Welt wäre, stelle ich daher mal in Frage.
Denn nur durch die Wertung: Leid ist schlecht und macht keinen Sinn, stellt sich überhaupt erst die Frage: Warum gibt es Leid. Und warum lässt Gott das zu, wenn Gott doch Gut ist?
Zum anderen bemisst Gott das Sein anders als wir es tun. Für uns gibt es nichts anderes als den Augenblick im Hier und Jetzt. Eine andere Dimension des Seins erschließt sich uns nicht. Zukunft existiert nicht und wenn, dann wird die Vergegenwärtigt und Vergangenheit existiert nur in der Erinnerung von etwas gewesenem, ist also auch nicht wirklich existent.
Wenn Gott aber im Hinblick auf die Ewigkeit in welcher nur noch die völlige Glückseligkeit herrschen soll, arbeitet, dann frage ich mich: Was wäre all das schrecklich empfundene Leid jenes winzigen Augenblickes, welches ich mal die Zeit des menschlichen Lebens nenne, im Vergleich zu dem schon unendlich lang andauernden Zeitraum von Ewigkeit, in welcher die Erinnerungen an jeden Augenblick des leidvollen irdischen Lebens völlig verblassen? Es wäre ein Nichts !
Wir empfinden dieses Nichts ja auch nur deswegen so schmachvoll, weil wir in diesem Istzustand des Leidens im Augenblick des Seins gefangen sind. Wenn wir uns einen Zahn ziehen lassen, empfinden wir das als Leidvoll und Schmerzvoll. Aber wenn wir ihn nicht ziehen lassen, empfinden wir das ganze Leben als Leidvoll und Schmerzvoll. Also ziehen wir einen Augenblick des Leidens vor, um uns vor zukünftigen Leiden oder einem permanentem Leiden zu bewahren. Danach allerdings denken wir nicht an diesen Augenblick des Leidens zurück, sondern erfreuen uns wieder unseres neuen Istzustandes, der jetzt ohne Leid ist.
Weiter im Text...
„Hinzu kommt, daß im Neuen Testament (um im christlichen Bereich zu bleiben) der Erlösung ohnehin nur eine Minderheit der Menschen teilhaftig wird: "Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt", heißt es im Matthäus-Evangelium (22,14). Unmittelbar nach dem zitierten Wort aus der Offenbarung des Johannes wird den "Ungläubigen", "Abgöttischen" und "Hurern" die ewige Qual in "Feuer und Schwefel" angedroht (21,8).“
Das ist nur oberflächlich betrachtet so. Im Grunde ist das Heil und die Erlösung allen Menschen zuteil werdend. Nur ist dies eben zumindest nach dem NT in der Bibel an bestimmte Bedingungen geknüpft, welche aber im Prinzip jeder Mensch erfüllen kann, wenn er nur will. Damit hängt das Heil und die Erlösung nur vom Willen des Menschen selbst ab. So nach dem Motto: Dem wollenden geschieht kein Unrecht. Oder: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.
Wenn also ein Gott eine Erlösung anbietet, der Mensch sie aber nicht annehmen will, wie kann er dann Gott dafür verantwortlich machen?
Weiter...
„Und: Wenn Gott überhaupt einen Zustand ohne Schmerz und Leid schaffen kann, warum dann erst so spät und nicht von Anfang an? Warum zuvor die eigenen Geschöpfe durch ein Meer von Blut und Tränen waten lassen? Die nüchterne Antwort kann nur lauten: Statt die Wirklichkeit zu verrätseln und sich in "Gottes unerforschliche Ratschlüsse" zu flüchten, ist redlich einzuräumen: Es gibt keinen Gott. Ohne Gottglauben ist die Wirklichkeit bitter, aber mit Gottglauben ist sie bitter und absurd.“
Vielleicht liegt die Antwort im zuvor oben von mir beschriebenem. Weil Gott will, dass der Mensch Leid erfährt, damit er weiß, was das ist und Glück und Heil zu schätzen weiß ! Und deswegen ist Leid auch nur vorübergehender Natur und kein Immerwährendes Leid ! Dann allerdings wäre die Frage berechtigt: Warum hört das Leid niemals auf? Was macht ein Sein, welches nur aus Leid besteht, welches kein Ende hat, für einen Sinn?
Es kann aber Sinn machen, wenn es nur ein vorübergehendes Leid ist, dessen Zustand eben nicht immerwährend ist, damit der Mensch weiß, was Leid ist und dass lässt sich eben nur selbst erfahren und nicht theoretisch erfassen und damit der Mensch Glück und Heil schätzen lernt. Eine Welt ohne Leid würde der Mensch nicht zu schätzen wissen, weil er niemals wüsste, was das Gegenteil davon überhaupt ist. So lernt er auch, dass es nicht egal ist, wie er handelt, dass sein eigenes Handeln nicht automatisch Gut ist, sondern auch selbst Leid verursachen kann. Damit lernt er auch Verantwortung zu tragen und zu übernehmen.
„Die zweite Säule des Atheismus bestreitet nicht Gott den Erlöser, sondern Gott den Schöpfer. Sie argumentiert nicht empirisch, sondern metaphysisch, das heißt: Sie überschreitet den Bereich des Erfahrbaren und greift in jenen Teil der Wirklichkeit hinüber, der sich allein dem abstrakten Gedanken erschließt. Die hier vorausgesetzte Metaphysik ist eine Metaphysik ohne Goldgrund, eine nicht - religiöse, philosophische Theorie des Weltganzen. Erklärter- und unvermeidlicherweise verläßt sie den Bereich des empirisch Gegebenen, ohne freilich den Boden der Rationalität zu verlassen. Sie entschwindet nicht in eine "höhere Welt", sondern denkt, was nicht sinnlich faßbar, aber denknotwendig ist: die Welt als Gesamtzusammenhang, als Verschränkung von Teil und Ganzem, von Relativem und Absolutem. Der Glaube, daß ein Gott die Welt erschaffen hat, läßt sich durch Überlegungen der folgenden Art von innen her entkräften.“
Indem sie aber den Bereich des Erfahrbaren überschreitet, über den Teil der erfahrenen Wirklichkeit hinaus geht, begibt sie sich auf sehr unsicheres Terrain. Ähnlich wie der Theismus ! Denn hier wird nur eine andere Wirklichkeit definiert, die im Atheismus einen Gott ausschließt, während sie im Theismus diesen mit einschließt. Wirkliches Wissen haben wir nicht über eine Wirklichkeit, die jenseits unserer erfahrbaren, erkennbaren, messbaren und erschließbaren Wirklichkeit liegt. Es ist also müßig, sich darüber Gedanken zu machen, wie eine über unseren eigenen Erfahrungs- und Erlebnishorizont hinaus gehende Wirklichkeit wirklich ist. Da wir es nicht wissen, lasse ich daher die Frage nach einem Gott einfach offen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass in dieser nicht erfassbaren Wirklichkeit ein Gott ist genauso, wie, dass da kein Gott ist. Entkräften lässt sich daher ein Gott nicht. Es wird nur ein anderes Denkmodell von Nicht erfahrbarer Wirklichkeit aufgestellt, die ohne Gott auskommt. Was aber nichts darüber aussagt, dass da wirklich keiner ist.
„Als erstes ist zu fragen: Was tat Gott vor der Erschaffung der Welt, wenn die Schöpfertätigkeit zu seinen ewigen und unveräußerlichen Wesensmerkmalen zählen soll? Lag seine Schöpferkraft vorher brach? Weshalb wurde sie auf einmal tätig? Offenbar hat sich Gott gewandelt, obwohl doch die Unwandelbarkeit zu seinen klassischen Attributen gehört. Wenn er sich aber gewandelt hat, ist er der Zeit unterworfen. Es gab also eine Phase, in der Gott noch nicht der Schöpfer war. Der Gedanke eines ewigen Schöpfers, der irgendwann eine zeitlich begrenzte Welt geschaffen haben soll, ist logisch nicht widerspruchsfrei zu denken. Das hat den Philosophen Johann Gottlieb Fichte zu der schroffen Bemerkung veranlaßt, "die Annahme einer Schöpfung" sei "der absolute Grundirrtum aller falschen Metaphysik". Durch sie werde "das Denken in ein träumendes Phantasieren verwandelt" ("Die Anweisung zum seligen Leben", Sechste Vorlesung).“
Die Frage ist schon in sich falsch ! Sie ist nur dann relevant, wenn wir davon ausgehen, dass es vor dieser, unserer Schöpfung noch keine andere gab und es nach dieser keine andere mehr geben wird. Dann erst haben wir ein „davor“. Wenn ich aber davon ausgehe, dass Gott der Schöpfer schon immer ein Schöpfer war und in seinem ewigen Sein nie etwas anderes tat als zu schöpfen, dann stellt sich so eine Frage gar nicht erst. Wie gesagt, unter der Annahme, dass Gott also schon immer schöpfte und unsere Schöpfung nicht die erste und auch nicht die letzte ist, sondern irgend eine mitten drin und das Sein Gottes im Grunde ein immerwährendes schöpfen darstellt. Und auch das wäre denkbar.
„Der zweite Kritikpunkt erwächst aus der Frage: Warum hat Gott überhaupt die Welt geschaffen, obwohl er doch ein in sich selbst vollkommenes Wesen sein soll, das in seiner Majestät keines anderen bedarf? Die biblische Antwort – Gott schuf sich die Welt als sein Gegenüber und den Menschen als sein Ebenbild – provoziert unvermeidlich den Einwand: Da Gott nichts Sinnloses tut, muß ihm vorher etwas gefehlt haben. Wenn er aber ein Gegenüber brauchte, weil er einen Mangel litt, war er nicht in sich vollkommen. Schöpfertum und Vollkommenheit schließen sich aus. Das ergibt sich auch aus dem religiös-liturgischen Dauerappell, die Geschöpfe sollten ihren Schöpfer lobpreisen, verherrlichen, anbeten, ihm danken und vor ihm auf die Knie fallen.“
Dieser Kritikpunkt ist durchaus Berechtigt. Die Frage: Warum hat Gott überhaupt eine (oder mehrere, vielleicht unendlich viele) Welten geschaffen? Ich denke, eine solche Frage kann der Mensch nicht beantworten. Die kann nur Gott selbst beantworten. Aber nur weil wir keine Antwort auf eine solche Frage haben, zu meinen, dann kann es also auch keinen Schöpfergott geben, ist doch eher dumm. Es erschließt sich uns nur nicht. Aber nur weil sich uns etwas nicht erschließt, zu sagen: Dann kann es das auch nicht geben, eben weil es sich uns nicht erschließt, das ist einfach Dumm.
Zu sagen: Wenn Gott aber ein vollkommenes Wesen sein soll, dann bedurfte es keines Gegenübers, denn bedurfte es dieses doch, wäre Gott nicht in sich Vollkommen, da er ja einen Mangel in sich verspürte, den er durch das Erschaffen von etwas anderem als ihm selbst, auszugleichen versuchte, das ist wiederum recht klug gedacht.
Aber: Nach menschlicher Logik schließt sich hier nicht eine Gottheit selbst aus, sondern nur wieder mal die dieser Gottheit gegebenen Attribute, in diesem Falle seine Vollkommenheit im Widerspruch zum Schöpfergott. Denn ein vollkommener Gott wäre in sich selbst ewig genug, es bedarf keiner Schöpfung.
Warum es sie, die Welt, die Schöpfung aber trotzdem gibt, erschließt sich uns also nicht. Es hätte sie freilich so gesehen nicht geben müssen, aber was spricht dagegen, etwas zu erschaffen, was ein Gott nicht nötig hat? Es kann andere Gründe geben, warum ein Gott trotzdem etwas erschafft. Nicht alles was es nicht geben muss, darf es auch nicht geben. Warum darf ein Gott auch wenn er dessen nicht bedarf, es nicht nötig hat, nicht dennoch etwas erschaffen? Auch wenn wir die Gründe dafür nicht herleiten können?
Wir wissen darüber so gut wie nichts. Von daher kommen wir mit unserer menschlichen Logik wahrscheinlich auch nie dahinter. Aber es gibt auch dazu Erklärungsversuche:
Es gibt auch die Vorstellung darüber, dass Gott gar keine Schöpfung ausserhalb von sich selbst geschaffen habe, sondern in sich selbst. Denn wenn Gott unendlich ist, wo soll dann überhaupt dieses Ausserhalb von Gott sein? Eine Unendlichkeit erfüllt schon alles, dahinter kann es nichts mehr geben, weil das ansonsten wieder die Unendlichkeit begrenzen würde.
Das würde bedeuten: Gott hat gar nichts ausserhalb von sich neu erschaffen, sondern nur sein eigenes Sein innerlich zur Schöpfung umgestaltet, also er hat sich selbst quasi zur Schöpfung gemacht. Wir alle und alles was ist, ist Gott selbst bzw. ein Teil davon. Dies würde auch bedeuten, Gott hat gar nichts ausser sich geschaffen. Die Schöpfung war schon immer in ihm enthalten.
Ich denke, hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn solche Überlegungen setzen immer einen Anfangspunkt. Wenn ich einen Gott als Anfangspunkt setze als tatsächlich existent, dann weiß ich, aus Erfahrung, obwohl es nicht notwendig wäre und an sich für einen vollkommenen Gott keinen Sinn macht, dass es trotzdem eine Schöpfung gibt. Ich kann nur die Frage nach dem „Warum“ nicht beantworten.
Wenn man aber keinen Anfangspunkt setzt, dann hat man immer noch die Frage des „warum“ existieren wir überhaupt, „warum“ gibt es alles das um uns herum eigentlich, auch nicht beantwortet. Man begnügt sich lediglich mit der Aussage: Es ist eben so ! Es hat sich zufällig so entwickelt. Eine wirklich zufriedenstellende Antwort ist das aber auch nicht.
Weiter...
„Diese Ermahnungen, die ihren Ursprung in patriarchalisch-despotischen Verhältnissen nicht verleugnen können – hier der absolute Herrscher, dort die demütigen Untertanen –, beweisen erneut: Der Schöpfergott verzichtet ungern auf das Halleluja seiner Geschöpfe. Ein Zeichen innerer und äußerer Unabhängigkeit, gar Vollkommenheit ist das kaum. Um sich als Schöpfer zu beweisen, bedarf Gott der Welt; die Welt bedarf Gottes nicht. Sie besteht aus sich selber, ungeworden und unvergänglich, freilich auch völlig gleichgültig gegenüber dem Wohl und Wehe ihrer Geschöpfe.“
Das kann man so sehen, wenn man es so sehen will. Hier wird von einer Annahme ausgegangen, dass es auch so sei und diese dann ad absurdum geführt. Eine solche Schlussfolgerung ist zulässig, aber die Annahme nicht ! Damit wird allerdings auch die Schlussfolgerung hinfällig !
Der absolute Herrscher ist nun mal dieser, nicht weil er es sein will, sondern weil es keinen Übergott über Gott gibt ! Natürlich ist das auch eine Annahme. Wir sprechen hier ohnehin nur von Annahmen. Ich setze allerdings eine andere Annahme hier bewusst ein, die dann zwangsläufig auch eine andere Schlussfolgerung nach sich zieht. Ich mache das nur, um die vorherige Annahme zu widerlegen bzw. um zu zeigen, dass unter der Voraussetzung einer anderen Annahme zwangsläufig eine andere Schlussfolgerung entsteht. Ich stelle daher nur die Schlussfolgerung in Bezug auf „es kann nur diese eine geben, also ist sie richtig“ in Frage.
Gibt es also nur diesen einen Gott und keinen zweiten Übergott darüber, dann kann also unter dieser Annahme Gott auch nur der absolute Herrscher selbst sein. Wie gesagt, weil er es einfach ist, nicht weil er es sein will oder etwa einen besonderen Wert darauf legen würde.
Zwangsläufig sind alle seine Geschöpfe dadurch auch seine Untertanen. Aber nicht weil sie es sein wollen, auch nicht weil Gott das so will, sondern weil sie es nun mal sind. Wie geht nun dieser absolute Herrscher mit seinen Untertanen um?
Er gibt ihnen einen ganzen Planeten in ihre eigene Obhut und sagt: Macht euch die Erde Untertan ! Er macht seine eigenen Geschöpfe also zu Herrschern über die ihr gegebene Erde. Verlangt er dafür ein Halleluja, einen Lobpreis? Nein !
Weiter: Er gibt ihnen einen freien Willen, zu tun und lassen zu können, was immer sie wollen, soweit es in ihrer Macht steht. Bedeutet: Er gibt ihnen sogar selbst Macht ! Zwar keine Allmacht, aber einen gewissen Bereich, in welcher sie Macht über sich selbst und der ihnen gegebenen Erde ausüben können, über alle Elemente und alle Seinsformen, von den Pflanzen über die Tiere bis hin zu sich selbst, dem Menschen.
Darüber hinaus gibt er ihnen sogar die Fähigkeit, sich seinem Willen entgegen zu stellen und etwas anderes tun zu können ! Verlang er dafür ein Halleluja, einen Lobpreis oder Anbetung? Nein !
Was ist das also für ein Bild von Absolutherrscher, welches hier erkennbar ist? Eines Tyrannen? Eines Despoten? Braucht Gott die Welt um sich selbst darin zu beweisen? Nein ! Er muss sich selbst kaum beweisen, denn Gott weiß was er ist. Der Welt und seinen Geschöpfen könnte sich Gott beweisen, aber da hat sich Gott noch nie bewiesen ! Sonst wüssten wir ja alle: Es gibt einen Gott !
Also ein an sich doch recht angenehmer Absolutherrscher, der sich nur im Hintergrund aufhält, als wäre er gar nicht da, der uns, seine Geschöpfe hier schalten und walten lässt, wie immer wir das möchten und uns eine Welt gibt, mit der wir machen können was immer wir wollen. Und der auch nicht eingreift, wenn wir sie uns selbst kaputt machen und zerstören.
Wir haben eine Verantwortung ! Aber wir werden dieser nicht gerecht ! Wir schreien nach Gott, diesem Absolutherrscher, der doch gefälligst unsere durch uns selbst kaputt gemachte Welt wieder heile machen soll? Wir klagen ihn an, weil wir das Unrecht und Leid, das wir selbst in die Welt gesetzt haben, nicht ertragen können und einen Schuldigen suchen? Eigentlich müssten wir uns selbst an die Nase fassen und eigentlich müssten wir vor so einem Absolutherrscher, der uns so viel Freiheit und Verantwortung gibt, tatsächlich auf die Knie fallen. Offensichtlich traut er uns mehr zu, als wir können. Wir müssten sagen: Du traust uns mehr zu als wir tatsächlich in der Lage sind zutun. Wir können mit der Freiheit und der daraus hervorgehenden Verantwortung. die du uns gegeben hast, nicht umgehen.
Nicht Gott ist der, welcher alles falsch gemacht hat, sondern wir Menschen sind es selbst !
Dieser absolute Herrscher traut seinen eigenen Geschöpfen zu, auch ohne ihn zurecht kommen zu können. Ihre Freiheit sinnvoll zu gebrauchen, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu tragen. Er delegiert und gibt von seiner Allmacht ab, verteilt sie auf seine eigenen Geschöpfe und gibt ihnen Anteil an sich selbst. Aber wir sind zu dumm um das zu erkennen und zu würdigen und können damit gar nicht umgehen. Wir müssten eigentlich freiwillig unser Zepter aus der Hand legen und sagen: Wir sind nicht würdig, dass du uns mit so viel Macht, Freiheit und Verantwortung ausgestattet hast. Wir können damit nicht umgehen. Nimm uns lieber alles das wieder weg. Wir sind diejenigen, die dadurch nur Leid und Unheil anrichten. Wir sollten auf die Knie fallen von uns aus freiwillig dafür Danken, dass dieser Absolutherrscher uns so viel Macht, Freiheit und Verantwortung überträgt. Gott hat nirgendwo verlangt, dass wir demütig vor ihm niederfallen ihn Verehren und Lobpreisen. Das ist das Anliegen eines Menschen, der erkannt hat, was Gott ihm gegeben hat. Kein Befehl eines Absolutherrschers, der es etwas nötig hätte von seinen Geschöpfen gelobt und gepriesen zu werden. Aber die Geschöpfe tun es selbst aus sich heraus.
„Eine letzte Überlegung betrifft das Verhältnis von Geist und Materie. Der Schöpfungsglaube behauptet, ein reiner Geist habe etwas Nicht-Geistiges, Materielles hervorgebracht. Hier wird uns erneut ein Opfer des Verstandes, der Glaube an ein Wunder, zugemutet. In Wahrheit verhält es sich umgekehrt: Geist ist ein reifes Entwicklungsprodukt langwierigster materieller Vorgänge unter günstigsten Bedingungen. Geist ist gebunden an hochkomplexe Gehirnstrukturen. Deren Beschädigung beschädigt auch den Geist, deren Absterben führt auch zum Absterben des Geistes.“
Ich weiß, das ist der alte Streit zwischen den Theisten und den Atheisten. Wie es sich in „Warheit“ wirklich verhält, wissen wir aber nicht, also sollte man auch so etwas nicht sagen.
Es bleibt offen und prinzipiell ist beides möglich. Heißt: Es wäre sowohl denkbar, dass aus dem Geist, der schon immer war, die Materie entstanden ist als ein Werk des Geistes. Als auch, dass die Materie sich aus sich selbst heraus das, was wir Geist nennen, entwickelt hat.
Wir wissen aber nicht was „Geist“ wirklich ist. Wer Geist nur als etwas an hochkomplexen Gehirnstrukturen gebundenes fest macht, hat ihn genauso wenig verstanden wie einer, der Geist von all diesem völlig abkoppelt.
Wissen wir, ob Geist wirklich abstirbt, wenn das Gehirn abstirbt? Nein, wir wissen es nicht. Aber wir wissen auch nicht, ob Geist auch ohne Gehirn weiterlebt, in welcher Seinsform auch immer. Und daher kann man nicht sagen, was Geist ist, geschweige daraus etwaige Schlussfolgerungen zu ziehen über etwas, was man gar nicht vom Wesen her definieren kann, wovon man so gut wie nichts weiß, was es überhaupt ist.
Die zwei Säulen des Atheismus haben durchaus ihre Berechtigung, so wie auch die Säulen des Theismus, welche hier noch erst zu definieren wären. Es sind also alles Denkmodelle, welche die Welt versuchen zu erklären. Einmal mit Gott, einmal ohne Gott. Aber über die Wahrheit, wie es wirklich ist, sagen sie nichts wirklich aus. Darüber haben wir kein Wissen.