Die natürliche Veranlagung
11.06.2009 um 10:10
Jesus sagte einmal: Werdet wie die Kinder. Mit diesen Worten kann ich etwas anfangen. In diesem Kind-sein ist noch diese völlige Unvoreingenommenheit allem und jedem gegenüber enthalten. Ein offen sein für alles was einem in der Welt begegnet. Ein Staunen über die am Himmel daherziehenden Wolken, über die vielen abertausend glitzernden Sterne in der Nacht, über das plätschern eines dicken Regenschauer, über die Entfaltung eines bunten Regenbogens, über die schönen bunten Blätter im Herbst...
Ein Lachen und Toben beim sich einwühlen in frische Laubberge, beim Platschen und Matschen in Pfützen, beim Zusammenstecken von Kastanienmännchen, beim Purzelbäume schlagen auf der Wiese, beim ziehen an der Drachenschnur...
Kinder haben auch zunächst einmal keine Probleme mit dem anderssein anderer. Ob es ein Negerkind ist, dass nebenan wohnt, ob es ein Muslimkind ist, das mit in den Kindergarten geht, ob es eine andere Sprache spricht, eine andere Hautfarbe hat, andere Essgewohnheiten hat, das wird erst einmal mit Staunen und mit Neugier positiv aufgenommen.
Wir sprechen ja von der natürlichen Veranlagung, ohne die Prägung durch die Erziehung. In dieser Zeit denke ich, ist für ein Kind erst einmal alles grundsätzlich positiv. Später kommen Prägungen die auch vieles davon leider oft auch wieder zunichte machen. Sie können diese positive Haltung aber auch bewahren und bestärken.
Die Neugier ist, meine ich so eine angeborene Veranlagung, alles zunächst im wahrsten Sinne be-greifen zu wollen, mit den eigenen Händen zu greifen, zu betasten, später wird die Welt erkrabbelt und schließlich durchlaufen. Sobald ein Kind beginnt über etwas zu Staunen, beginnt es auch zu Fragen. Woher kommt das? Was ist das? Wenn Eltern dann Antwort geben, beginnt aber schon die Prägung. (Die ist auch nicht falsch, sondern höchst notwendig, aber es geht ja um die natürliche Veranlagung, weit jenseits von irgend welchen Prägungen).
Ich denke nicht, dass ein Neugeborenes oder ein Kleinkind schon von einem Gott weiß. Und wenn man ihm davon nichts erzählt, dann kommt irgendwann die Frage von selbst: Woher kommt das alles, was da ist? Wer hat die Welt gemacht? Dahinter sehe ich aber schon so eine Ur-Ahnung: Es muss sowas wie einen Schöpfer geben. Das sich alles entwickelt haben soll, in Jahrmillionen, so ganz zufällig von selbst... Dass es im Weltall mal einen riesigen Knall vor Urzeiten gegeben haben soll, das alles ist viel zu hoch, viel zu umständlich und nicht nachvollziehbar, dafür muss man schon sehr anstrengend denken.
Wenn wir aber von einer Ahnung sprechen, einem Gefühl oder einer Veranlagung, dürfen wir nicht schon mit Wissen kommen und Erklärungsmodellen. Alleine das man lebt, dass das Herz schlägt, dass man Atmet, sich selbst spürt ist ein Gefühl des Daseins und die Frage nach dem Erlöschen und dem Sterben und nicht mehr sein, die kommt erst später. Bedeutet: Jedes Lebewesen weiß dass es da ist, ob es sich darüber bewusst ist oder nicht, aber es spürt sich und weiß sozusagen instinktiv, dass es lebt. Aber es weiß nicht, dass es auch mal sterben wird. Darin liegt schon die ohne jedes Wissen erspürte Vermutung, dass Leben ist ewig. Es geht immer so weiter. Das was ist, hat keine Vorstellung davon zu wissen wie es ist nicht zu sein. Leben geht in sich davon aus, es bliebe immer und habe kein Ende.
Werdet wie die Kinder heißt für mich auch: Den Verstand erst mal zurück stellen, das Wissen hinterfragen. Offen sein für alles, unvoreingenommen möglichst allem gegenüber. Und sich selbst leben spüren ! Leider ist das durch all die Prägungen des Lebens und durch das angehäufte Wissen, durch die schon längst im Gehirn verschalteten und verfestigten Nervenmuster oftmals sehr schwierig. Ich weiß auch nicht, ob es gut war, dass wir Sesshaft geworden sind. Dadurch haben wir uns einen festen beschränkten Rahmen gegeben, haben das durchwandern der Welt als Abenteuerland um weiter zu lernen aufgegeben, können unseren Horizont nicht mehr erweitern, sind festgefahren in unseren Denkmustern. Dadurch entsteht auch so etwas wie Tradition, es wird nicht mehr hinterfragt, es wird nur noch übernommen, weil es schon immer so war. Wir betreten kein Neuland mehr, wir sizten in unseren eigenen mit Zäunen abgesteckten Lebensbereichen fest und verrosten dabei zusehens.
Ich glaube unsere natürliche Veranlagung ist das Gehen, das Laufen, das sich Bewegen. Dafür haben wir zwei Beine und Füße. Im übertragenen Sinne auch, das Forschreiten, das sich Entwickeln, das Lernen, das Entdecken, den eigenen Standpunkt verlassen, sich von sich selbst entfernen. Wir sind keine angewurzelten Bäume die immer da bleiben müssen wo sie hingepflanzt worden sind. In dieser Freiheit glaube ich, die nach allen Seiten hin geöffnet ist, liegt auch die eigentliche Entfaltung und die Antwort.