@huramabihuramabi schrieb:Bedeutet aber auch nicht, dass sie es nicht taten. Ich will ja gar nicht behaupten, dass sie Lügen über ihn verbreiteten und ihm was unterschoben, weil ich das nicht weiß. Man sollte es nicht jedoch unbedingt ausschließen. Jedenfalls muss man sich auf Quellen aus 2. Hand verlassen, was Abu Hanifa angeht.
Wie viel Sinn macht es ohne Beweise zu reden und auf Vermutungen seine Argumentation aufzubauen? Wo ist jetzt der Unterschied zu einigen Kritikern die meinen der Quran den Uthman ra. "vertrieben" hat ein anderer war als der des Propheten s.a.w.? Und sie reden genauso ohne Beweise oder bauen ihre Argumentation auf Vermutungen auf oder auf Belegen die sehr schwach sind? Das ist nicht böse gemeint, aber wichtig ist doch Dinge belegt anzunehmen oder abzulehnen.
Nehmen wir an es ist nichts von Abu Hanifa erhalten und alles über ihn ist erlogen und erstunken. Schließt das aus das die Arbeiten seiner Schüler anerkannte Rechtsmethoden enthalten und nachfolgende Generationen davon profitieren? Nein! Definitiv nicht und das kann man auch gerne nachprüfen.
Nicht zu vergessen das sich auch einige Wissenschaftler wie Al-Kauthari die Mühe machten Zitate die Abu Hanifa zugeschrieben wurden als gefälscht zu deklarieren.
"Die Echtheit der Abu Hanifa beigelegten Bücher ist eine schwierige literaturhistorische Frage. Man neigt zu der Ansicht, daß Abu Hanifa kein Buch verfaßt habe (s. Th. W. Juynboll, EI, 96; J. Schacht, EI, I, 123. Wie kann man sich aber vorstellen, daß Abu Hanifa, der als Begründer eines juristischen madhab gilt, überhaupt kein Buch verfaßt hat, während doch schon unter seinen Lehrern Verfasser von Büchern waren und Zeitgenossen in verschiedenen islamischen Ländern zahlreiche nach Kapiteln angeordnete Bücher schrieben?
Zudem sind uns einige Mitteilungen von Zeitgenossen über seine Bücher erhalten. (Siehe Tarih Bagdad XIII, 342) von Abu Muslim Al-Mustamli.
Wir hören sogar, Sufyan At-Tauri (161/778), der Begründer eines eigenen madhab, der "K. Ruhun" Abu Hanifas einmal abschrieb. Al-Auzai (st. 157/774), dem Begründer eines anderen madhab, der Abu Hanifa noch nicht genau kannte und ihn unterschätzte, zeigte 'Al. B. Al-Mubarak (st. 181/797) eines der Bücher von Abu Hanifa, welche er besaß (Siehe Tarih Bagdad XIII, 338). Derselbe 'Al b. Al-Mubarak erklärte das dem Abu Hanifa zugeschriebene K. al-Hiyal für unecht. (Siehe Eb. 426-427).
Was die Frage anbelangt, auf welche Art Abu Hanifa seine Bücher verfaßte so spricht nichts dafür, daß er dies anders als seine Zeitgenossen machte, wie bereits im Kapitel "Hadit" sehen haben. Die Merzahl der von ihm erhaltenen Bücher scheinen Bearbeitungen seiner Schüler zu sein. Aber zumindest die Risala an 'Utman Al-Batti (st. 143/760), eine Verteidigung des "irga'", muß von Abu Hanifa selbst redigiert worden sein."
Quelle: "Geschichte des arabischen Schrifttums" Vol I, S. 409-410
huramabi schrieb:Wenn man sich ansieht, dass die erste große Ahadithsammlung von Imam Buchari fast 200 Jahre nach dem Propheten Muhammed gesammelt wurde, sollte man eventuelle Falschüberlieferungen nicht ausschließen.
Es ist eigentlich klar das die Hadithe schon zu Lebzeiten des Propheten s.a.w. gesammelt wurden und auch unter den frühen Tabiun. Die ältesten Quellen berichten uns davon. Es sind sogar Gedichte aus der vorislamischen Zeit erhalten, die teilweise verschriftlicht wurden. Wenn das der Fall bei solch teilweise unwichtigen Schriften ist, wie ist es wohl bei den Sammlungen über das Leben des Propheten s.a.w.?
Die schriftliche Fixierung wird einwandfrei in der oben genannten Quelle "Geschichte des arabischen Schrifttums" belegt und selbst das Thema in Bezug auf die "Isnade" erläutert und eindeutig belegt.
Die ersten Sammlungen waren die sogenannten "Sahifa" oder "Juz" (Kitabat al-hadit) in einfachen Heften. Dem widersprechen auch nicht Orientalisten. Ignaz Goldzieher der sich diesem Thema ein wenig angenommen hat widerspricht dem auch nicht!
Später erfolgte die Zusammenstellung der zerstreuten Aufzeichnungen. Das geschah letzten Viertel des 1. Jahrhunderts und im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts (tadwin al-hadit).
Erst danach ab 125 h. kam das Anordnen der Hadithe nach Kapiteln (tasnif al-hadit).
(Nachzulesen in dem oben angegebenen Werk)
Al-Bukhari hat seine Überlieferungen nicht aus der Luft gegriffen oder erfunden, sondern profitierte aus den bereits bestehenden Sammlungen und Schriften wie von den bekannten "Sahifa". Die Quellen At-Tabaris und von Imam Muslim sind noch älter als die von Al Bukhari verwendeten. Das nebenbei bemerkt.
Die Quellen aus denen al-Bukhari profitierte waren z.B. die von Muhammad ibn Sirin, Az-Zuhri, Sufyan bin Uyayna, Said ibn Jubair etc. Nachzulesen in "Die Quellen des Bukhari" (türk. Ausgabe von F. Sezgin)
Darunter befinden sich Personen die weit vor ihm gelebt haben.
huramabi schrieb:Andere Sammlungen kamen noch später.
Die ja auch nichts anderes waren als Zusammentragungen älterer vorhandener Sammlungen sind. In den ganzen Sammlungen wirst du auch so einige Übereinstimmungen finden.
huramabi schrieb:Ich lehne die Steinigung aus Gewissensgründen ab, aber das hat nichts mit meinem Kulturkreis, in welchem ich aufwuchs, zu tun. Wie ich schon in einem vorgegangen Beitrag erwähnte, beurteile ich diese Dinge nach meinem Herzen. Und ich wage zu behaupten, dass mein Herz auch in Zeiten eines Imam Schafi'i solche Bräuche abgelehnt hätte. Göttliche Moral bleibt gleich und ändert sich nicht.
Nicht das ich dir was unterstellen möchte. Sicherlich nicht. Es gibt aber im Koran noch einige Strafen die erwähnt werden die sich mit unserem Moralverständnis nicht decken. Genauso auch Feldzüge.
huramabi schrieb:Wie ich las, sind die Quellen der Rechtsfindung bei Sunniten folgende:
1. Qur'an
2. Sunnah
3. Übereinstimmung der Ummah (Idschmah)
4. Analogieschluß (Qiyas)
Wohingegen nach schiitisch-dschafaritischer Rechtsauffassung an 4. Stelle der Aql (Verstand) steht, also der Vernunftsschluß anstatt des Analogieschlußes. Das sagt mir ehrlich gesagt auch mehr zu.
Den Verstand musst du ohnehin benutzen bei der Ableitung von Rechtsnormen.
Rechtswissenschaft ist kein System indem man Quellen hinklatscht, sondern begründen erklären des "Warum" und "Weshalb" ist auch erforderlich. Selbst beim qiyas musst du den Verstand benutzen.
Deswegen weiß ich persönlich nicht was der sog. "Vernuftsschluss" ist und dementsprechend kann ich dazu nichts sagen.
huramabi schrieb:Auf einer schiitischen Seite wird in Bezug auf den Analogieschluß erwähnt:
"So hat Imam Sadiq (a.) in einem bekannten Disput mit seinem Schüler Abu Hanifa diesen danach befragt, was denn schmutziger sei, Kot oder Samen. Auf die richtige Antwort, dass es der Kot ist, fragte Imam Sadiq (a.) dann aber, warum man bei Ausscheidung des schmutzigeren die rituelle Waschung [wudhu] aber bei Ausscheidung des weniger schmutzigen die rituelle Vollkörperreinigung [ghusl] durchführen müsste. Mit dem Beispielt wollte Imam Sadiq (a.) seinem Schüler Abu Hanifa die extrem begrenzte Anwendbarkeit des Vergleichsschlusses verdeutlichen, was letzterer aber nicht akzeptierte. "
Wie siehst Du das?
Ich bin immer sehr vorsichtig bei irgendwelchen Manaqib (Erzählungen) über Gelehrte. Es gibt auch einige über Abu Hanifa ra. die sich als falsch herausgestellt haben und die auch in Büchern der Sunniten auftauchen (wie z.B. der Ihya von Ghazzali).
Bei Imam Sadiq ra. bin ich noch skeptischer, weil seine Werke bisher nach der Richtigkeit bzw. korrekten Überlieferung noch gar nicht überprüft wurden.
"Die Echtheit der Gafar zugeschriebenen Schriften muss noch untersucht werden" (die gleiche Quelle wie oben angeführt).
Zu deiner Frage was ich davon halte. Ich kann zum einen die Richtigkeit solch einer Aussage nicht überprüfen.
Weiterhin weiß ich auch nicht ob die Gelehrten über solche philosophieren was nun schmutziger sein soll, da im Koran und in der Sunnah ohnehin erwähnt wird, was eine Vollwaschung (Ghusl) und was eine rituelle Waschung (Wudhu) nötig macht.
Die Aussage von Imam Jafar ra. in diesem Kontext kann man nur als ein "herausfiltern einer Weisheit" bzw. ein erläutern des "warum" bezeichnen, die eigentlich die im Koran und in der Sunnah erwähnte Norm in keinster Weise beeinflusst noch verändert, da die Quellenlagen in diesem Punkt eindeutig ist! Deshalb hat das gesagte rechtsspezifisch überhaupt keinen Einfluss.
Ähnlich verhält es sich "warum" bei der Erbverteilung der Mann in bestimmten Fällen 2/3 erhält und die Frau 1/3. Das sind feststehende Normen. Die Erklärung des "warums" beschreibt dazu eigentlich nur die Weisheit...
huramabi schrieb:Ja, das ist mir schon klar, dass in den Moscheen Personen aufzufinden sind, die unterschiedlichen Rechtsschulen folgen. Aber wäre doch trotzdem schön, wenn jeder die gleiche Rechtsauffassung hätte und die Rituale gleich ablaufen würden, meinst Du nicht? Aber überbewerten will und tu ich das jetzt auch nicht.
Ja, ich verstehe deine Bedenken. Ich empfinde diese Vielfalt mehr als eine Gnade und eine Bereicherung. Es gibt nunmal innerhalb der Normen einen kleinen Spielraum:
"Nach der Methodik des Fiqh erfolgt Idschtihad (die Ableitung der Normen) für die genannten Teilbereiche der Schari’a unter Bezug auf Quran- und Sunna-Texte sowie unter Anwendung der von der Schari’a zugelassenen Modi (Idschma’/Konsens, Qiyas/Analogieschluß, usw.)
Der Interpretationsspielraum, der bei dieser selbständigen Urteilsfindung (unter Beachtung aller Regeln) durch die islamischen Gelehrten ausgenutzt werden konnte, führte wegen der individuell unterschiedlichen Verfahrensweise und der unterschiedlichen Denkansätze zur Entwicklung verschiedener “Denkrichtungen bzw. akademischer Lehrmeinungen”, die als Fiqh-Schulen bezeichnet werden (s. u.).
Die Fiqh-Wissenschaft beschäftigt sich nicht mit der spirituellen und ethischen Ebene des Lebens wie den “Iman-Inhalten” und der Ethik- und Morallehre, da die Schari’a-Normen in diesen Bereichen auf eindeutigen Quellentexten beruhen, die eine selbständige Urteilsbildung ausschließen."
http://www.enfal.de/grund19.htmSelbst zur Zeit des Propheten s.a.w. gab es unterschiedliche Meinungen in Bezug auf Themen die das "Recht" betreffen:
Abdullah Ibn `Umar, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete:
Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, kündigte unter uns an jenem Tag an, an dem er von der Schlacht von Al-Ahzab (den Parteien) zurückkehrte: Keiner soll das Mittagsgebet an einem Ort verrichten, außer bei Banu Quraiza. Manche Leute befürchteten, daß die Zeit verginge, bevor sie Banu Quraiza erreichten, und das Gebet zur rechten Zeit nicht verrichten konnten. Deshalb verrichteten sie das Gebet, bevor sie Banu Quraiza erreichten. Andere sagten: Wir werden das Gebet nur da verrichten, wo es uns der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, zu verrichten befahl, auch wenn wir es versäumen würden. Er (der Prophet) wies keine der beiden Gruppen zurecht.
Nummer des Hadith im Sahih Muslim [Nur auf Arabisch]: 3317
Das ist etwas was man als "Idschtihad" bezeichnen könnte.
huramabi schrieb:Es kann gut für jemanden sein, der sich nicht die Mühe machen will, den Dingen selbst auf den Grund zu gehen, solchen Traditionen zu folgen. Das soll jeder so halten, wie er es möchte. Aber ich halte es dann eher so, dass ich mir selbst ein Bild machen möchte.
Es gibt viele Angelegenheiten die so eine Jurisprudenz erfordern. Du wirst vielleicht die sog. "Methoden" nicht im Koran finden aber sehr viele Angelegenheiten aus dem Koran und aus der Sunnah wieder finden, die sich mit Themen wie Eherecht, Scheidung, Stiftungswesen, Vertragsrecht/-form, Testament, Hajj, Gebet, Gebet auf der Reise, Zakat (+ betroffene Personen, Vermögenswerte) etc. im Koran und in der Sunnah finden.
Das sind unmittelbar Dinge die einen früher oder später als Muslim betreffen und da spreche ich aus Erfahrung und der eine oder andere praktizierende Muslim genauso.
Ich persönlich spreche nicht die arabische Sprache, noch kenne ich die damalige Tradition gut genug und habe eingehend und intensiv diese Themen durchgekaut. Da es nicht im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Ich empfinde es aber als Bereicherung das kompetente Personen sich diesen Themen angenommen haben und es dem einfachen Muslim erklärt haben. Und dazu noch einfach erklärt und aus den Quellen belegt.
huramabi schrieb:Man sollte auch nicht immer nur in Schriften suchen, sondern vorallem in sich selbst lesen.
Das äußere führt aber zum inneren. Hingabe führt zu Zufriedenheit und einer Annäherung zu Allah. Was meinst du warum Allah uns ein Gebet aus Verbeugung und Niederwerfen vorschreibt? Praktisch eine äußere Handlung.
Durch das Bewegen in dem von Allah vorgeschriebenen Rahmen spricht man erst von Hingabe...
huramabi schrieb:Die größten Gelehrten sind nicht die reinen Intellektuellen, die alles nur aus Schriften ableiten und daraus Vergleiche ziehen, nicht die ganzen Theoretiker, sondern diese, die sich selbst erkannt haben.
Nur mal so nebenbei. Ich kenne so einige Gelehrte die sowohl in den klassischen Wissenschaften große Autoritäten waren, aber gleichzeitig auch anerkannte Größen unter den Mystikern waren und die bedeutende Schriften auf diesem Gebiet hinterließen. Selbst ein Imam Ahmad...
Die frühislamischen Mystiker waren sehr stark in der Einhaltung der vorgeschriebenen Pflichten, da das überhaupt die Grundlage für jeden Weg innerhalb der islamischen Mystik bildet.
huramabi schrieb:Heutzutage wird viel zu oft nur auf das Äußerliche Wert gelegt und es wird daraus eine viel zu komplizierte Wissenschaft gemacht. Aber so kompliziert ist die Religion eigentlich ganz und gar nicht, wie sie heute gemacht wird. Und manch einer, der nicht lesen und nicht schreiben kann, steht der Wahrheit näher, als jemand der 1000 Schriften studiert hat, aber dem das innere Wissen fehlt.
Der Islam berücksichtigt beides. Schließlich baut unsere Welt auf innen und außen, auf Diesseits und Jenseits auf. Der Koran spricht sowohl über den Iman/Glauben als auch über inhalte die das alltägliche Leben des Muslims betreffen und setzt Pflichten, Normen, Empfehlungen und Verbote als Richtschnur und Leitung.