Weinache schrieb:Also aus der Realität verschiedener Interpretationen folgerst du, dass es keine richtige Interpretation gibt? Ist das nicht ein Fehlschluss?
Keine in dem Sinne vorrangige ja. Am Ende geht es da um die Geschichte in einem Buch (und das ist nicht abwertend gemeint). Sowenig es die
richtige Interpretation von Goethes Faust, Nietzsches Zarathustra oder der neuesten Ausgabe von Perry Rhodan gibt, gibt es sie bei der Bibelinterpretation.
Das heißt aber nicht, das alle Interpretation gleich gut, überzeugend, sinnvoll usw. wären. Es gibt durchaus qualitative Unterschiede. Es kann aber (und im Fall der Bibel gibt es sie zweifellos) verschiedene konkurrierende Interpretation von hoher Qualität geben. Am Ende ist das einfach eine
Glaubensfrage.
Weinache schrieb:Vorhin sprachst du davon, dass niemand das Recht hat, das Christentum selber zu definieren. Gleichzeitig sagtest du aber, dass du unter Christentum jeden einzelnen Christen verstehst.
Das verstehst du falsch. Jeder kann ganz persönlich eine Meinung haben, was ein Christ ist. Nur kann er es eben nicht als unterhinterfragbaren Fakt präsentieren, es bleibt erstmal Meinung. Soll es mehr sein, muss sich auf mehr stützen. Etwa auf Nachschlagewerke (Wortgebrauch) oder wissenschaftlichen Diskurs. Es reicht in jedem Fall nicht, die eigene Meinung wiederum mit der eigenen Meinung zu begründen. Also sowas wie: Christen sind XYZ und das ist so weil in der Bibel XYZ steht. Das ist schlicht persönliche Meinung.
Meine „Definition“ von Christ/Christentum ist erstmal schlicht persönliche Meinung (und wurde von mir auch so dargestellt).
Wie gesagt ich respektiere völlig, das für dich
persönlich Christen bestimmte Glaubensinhalte teilen müssen. Ich selbst bin da aber offener, auch weil es eben derartig viele unterschiedliche christliche Richtungen gab und gibt.
Weinache schrieb:Aber findest du nicht, dass derjenige, der etwas gründet, das Recht hat, es zu definieren?
Nicht mehr als jeder andere.
Weinache schrieb:Und diejenigen, die danach kommen, müssten diese Definition, wie sie in den apostolischen Schriften überliefert sind, heraus interpretieren.
Können und nicht müssen. Gerade das schönste Evangelium nimmt sich die meisten künstlerischen Freiheiten heraus. Und schon im Urchristentum gab es gewaltige Unterschiede im Glauben.
Weinache schrieb:Und dementsprechend gäbe es dann auch eine richtige Interpretation, und zwar diejenige der Schreiber
Nein. Auch die Interpretation der Schreiber ist einfach eine Interpretation. Eine die glaubwürdiger oder sinnvoller sein mag, als manch andere. Aber mehr auch nicht. Sie ist nicht durch die Autorität des Schreibers „objektiv wahr“. Das gilt so für alle Geschichten, Goethes Interpretation von Faust ist nicht die einzig wahre.
Weinache schrieb:Perversionen findest du überall, in allem möglichen, und bei sowas dann erst recht. Vor allen, da es in diesen Schriften auch explizit vorausgesagt wird.
Wer sagt dir, das deine persönliche Interpretation nicht „pervers“ ist? Du bist weder Apostel noch Jesus persönlich. Du
glaubst das sich deine Meinung mit deren deckt. Du
glaubst das du die Interpretation von Menschen die vor zweitausend Jahren lebten richtig erfasst hast.
Und das vermutlich auch noch ohne wirklich Koryphäe oder auch nur Experte der damaligen Zeit, Sprache oder Kultur zu sein. Es ist einfach anmaßend und du merkst es nicht mal.
Weinache schrieb:Und das hier glaube ich dir aufs Wort, das war eben wie ein Schlag ins Gesicht, das zu lesen. Und das tut mir Leid. So sollte das nämlich nicht sein. Wahres Christentum ist ein heiliges Christentum, und ich würde dir das dann anhand der Schrift beweisen, oder anhand der Geschichte der Kirche (und damit meine ich sicher nicht die römisch-katholische).
Es ist nichts schlechtes daran einfach nur Mensch zu sein. Im Gegenteil, gerade das zu akzeptieren (das Menschen scheitern können und dass das okay ist) ist eine der Stärken christlicher Weisheit m.E..
Und sowas müsste sich im konkreten Handeln zeigen, nicht in der Schrift oder in einer imaginierten „wahren Kirche“. Menschen bleiben Menschen, egal was sie lesen, ob die Bibel oder das kommunistische Manifest.