@PuschelhasiInteressante Unterscheidung zwischen "Islam" = Religion und "Deutsch" = Staatsangehörigkeit.
Was ist mit Muslimen mit deutscher Staatsangehörigkeit? Sind die eher islamisch-familiär oder deutsch-bindungslos?
@TopicMS.de: Was sind die spezifischen Probleme der Konvertiten?
Konvertiten befinden sich in einer zweifach schwierigen Situation: Sie müssen sich in den islamischen Lebensalltag einarbeiten und stoßen dabei auf die unterschiedlichsten Ansichten. Dem einen ist dieses nicht fromm genug, der andere findet das nicht nötig, ein Dritter meint, es sei alles falsch gewesen, was man bisher gemacht habe usw. Ist eine Konvertitin mit einem Mann aus einem sog. islamischen Land verheiratet, wird dieser Vieles als religiös verstehen und begründen, was eigentlich kulturbedingt ist.
Zum anderen müssen Konvertiten mit der Reaktion ihrer Umwelt zurecht kommen. Kollegen mögen noch amüsiert sein und vielleicht spotten, bei den Eltern und in der Familie bricht dagegen oft die Panik aus, zumal, wenn ein muslimischer Schwiegersohn ins Haus steht. Plötzlich sind alte Konflikte wieder da, Mütter leiden still oder jammern, Väter reagieren polternd oder drohen mit Rauswurf, die Betroffenen reagieren mit Trotz: eben alles, was so denkbar ist. Gottlob regelt sich die Situation in den meisten Familien wieder, nicht zuletzt auch durch die „Macht des Faktischen“. Schwierig bleibt es für Konvertiten allerdings im Falle ehelicher Probleme. Sie haben nicht so sicher wie der Partner eine Familie im Rücken, auf die er sich notfalls stützen kann und haben vielleicht Sorge, das Gesicht zu verlieren ob der Warnungen, die sie noch im Ohr haben. Auch hier ist es wieder wichtig, in einer vertrauten Gemeinschaft einen Halt zu spüren und besonnene Geschwister zu kennen, mit denen man sprechen kann.
Vielleicht bringt ja jemand einmal so etwas wie ein Handbuch „Islam für Konvertiten“ heraus, wo man alles Wichtige und Richtige beschreiben und diskutieren kann. Deutschstämmige sollten unbedingt genaue Kenntnisse und viel Kontakt zum Heimatland des Partners/der Partnerin haben, auch Kontakte zur IAF (Verband binationaler Familien und Partnerschaften, Frankfurt) suchen. Überhaupt sind Kontakte zu einer Moscheegemeinde, möglichst deutschsprachig und mit vielen Konvertiten sehr, sehr wichtig. Viele Probleme, die anfänglich noch lösbar sind, verfestigen sich durch lange Isolation.
MS.de: An wen sollte man sich wenden, wenn man psychische Probleme hat?
Da gibt es eine ganze Reihe Möglichkeiten, die ich jetzt gar nicht alle aufzählen kann. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung, ob ich als eigentlich gesunder Mensch in einer Krise (Ehekrise, Erziehungsprobleme usw.) stecke oder echte Krankheitssymptome (Depressionen, Ängste usw.) habe. Die Unterscheidung ist nicht immer leicht zu treffen, und die Übergänge sind manchmal fließend. Im Falle einer Krise ist eher eine Beratungsstelle zuständig, im Falle einer Krankheit ein Psychotherapeut oder auch ein Psychiater. Daher ist der Hausarzt sicherlich eine wichtige Adresse, um sich zu orientieren. Man kann aber auch mit einer Überweisung oder gegen Zahlung der Praxisgebühr direkt zu einem Psychotherapeuten gehen, den man sich aus dem Telefonbuch gesucht hat. Hier gibt es jedoch manchmal längere Wartezeiten.
Wir haben die unterschiedlichen Möglichkeiten, an einen Therapieplatz zu kommen und die verschiedenen damit befassten Berufsgruppen in unserem Buch ausführlich dargestellt, Betroffene können sich auch dort schlau machen.
Laabdallaoui, Malika, Rüschoff, Ibrahim, Ratgeber für Muslime bei psychischen und psychosozialen Krisen, Bonn: Psychiatrie-Verlag 2005, 258 S., 14,90 €
(muslimische-stimmen de.)