Der Koran hat Recht, die Bibel nicht?
11.11.2007 um 17:55
Matthäusevangelium
Dieses zwischen 70-90 n.Chr. entstandene Evangelium stellt praktisch die Fortsetzung des alten Testaments dar und wurde geschrieben, um zu beweisen, dass Jesus (as) die Geschichte des Volkes Israel vollendete, wie die Autoren der Ökumenischen Bibelübersetzung anmerken. Matthäus beruft sich immer wieder auf das Alte Testament, um zu zeigen, dass sich Jesus (as) wie der von den Juden erwartete Messias verhält. Wie wir nun schon zu Genüge gesehen haben ist das Evangelium nichts anderes als ein Bericht über das Leben Jesus (as), der aus bestimmten persönlichen Motiven entstand und dementsprechend verwundert nun der Charakter dieses Evangeliums als „Kampfschrift“ zur Überzeugung der noch unschlüssigen Juden von der Wahrheit der Sendung Jesu (as), überhaupt nicht.
So wendet sich der Jesus (as) des Matthäus in erster Linie an die Juden und trägt seinen Jüngern das Meiden der Samariter auf. Er sei nur zu den „verlorenen Schafen des Volkes Israel gesandt“ worden und nicht zu den Heiden.
Zu der Person des Matthäus sei folgendes Zitat der Ökumenischen Bibelübersetzung angeführt: „(...) Gemeinhin nimmt man an, dass es in Syrien niedergeschrieben wurde, vielleicht in Antiochien (...), oder in Phönizien, denn in jener Gegend lebt eine große Anzahl Juden (...).“ „Da man den Namen des Autors nicht genau kennt, ist es angebracht, sich mit einigen Anzeichen zu begnügen, die er selbst im Evangelium skizziert: Er ist in den jüdischen Schriften und Traditionen bewandert, kennt und achtet die religiösen Oberhäupter seines Volkes, die er allerdings auch rüde ins Gebet nimmt, er ist Meister der Kunst des Predigens wie auch darin, Jesus (as) seinen Hörern verständlich zu machen, und er betont stets die praktischen Konsequenzen seiner Lehre. So würde er sehr gut dem Bild eines jüdischen Gelehrten entsprechen, der Christ geworden ist (...).“ Die gemeinhin verbreitete Vorstellung Matthäus alias Levi wäre „Zollbeamter“ gewesen, der von Jesus (as) zu einem Jünger gemacht wurde erscheint dementsprechend sehr unwahrscheinlich.
Geschichte der Entstehung der Evangelien
Im Allgemeinen gehen die Bibelexegeten davon aus, dass die vier Evangelien von Matthäus, Lukas und Markus auf einem unbekannten gemeinsamen Schriftstück, der Synopse basieren. Das Johannesevangelium fällt dabei in vielen Fällen aus dem Rahmen und wird deswegen als einen „Fall für sich“ angesehen.
Bei der Betrachtung der drei synoptischen Texte kann über einen Vergleich der gemeinsamen Verse bei den drei „synoptischen Evangelien“ geschlossen werden, dass Matthäus und Lukas das Markusevangelium verwendeten und Lukas noch zusätzlich das von Matthäus.[8]
Wie schon ausführlich dargestellt stützten sich die Evangelisten dabei auf vor ihnen verfasste Schriften, mündliche Überlieferungen und Traditionen ihrer Gemeinde, um aus ihrem Blickwinkel (judeo-christlich oder konvertiert) eine theologische Schrift für ihre Gemeinde zu verfassen.
In jüngerer Zeit wurden ausführliche Forschungen über den Zusammenhang und den Ursprung der Evangelien angestellt, die zu komplexen Theorien führten, wie der Theorie der „zwei Quellen Holtzmanns“ (1863) oder der „zwei Quellen-Theorie“ von Pater Boismard der Bibelschule zu Jerusalem, die hier der Einfachheit halber nur mit ihrem Namen erwähnt werden.
Diese Theorien zeigen allerdings alle, dass die vier Evangelien (und andere heute verschollene Dokumente, sogenannte Apokryphen) keineswegs etwa aus einem Zug göttlich inspiriert entstanden, sondern sie waren einem langen Prozess der Veränderung, Hinzufügung und des Weglassens, bis viele Jahrhunderte nach Christus, unterworfen. Nach der Entstehung der sogenannten Urtexte kam es also auch noch Jahrhunderte danach, durch Fehler von Kopisten und Übersetzer, durch Hinzufügen von „erklärenden Zusätzen“, durch „Harmonisierungen“ der vier Evangelien durch besonders aufmerksame, fromme Kirchenmänner oder einfach durch den Verlust von Teilen der Schriften, zu einer ständigen Veränderung der sogenannten heiligen Bücher. Besonders ausgeprägt war dieser Vorgang bis zur ersten Festlegung der Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes als der sogenannten „Kanonischen Bücher“ im Jahre 170 durch das „Muratorische Kanon“ nach Christus. Aber auch danach lassen sich in ihrer Bedeutsamkeit unterschiedliche Manipulationen am „Urtext“ nachweisen.[9] Es sei angemerkt, dass erst nach dem Konzil von Hippo (393) und dem Konzil von Karthago (397) die endgültige Sammlung der kanonischen Bücher festgelegt wurde, was ein weiteres Mal die Lehre von der „göttlichen Inspiration“ der Kirchenmänner widerlegt, denn wie könnte eine göttliche Inspiration des Konzils Fehler machen, die in späteren Konzilen „korrigiert“ werden müsste?! Bis heute werden Veränderungen an der Bibel vorgenommen und Inhalte dem „Zeitgeist“ angepasst.
Die Manipulation der Evangelien und anderer Bücher haben inzwischen die meisten christlichen Theologen als Faktum anerkannt, wie Pater Boismard der Bibelschule zu Jerusalem in seinem Buch „Synopsis der vier Evangelien“ in einem hochbrisanten Statement zugibt:
„[... ], die Formen der Worte oder Berichte, die sich aus einer langen Entwicklung der Überlieferung ergaben, sind nicht ebenso authentisch, wie jene, die sich am Ursprung finden. Einige Leser dieses Werks werden vielleicht überrascht oder unangenehm berührt sein, wenn sie erfahren, dass das eine oder andere Wort Jesu, die eine oder andere Parabel, die eine oder andere Ankündigung seines Schicksals nicht so ausgesprochen wurden, wie wir sie lesen, sondern, dass sie von denen, die uns übermittelten, überarbeitet und angepasst wurden. Für jene, die nicht an diese Art historischer Forschung gewöhnt sind, mag hierin vielleicht eine Quelle des Erstaunens, wenn nicht gar des Skandals liegen.“
Apokryphen
Wie der ein oder andere Leser wissen mag, wurden nicht nur die heute von der Kirche als „kanonisch“ festgelegten Evangelien und Texte verfasst, sondern tatsächlich Hunderte von weiteren Schriften über Jesus (as) und Christentum. Allerdings wurden sie von der frühen Kirche nicht in den Bestand der „kanonischen Schriften“ aufgenommen und zu einem großen Teil sogar vernichtet! Diese Schriften werden auch „Apokryphen“ genannt, d.h. die Versteckten. Genüsslich werden zur Abgrenzung vom Kanon aus diesen Schriften phantasievolle Passagen zitiert, doch dabei vergessen die Autoren, dass es genau solche Passagen auch bei den „kanonischen“ Evangelien gibt, wie z.B. die übertriebene phantasievolle Beschreibung bei Matthäus beim Tode Jesu (as).[10] Diese Erzählung taucht nur bei Matthäus auf und es ist unverständlich, wie die Heiligen am Tag des Todes von Jesu (as) (Vorabend des Sabbat, nach den Evangelien) hätten auferstehen, aber erst nach seiner Auferstehung aus den Gräbern treten sollen (am Tage nach dem Sabbat, auch nach den Evangelien). Es ist sicherlich kein Zeichen der Stärke, dass in christlichen Kreisen über diese offensichtlichen Phantasieerzählungen kollektiv geschwiegen wird...
Zum Abschluss sei noch das Zitat über „Varianten“ der Evangelien von Oscar Culmann in seinem Buch „Das Neue Testament“ angeführt, die das Dilemma um die Geschichte und die Manipulation der Evangelien zusammenfasst:
„Diese wurden oft durch unabsichtliche Fehler verursacht: der Abschreiber hat ein Wort ausgelassen oder im Gegenteil, es zweimal hintereinander geschrieben, mitunter auch wurde ein Satzteil durch Unachtsamkeit ausgelassen, weil er im Ursprungsmanuskript zwischen zwei identischen Wörtern stand. Mitunter finden sich absichtliche Korrekturen: entweder hat es sich der Abschreiber gestattet, den Text nach seinen eigenen Ideen zu korrigieren oder er suchte diesen mit einem parallelen Text in Einklang zu bringen und hat mehr oder weniger geschickt die Abweichungen verkleinert. Je mehr sich die Schriften des Neuen Testamentes vom Rest der frühchristlichen Literatur lösten und als Heilige Schrift betrachtet wurden, um so mehr zögerten die Abschreiber, sich Korrekturen wie ihre Vorgänger zu erlauben: jeder glaubt, den authentischen Text abzuschreiben und so entstehen die Varianten. Schließlich schreibt mitunter ein Abschreiber eine Randbemerkung neben den Text, um eine dunkle Stelle zu erläutern. Der nächste Abschreiber meint, diese Randbemerkung sei von seinem Vorgänger im Text ausgelassen worden und hält es für nötig, sie in den Text aufzunehmen. So wird der neue Text oft noch dunkler.“
Bilden die vier Evangelien eine Einheit?
Oftmals stellen christliche Apologeten die vier Evangelien als eine Einheit vor, dessen einzelne Elemente sich zu einem Ganzen ergänzen. Kann diese Vorstellung mit der Wahrheit um die Inkohärenz der vier Evangelien unter einander vereinbart werden? Wir haben schon Widersprüche zwischen diesen vier Büchern angesprochen, doch betrachten wir nun dieses Thema ausführlicher mit Hilfe des folgenden Zitates:
„Bei den Synoptikern beruft Jesus seine ersten Jünger nach der Verhaftung des Täufers, bei Johannes vorher. Bei den Synoptikern beruft er sie in Galiläa, bei Johannes in Judäa. Bei den Synoptikern trifft er sie am See Genezareth beim Fischfang, bei Johannes als Jünger von Johannes dem Täufer. Laut Markus tritt Jesus nach der Gefangennahme des Täufers durch Herodes öffentlich auf, im Johannesevangelium hat Jesus zeitweise gemeinsam mit dem Täufer gewirkt. Die Tempelreinigung, die bei Matthäus und Lukas am ersten, bei Markus am zweiten Tag nach Jesu Einzug in Jerusalem erfolgt, jedenfalls bei allen Synoptikern gegen Ende seiner öffentlichen Tätigkeit, erfolgt bei Johannes am Anfang derselben. Bei Markus bildet Jesu Salbung in Bethanien den Abschluss seines Wirkens in Jerusalem, bei Johannes geschieht sie schon vor Jesu Einzug in die Stadt. Bei Markus verbirgt Jesus seine messianische Würde bis in seine letzten Lebenstage, bei Johannes erscheint er im ersten Kapitel als Messias und verlangt auch überall als solcher anerkannt zu werden. Noch nicht einmal im Datum der Kreuzigung stimmt Johannes mit den Synoptikern überein.“ [11]
Dieser Text zeigt einige der Widersprüche der vier Evangelien auf – viel mehr könnte noch erwähnt werden! Gleichzeitig widerlegen diese eklatanten Gegensätzlichkeiten die Behauptung, die vier Bücher würden eine sich ergänzende Einheit bilden. Vielmehr erinnern sie an ein Chaos, das den Leser mit gemischten Gefühlen zurück lässt – und ihn mehr verwirren, als dass sie ihm das Leben Jesus (as) wahrheitsgemäß näher bringen können.
Bei der Betrachtung des Inhalts verwundert es ebenfalls, dass „Johannes“ die Einsetzung der Eucharistie, einem Hauptelement der christlichen Lehre, nicht erwähnt! Wie kann ein so zentrales Element „vergessen“ werden? Auf der anderen Seite finden sich bei „Johannes“ Berichte, die in den anderen Evangelien in dieser Form nicht auftreten, oder in eine andere Chronik und andere Umstände versetzte Berichte. So gibt es bei „Johannes“ einen Bericht über einen wiederauferstandenen Jesus (as), der seinen Jüngern am Ufer des Sees Tiberias erscheint, was merkwürdigerweise nur eine Wiederholung des wunderbaren Fischzuges ist, den Lukas (5,1-11) als Episode zu Lebzeiten Jesu (as) beschreibt. Wie glaubwürdig sind im Hintergrund dessen dann letztendlich die z.T. unglaublichen Berichte der Evangelisten über Jesus (as)? Welche Bedeutung können sie überhaupt noch für sich beanspruchen?
Es kann durchaus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Worte Jesu (as) von den Evangelisten entsprechend ihrer eigenen Motive und Bildung unterschiedlich, ja gegensätzlich wiedergegeben wurden. Aufgrund dessen scheidet eine einheitliche „göttliche Inspiration“ definitiv aus. Selbst der Theologie Pater Rouget stellt die Frage, inwieweit das Johannes-Evangelium überhaupt noch die Reden Jesu (as) wiedergibt, oder ob da nicht der Autor Johannes selbst spricht. Versuche von gewissen christlichen Gruppierungen die Authentizität der Bibel darin zu sehen, dass trotz vollkommen unterschiedlicher Autoren eine „wundersame Einheit voller Harmonie (sic)“ entstand, müssen, wie schon erwähnt, verworfen werden angesichts der zu offensichtlichen Widersprüche.