@lilit Die syroaramäische Lesart des Koran geistert nur noch in Foren herum, wo die meisten ihre Informationen aus uralten Artikeln speisen.
Aber, da du das Thema erwähntest und auch der Kollege vor dir, möchte ich auch nichts vorenthalten und einige Zitate von Wissenschaftlern posten, die alles andere für diese Hypothesen zu begeistern sind. Ihr habt es nicht anders gewollt
;)Um vielleicht noch einmal deutlich zu machen. Tilman Nagel ist alles andere als ein islambegeisterter Islamwissenschaftler:
Tilman Nagel (Islamwissenschaftler) über Luxenberg
Luxenbergs Werk ist eine wunderliche Mischung aus semitistischem Grundwissen, so etwa über den Konsonantismus, verquickt mit weitschweifenden Phantasien. Seriöse Rezensionen (beispielsweise Simon Hopkins in „Jerusalem Studies in Arabic and Islam“ 2003) heben den durchweg dilettantischen Charakter der Verfahrensweisen Luxenbergs hervor und geben ferner zu bedenken, dass nur eine geringe Anzahl von Koranpassagen – in der Ausgabe von 2004 sind es ein paar mehr – dieser „Deutung“ unterzogen wurden. Bei mehr als 95 Prozent des Textes versagt Luxenbergs Erfindungsreichtum, so dass, selbst wenn das wenige Hand und Fuß hätte, man nicht von einer „syro-aramäischen Lesart“ an sich sprechen dürfte, erst recht nicht von der Entschlüsselung eines durchgängigen christlichen liturgischen Textes, der sich unter den arabischen Schriftzügen des Korans verberge.
Tilman Nagel über Ohlig (kein Islamwissenschaftler, sondern kath. Theologe-> spricht auch kein arabisch, wie peinlich!)
Es handelt sich jedoch um den Saarbrücker Theologen und Religionswissenschaftler Karl-Heinz Ohlig. Er ist durch Arbeiten zur Geschichte der Christologie ausgewiesen sowie durch eine 2000 veröffentlichte Darstellung des Islam, in deren Einleitung er den des Arabischen mächtigen Forschern unterstellt, ihre Quellenkenntnis mache sie gegenüber ihrem Gegenstand befangen, was bei ihm, da er nicht arabisch lese, nicht zu befürchten sei. Ohligs wissenschaftliches Anliegen hat eigentlich auch nichts mit dem Islam zu tun. Ihm geht es darum, Zeugnisse eines nicht-trinitarischen Christentums aufzuspüren, das für ihn das wahre ist … Damit diese Behauptung an Plausibilität gewinnt, muss man den Koran von allen Hinweisen auf einen arabischen Propheten namens Mohammed befreien. Den ersten und wichtigsten Schritt hierzu geht Ohlig, indem er die gesamte, viele tausend Seiten umfassende arabisch-islamische Überlieferung zum frühen Islam ignoriert. Sie ist in seinen Augen eine gigantische Fälschung. Ohlig hat naturgemäß keinen Einblick in die Vielschichtigkeit dieser Überlieferung und verwechselt ihren Inhalt offenbar mit dem dogmatischen, schlichten Mohammedbild, das das muslimische Erbauungsschrifttum beherrscht.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/islamwissenschaft-befreit-den-propheten-aus-seiner-religioesen-umklammerung-1464313.html"Die Anfänge des Islam
Kein Prophet namens Muhammad?
von Daniel Birnstiel
“Licht ins Dunkel der Anfänge des Islam” fordert Karl-Heinz Ohlig, Herausgeber des Bandes “Der frühe Islam”, dessen Autoren den Anspruch erheben, unter Rückgriff auf “zeitgenössische Quellen” die tatsächliche Entstehung des Islam nachzeichnen zu können. Daniel Birnstiel hat das Buch gelesen.
“Der frühe Islam” ist nach Christoph Luxenbergs Buch “Die Syro-Aramäische Lesart des Koran” und dem gleichfalls von Karl-Heinz Ohlig herausgegebenen Sammelband “Die dunklen Anfänge” nunmehr das dritte Buch in kurzer Folge, das bemüht ist, vorherrschende Meinungen zur Entstehung des Islam zu revidieren.
Die Autoren vertreten die Ansicht, der Islam habe seinen Anfang als eine christliche Häresie genommen, die sich in Ostiran unter Christen entwickelt habe, die ursprünglich aus Mesopotamien (v.a. Hatra) deportiert.
[…]
Gewagte Behauptungen, wie etwa, dass die Verstärkungspartikel la-, wie anscheinend auch die Negation lā, aus dem Aramäischen entlehnt sein soll, trotz Beleg in allen semitischen Sprachzweigen, wecken große Zweifel an Luxenbergs semitistischen und sprachwissenschaftlichen Fähigkeiten. Mehr als einmal hat man den Eindruck, dass seine Feststellungen nicht Ergebnis einer Neulesung sind, sondern umgekehrt, der Text so interpretiert wird, dass er das gewünschte Ergebnis liefert. Besonders auffallend ist dabei der Rückgriff auf aramäische Schreibertraditionen jeglicher Art, als ob die verschiedenen aramäischen Dialekte beliebig miteinander vertauschbar seien. Ein Urkoran in syrischer Schrift kann somit keinesfalls als bewiesen gelten. … Der gestellten Forderung, Licht in die dunklen Anfänge des Islam zu bringen, kommt das besprochene Buch somit nicht nach. Die durchaus berechtigte Kritik einer bisherigen Quellen(ver)lesung v.a. zeitgenössischer christlicher Schriftsteller im Sinne der islamischen Tradition erweist sich als Farce angesichts der von den Autoren mindestens ebenso wenig neutralen Verwendung der Quellen und deren (Ver)Lesung im Sinne der eigenen Theorien."
http://de.qantara.de/wcsite.php?wc_c=3699"Hat Mohammed wirklich gelebt?
Interview mit Michael Marx (Orientalist)
Marx: Das sehe ich nicht so. Aber wir sollten festhalten, dass wir von Kalisch im Moment nur mündliche Aussagen kennen. Sie klingen so, als habe er sich den Thesen von Professor Karl-Heinz Ohlig angeschlossen, die dieser in seinem Buch “Die dunklen Anfänge” vor drei Jahren veröffentlicht hat – und denen zufolge der Koran ein christlicher Text ist und Mohammed wahrscheinlich nie gelebt hat. Aber diese Gruppe, zu der noch der Numismatiker Volker Popp und andere zählen, ist sehr klein.
Ich würde sagen, deren Positionen steht sogar außerhalb der Wissenschaft.
SPIEGEL ONLINE: Wieso das?
Marx: Es gibt viel zu viele Hinweise darauf, dass Ohligs These, der Prophet habe nie gelebt, nicht haltbar ist. In 14 Jahrhunderten christlich-islamischer Polemik wurde sie nie vertreten. Auch in syrisch-aramäischen Quellen gibt es hingegen Belege für den Propheten aus früher Zeit."
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,578513,00.html"Die Koranforschung tritt in die kritische Phase ein
Der Mann Mohammed und die monotheistischen Religionen: Eine Antwort auf Karl-Heinz Ohligs Thesen zum Stand der Islamwissenschaft
Von Nicolai Sinai (Orientalist)
(FAZ vom 28.12.2006)
Ohlig stützt seinen Geschichtsentwurf auf die These Christoph Luxenbergs, der Koran sei ursprünglich ein in einer syrisch-arabischen Mischsprache verfaßtes christliches Lektionar gewesen, welches erst nachträglich islamisiert wurde. Luxenberg geht von der Tatsache aus, daß sich frühislamische Koranhandschriften durch einen hohen Grad an Ambiguität auszeichnen: Vokalzeichen fehlen zumeist, und auch unterschiedliche Konsonanten werden nicht immer differenziert. Die immerhin in Betracht zu ziehende Möglichkeit, daß solche Manuskripte von einer mündlichen Lesetradition flankiert wurden, schließt Luxenberg jedoch von vornherein aus und sucht sein Heil in einer hochgradig arbiträren Emendationspraxis: Bei “dunklen” oder “unklaren” Koranstellen sei es zulässig, die überlieferten Vokalzeichen und Diakritika nach Belieben zu modifizieren, ja die arabischen Schriftzeichen sogar als Transliterationen syrisch-aramäischer Worte zu lesen.
Die als Kriterium für die Zulässigkeit von Textemendationen stipulierte “Dunkelheit” einer Koranstelle wird dabei in einem so weiten Sinne verstanden, daß etwa auch die koranischen Passagen über Paradiesjungfrauen aufgrund ihrer moralischen Anstößigkeit und ihres Abstands von christlichen Paradiesvorstellungen als dunkel gelten. Luxenberg konstruiert so eine arabisch-syrische Mischsprache, deren geschichtliche Existenz überhaupt nur durch massive Eingriffe in den Text herstellbar ist. Seine Thesen als gesicherte Forschungsergebnisse darzustellen, wie Ohlig es tut, spricht deshalb jeder Forderung nach kritischer Wissenschaft hohn.
Wenn Ohlig behauptet, es gebe “bis heute keine historisch-kritische Koran-Exegese”, so insinuiert er damit, daß jede Theorie, die an der Historizität Mohammeds festhält, eo ipso unkritisch ist. Kann ein Forschungsansatz etwa nur dann als historisch-kritisch gelten, wenn er möglichst weitgehend von der islamischen Innensicht divergiert? Kennzeichnet das Prädikat “historisch-kritisch” also keine Methode, sondern bestimmte Resultate?"
http://www.europainstitut.at/upload/publikationen/publikation_38.pdf (Archiv-Version vom 02.04.2012)"Die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth nennt Zweifel an der Historizität Mohammeds Provokation.
Angelika Neuwirth über Ohlig, Luxenberg und Co.
"Neuwirth: Ich halte nichts von der Wiederbelebung historischer Textkriege. Mit ihrer Islam-polemisch motivierten Koranforschung verbaut diese Gruppe die Möglichkeit zu einem Dialog mit der islamischen Gelehrtenwelt. Diese Forscher sind nicht an einem Wissensaustausch mit arabischen Gelehrten interessiert.
Sie haben zum Teil nicht einmal arabische Sprachkenntnisse. "
http://www.islamische-zeitung.de/?id=10897Für die, die es interessiert eine Untersuchung von Simon Hopkins (University of Jerusalem) über das Buch von Luxenberg:
http://www.christoph-heger.de/Simon_Hopkins_'Review_of_Christoph_Luxenberg'_JSAI_28_2003_gek.PDF
Ich denke, das sollte für's erste reichen.
Kein seriöser Wissenschaftler steht hinter den Hypothesen von Luxenberg und Co.
Anklang finden ihre Ansichten halte nur in Foren, wo Polemik gefragt ist, statt wirklichem Interesse oder einer Überprüfung / Forschung.