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Gewaltiger Mißbrauch des IslamSonntag, 26.09.1993,
Der Ex-Präsident des Obersten Staatssicherheitsgerichts von Kairo und liberale Muslim, Said Al-Aschmawi, über den islamischen Staat
FOCUS: Die Anschläge extremistischer Islamisten nehmen zu. Steht eine islamische Revolution bevor?
Said Aschmawi: Die Verantwortlichen sind Terroristen und haben wenig mit dem Islam gemein. Ich glaube nicht, daß sich in Ägypten eine Revolution wie im Iran wiederholen wird. Sicher sind die Wirtschaftsprobleme ein Grund. Aber es gibt noch viele andere: Erstens ist der zur Zeit vorherrschende Islam militant und geht mit militärischen Maßnahmen vor. Seine Vertreter interpretieren den Koran falsch, aus dem historischen Zusammenhang herausgelöst, weit enfernt von dem, was er eigentlich sagen wollte.
Sie erklären alle, die nicht ihren Gruppen angehören, zu Ungläubigen und rufen dazu auf, sie zu töten.
Zweitens wird dieser primitive Kampf- und Beduinen-Islam von Saudi-Arabien und dem Iran und einigen anderen Staaten unterstützt.
Drittens fühlen die Mus- lime sich unterdrückt. Der Islam gibt ihnen eine Persönlichkeit und Würde.
Viertens finanzieren einflußreiche Golfstaaten mit ihren Öleinnahmen islamische Zentren rund um die Welt, an denen diese primitive und militante Form des Islam verbreitet wird. Diese Länder wollen jetzt eine größere Rolle spielen. Iran strebt die Führung aller Muslime an. Das saudische Königshaus will das Kalifat wiederbeleben mit dem König als Kalif aller Muslime.
FOCUS: Sie fordern die Trennung von Politik und Religion. Gleichzeitig bezeichnen Sie sich selber als Fundamentalisten. Ein Widerspruch?
Said Aschmawi: Unter Fundamentalismus verstehe ich die Rückkehr zu den Prinzipien, nicht die Unterstützung der einen oder anderen Bewegung. Ich möchte zur Rationalität und den spirituellen Werten des Islam zurückkehren. Der Koran muß nach dem historischen Zusammenhang und der Bedeutung der Wörter interpretiert werden, die sie zu Lebzeiten des Propheten hatten.
Ein Beispiel: „Hukm“ steht heute für „politisches Regime“. Ursprünglich bedeutete es jedoch „Recht sprechen“, „gerecht sein“, „weise sein“. Im Koran hat „Hukm“ also nichts mit Politik zu tun. „Scharia“ meint im Koran, den „rechten Weg gehen“, heute das is- lamische Rechtssystem. „Dschihad“ (populär: „Heiliger Krieg“) bedeutet „Widerstand gegen das eigene Ich leisten“. Und selbst wenn es zu einem Kampf kommt, dann ausschließlich mit dem Ziel, das eigene Ich zu verteidigen.
Es gibt einen aufgeklärten Islam, eine Minderheit. Er erkennt das Christentum, das Judentum und andere Religionen an. Der Islam ruft zur Gleichheit zwischen Mann und Frau und zwischen Muslimen und Nichtmuslimen auf. Er nimmt aus anderen Zivilisationen, was mit seinen Werten in Einklang steht."