Jesus und die Frauen
»Maria hat das gute Teil erwählt« (Lukas 10,41f) Warummeckert Jesus an Martha herum, die ihn doch vorbildlich bedient?
Jesus hatFrauen anders behandelt als es in der damaligen Männergesellschaft üblich war. Rabbinerhatten nur männliche Schüler, die - so der »technische« Ausdruck - »zu ihren Füßensaßen«. Es schickte sich nicht für einen Mann, mit einer fremden Frau zu sprechen. Frauenwaren aus dem öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen und an Haus und Herd gekettet.Das war nicht nur in der jüdischen Welt so, sondern auch in vielen anderenGesellschaften. Bis heute gibt es auf dieser Erde zahlreiche Kulturen, in denen sich dieRollenverteilung zwischen den Geschlechtern kaum geändert hat.
Jesus hat sichüber diese Rollenverteilung souverän hinweggesetzt. Mit der Samaritanerin amJakobsbrunnen führt er ein langes theologisches Gespräch in partnerschaftlichem Ton(Johannes 4). Nicht nur Männer folgten ihm, sondern auch »etliche Frauen«. Die erstenZeuginnen und Botinnen der Auferstehung waren Maria von Magdala und Salome.
AlsJesus ins Haus seiner Freundinnen Maria und Martha einkehrt, tut Maria etwas damalsUnerhörtes. Sie »sitzt zu seinen Füßen«, das heißt: Sie benimmt sich wie einRabbinenschüler. Martha hingegen bleibt in der angestammten Frauenrolle. Sie gönnt wedersich noch ihrer Schwester das Privileg des spirituellen Gesprächs. Gleichzeitig versuchtsie, Jesus auf ihre Seite zu ziehen und ihn zum Advokaten der traditionellenRollenverteilung zu machen: »Stört es dich nicht, dass ich hier rumrenne, und meineSchwester lässt sich's gut gehen? Sag ihr, dass sie mir helfen soll!« Aber diesen Schuhzieht Jesus sich nicht an. Er würdigt zwar die Mühe, die sich Martha macht, um ihn zubewirten: »Martha, du hast viel Sorge und Mühe!« Aber dann verteidigt er Maria, die essich gönnt, Schülerin und Dialogpartnerin des Meisters zu sein: »Maria hat (auch) etwasGutes gewählt. Das soll man ihr nicht nehmen!«
Jesus verweigert die Rolle desPaschas, der sich hinten und vorn bedienen lässt. Er gönnt auch Frauen einen gesundenAusgleich von Geben und Nehmen, wobei das Empfangen immer vor dem Geben kommt. Undaußerdem hat alles seine Zeit. Es gibt eine Zeit zum Hören und eine Zeit zum Handeln. Mankann einen anderen Menschen nicht nur dadurch würdigen, dass man ihn betüddelt, sondernnoch viel mehr dadurch, dass man ihm Zeit schenkt.