@anahita: Ich halte viel von der Möglichkeit, für mich selbst verantwortlich zu sein, ist es doch die einzige überhaupt. Ich hänge oder hing auch nie der Vorstellung an, ein wie auch immer gearteter Gott sorge für seine Schäfchen, auf daß diese sich nicht mehr placken müssten. So naiv oder theologisch unbedarft bin ich dann doch nicht.
Was ich eigentlich zum Ausdruck bringen wollte war das Mehr, das Gläubige aus ihrem jeweiligen Glauben ziehen. "Hilf Dir selbst dann hilft Dir Gott" ist nur ein kleiner Teil-Aspekt davon.
Eine, subjektiv für jemanden existierende, Gottheit bedeutet doch automatisch ein größeres Gefühl der Sicherheit, der Geborgenheit, der Wichtigkeit des eigenen Seins.
Selbst das schlimmste Übel verblasst angesichts eines bequemen Lebens nach dem Tode.
Was interessiert noch der Schrecken des unbekannten morgen, wenn es ja einen Gott gibt, der nicht zuläßt das etwas geschieht was nicht sein Wille ist, und sein Wille ist immer gut?
Ja,ich müßte nicht einmal mehr großartig selbst über Recht und Unrecht nachdenken, könnte ich doch einfach einigen vorgefertigten Geboten folgen.
Die Atheisten, die Agnostiker, die Heiden, Ketzer und Zweifler da draussen haben diesen illusionären Schutzmantel nicht.
Sie sind gezwungen jede Sekunde bis zur Neige auszukosten, kommt nach dem letzten Schließen der Augen doch nur das lange Nichts.
Sie kennen die übergroße Furcht vor dem Dunkel, dem Du, dem X, Einsamkeit, Trauer und Schmerz, -und wahrscheinlich in zerschmetternd größerem Maße- und sind gezwungen, alleine damit fertig zu werden, ohne eine Wesenheit, die durch einen Gedanken alle Pein von ihnen zu nehmen vermag (und macht sie es nicht ist es auch okay, denn ihre Wege sind ja unergründlich...).
Diese müssen sich zurechtfinden in einer chaotischen und verwirrenden Welt ohne diesen Seifenblasen-Wegweiser, sind gezwungen sich eigene Antworten zu suchen (und mit der Tatsache fertig zu werden, wahrscheinlichnie eine Antwort darauf zu finden) und müssen sich immer wieder einen höheren Sinn einreden, um nicht vor der Absurdität und Nichtigkeit der eigenen Existenz augenblicklich zu kollabieren.
Schlußendlich schaffen sie sich eigene Moral-Kodizes, denn ein Leben ohne Glauben ist nicht gleichbedeutend mit Egoismus, Chaos, Nihilismus. Und sie können nicht zurückgreifen auf vorgefertigte Moral-Hülsen, sondern müssen Gut und Böse jeden Fall aufs Neue definieren, in diesem viel zu lange dauernden Kampf ohne Schiedsrichter.
Von der Warte aus betrachtet sind die Ironie und der Zynismus, den Nicht-Gläubige Gläubigen gegenüber oftmals an den Tag legen, nicht ganz unverständlich, insbesondere wenn man bedenkt, mit welcher himmelsschreienden Paarung von Ignoranz und Arroganz so mancher gute Gläubige durch die Gegend rennt, und die Nase über jeden rümpft, der nicht mindestens so corona-gülden ist wie er selber. Und dabei nur das Placebo der Existenz für den Stein der Weisenhält.
Von daher verstehe ich auch die Wut nicht, mit der spottenden Ungläubigen begegnet wird - der Glaubens-Pöbel wähnt sich doch sowieso im Besitz der größeren Wahrheit, und darüber hinaus auch der ewgen Glückseligkeit im Paradies, oder was auch immer, ist das nicht genug? Sollte sich nicht durch Laissez-faire auszeichnen, wer sich als durch Gewissheit überlegen fühlt? Ich habe mir meinen Hohn und meinen Spott redlich verdient, ich bezahle schließlich auch einen hohen Preis dafür.
Das schließt natürlich die von Dir angesprochene Suche nach einer höheren Macht, für mich, vollständig aus. Ist meine Gewissheit, so es denn um etwas Unbeweisbares geht, nicht weniger wert, als die anderer.
Also verzeih bitte, daß ich die von Dir angesprochene Suche nach einer höheren Macht auch nicht einmal soviel wie nur streifen möchte.
Ist es nicht paradox, wie sehr ich mich an die Wahrheit klammere, obwohl hier die Lüge, Verzeihung: die Illusion des Glaubens, weitausbesser dafür geeignet wäre, mein Leben zu begleiten (zu bestimmen?)? Und das von mir
:DWahrheit und Weisheit sind halt meist unvereinbar.
Und so wie Du der Wahrheit verpflichtet bist, halte ich es da lieber mit der Weisheit (wie gut oder schlecht auch immer mir das gelingen mag).
(Schöne Schrift, btw)
Seid froh, ihr Gläubigen, und bewahrt euren Glauben gut, so irrig er auch sein mag.
Wenn schon nicht das Licht der Liebe, so soll der Neid der Gottlosen euer Antrieb sein.