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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

119 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gott, Religion, Philosophie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 09:06
Ich hab den Thread schon mal gesehen, aber die Rubrik hat mich wenig gereizt. Jetzt hab ich einen Link dazu bekommen:

Depressionen (Seite 98) (Beitrag von Laura_Maelle)

und dadurch Zugang zu ihm bekommen und ihn nochmal gelesen. Danke @Laura_Maelle :D

Aber nun, was soll ich da groß sagen?
"Seneca, Epistulae morales I, V schrieb:Dass Du Dir beharrlich Mühe gibst und, ohne Dich um alles andere zu bekümmern, nur das eine im Sinn hast, Dich täglich zu bessern, billige ich und freue mich darüber; und nicht nur ermahne ich Dich, so weiterzumachen, sondern ich bitte Dich sogar darum. Davor aber warne ich Dich, nach Art derer, die nicht fortschreiten, sondern sich zur Schau stellen möchten, etwas zu tun, was an Deinem Äußern oder Deiner Lebensweise Aufsehen erregen könnte.
Ich bin mit Seneca groß geworden, Stoizismus war lange Zeit mein Ideal, aber wie er selbst bin ich Eklektiker geworden. Zuletzt hat es mich mehr und mehr zu Epikur hingezogen. λάθε βιώσας! lathe biōsas! lebe im Verborgenen! ist eine Maxime, deren Prägnanz und lebenspraktische Weisheit mich zusehends in ihren Bann zieht. Das lässt sich natürlich auch stoisch untermauern:
"Seneca, Epistulae morales I, VII schrieb:Was Du nach meinem Dafürhalten hauptsächlich meiden sollst, fragst Du: Die Menge. Noch nicht wirst Du Dich ihr gefahrlos anvertrauen. Ich wenigstens werde meine Schwäche bekennen: Niemals bringe ich meinen Charakter, den ich (in die Öffentlichkeit) hinausgetragen habe, (unverändert) wieder zurück; etwas von dem, was ich geordnet habe, gerät durcheinander, etwas von dem was ich verscheucht habe, stellt sich wieder ein. (...)
Verhängnisvoll ist der Umgang mit vielen. Es gibt niemanden, der uns nicht irgendein Laster empfiehlt oder aufdrückt oder ohne unser Wissen anhängt. Jedenfalls, je größer die Volksmenge ist, unter die wir uns mischen, um so größer ist die Gefahr.
Nichts aber ist so schädlich für einen guten Charakter, wie bei irgendeinem Schauspiel mühsig dazusitzen.
Darum hab ich auch die vielen Videos nicht angeschaut, obwohl ich es sehr schätze, dass sie so schön geordnet und dem Interessierten zugänglich gemacht sind. Vielleicht ein Einstieg für den ein- oder anderen? :D


Mich wundert nur ein bisschen, dass Du, @Laura_Maelle , für die Zeitplanung ausgerechnet "Über die Gemütsruhe" von Seneca empfohlen hast, "Von der Kürze des Lebens" ist doch viel naheliegender. Letzteres war mein erstes Buch in diese Richtung, ersteres
ist so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann. Da wirds mal wieder Zeit! So gesehen wars vielleicht doch ganz gut, dass Du's erwähnt hast. ;)


Jo, ansonsten: Heil Cäsar und alles andere! :D


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 09:40
@Ptoliporthos
Den Thread hier habe ich nicht gegründet, aber ich freu mich natürlich, Gleichgesinnte zu finden. Marc Aurel ist zwar eher mein Favorit, aber Senecas Rede über die ZEIT hat mich sehr bewegt.

Mir gefällt Seneca, aber er macht sich teilweise wirklich sehr viele Gedanken über Dinge, die für mich einfach nicht von Bedeutung sind. Das liegt sicher daran, dass er eine Persönlichkeit der Öffentlichkeit darstellte und gewissen Eitelkeiten ausgesetzt war, während ich in die Welt der kleinen Leute gehöre, die immer nur das Minimum hatten und denen diese Art, von sich selbst so viel Aufhebens zu machen, fremd bleibt. In der Armut sind alle gleich, so wie im Tod. Da geht es mehr um die nützliche Anwendbarkeit des Stoizismus.

Meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Stoizismsus findest Du in meinem Allmy-Blog:
https://www.allmystery.de/themen/uc166024

Meine Eltern haben mir zwar die Werte der Stoiker vorgelebt und viele der Klassiker, die in ihrer Bibliothek zu meiner Verfügung standen, wurden von den Stoikern beeinflusst, aber so ganz bewusst war mir das in meiner Jugend noch nicht, denn ich mied die Philosophie, fand diese zu beliebig, war eher bibelorientiert und später spirituell orientiert.

Aber als ich mich mit dem Juristischen befasste, stieß ich auf die Rechtsphilosophie, und das fand ich dann schon sehr spannend in dieser pragmatischen Anwendung. Auf den Stoizismus kam ich über die Bibel, weil einige biblische Gestalten eine stoische Haltung einnahmen. In einem wissenschaftlichen Online-Bibellexikon wurde denn auch öfter auf Parallelen zu den Stoikern verwiesen.

Außerdem wandte ich zu der Zeit auch gerade erfolgreich die Lebensweise des Minimalismus an und suchte eine Vertiefung dessen über einige Coaching-Artikel, was mir den Verweis auf den Stoizismus erbrachte. Auf einmal wiesen mehrere Wegweiser in meinem Leben auf den Stoizismus als die von mir gesuchte Essenz hin hinter den für mich widersprüchlichen Religionen und Philosophien. Ich wollte im Zuge des inneren Minimalismus alles auf einen für mich gemeinsamen ethischen Nenner bringen. Und das ist mir auch gelungen.

Ich bin damit sehr zufrieden und werde auch beim Stoizismus bleiben. Er funktioniert.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 10:33
Zitat von Laura_MaelleLaura_Maelle schrieb:Ich bin damit sehr zufrieden und werde auch beim Stoizismus bleiben. Er funktioniert.
Das ist die Hauptsache und das ist prima! :D

Aber ich für mich sehe halt nicht ein, warum ich mich selbst limitieren soll. Das ist ja nicht wie bei Religion oder Harry Potter oder Star Wars, wo man an den falschen Gott glauben, die falsche Schule besuchen oder auf der falschen Seite stehen kann.
Zitat von Laura_MaelleLaura_Maelle schrieb:ich mied die Philosophie, fand diese zu beliebig, war eher bibelorientiert
Denn das was Du hier als Schwachpunkt kritisierst ist ja eine der größten Stärken der Philosophie gegenüber so starren Systemen wie zum Beispiel dem Glauben und der Religion: Die Freiheit. Ich kann mir aussuchen was oder welcher Teil welcher Lehre für mich funktioniert und bunt mixen bis ich glücklich, zufrieden und erfolgreich damit bin.

Steht sogar in der Bibel, selbst in dieser Schwarte finden sich zwei gute Sätze: Der von Pilatus und "Prüft alles! Das Gute behaltet." - Also wenn das keine Aufforderung zum Eklektizismus ist?! Und wie gesagt, die großen Denker der Antike waren ja allesamt selbst Eklektiker. Wenn ich einmal eine philosophische Grundhaltung gefunden habe, mit der ich mich identifizieren kann und die für mich funktioniert, warum soll ich dann aufhören mir andere Weisheiten anzusehen? Zum einen entwickelt man sich im Leben ja auch weiter, zum anderen geschieht dies ja auch dadurch, dass man neue Aspekte und unterschiedliche Blickwinkel ein und derselben Sache kennenlernt.

Ich für meinen Teil würde jedenfalls nie und nimmer auf Thales, Solon, überhaupt die sieben Weisen, Heraklit, Diogenes, Sokrates, Platon, Plotin, Aristoteles und wie sie alle heißen verzichten wollen. Selbst Pythagoras ist mir ans Herz gewachsen. :lv: :D

Und wenn ich an ein Jenseits glauben würde, dann würde ich mich erst recht nach allen Seiten hin absichern. ;)


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 10:43
Zitat von PtoliporthosPtoliporthos schrieb:Denn das was Du hier als Schwachpunkt kritisierst ist ja eine der größten Stärken der Philosophie gegenüber so starren Systemen wie zum Beispiel dem Glauben und der Religion: Die Freiheit. Ich kann mir aussuchen was oder welcher Teil welcher Lehre für mich funktioniert und bunt mixen bis ich glücklich, zufrieden und erfolgreich damit bin.
Der Stoizismus ist ja auch offen und deren Vertreter alle irgendwie auf ihre Weise Eklektiker. Ich würde mal behaupten, dass der Stoizismus durchgängig eklektisch tradiert wurde, nicht nur von Seneca. Marc Aurel setzt nicht die gleichen Schwerpunkte wie Seneca, wie überhaupt der römische Stoizismus sich vom griechischen Stoizismus unterscheidet. Und bei den Griechen herrschte sowieso viel Uneinigkeit in Detailfragen. Vielmehr geht es doch um das große Ganze, den Trend und die pragmatische Umsetzbarkeit des Stoizismus, der ihn für das gemeine Volk attraktiv machte im Gegensatz zu abgehobenen Philosophien, die eher in der Theorie waberten und die ich deshalb auch heute noch als beliebig empfinde. Es muss halt umsetzbar sein und gleichzeitig adaptierbar für unterschiedliche Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen, und das funktioniert beim Stoizismus wunderbar!


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 11:45
@Laura_Maelle
Nun, man kann dem Stoizismus sicherlich zugutehalten, dass seine bedeutendsten Vertreter wie Zenon, Seneca oder Marc Aurel in der Blütezeit ihrer Epoche und einer hochkomplexen Zivilisation gelebt haben und dass er dadurch so weit ausgearbeitet wurde, dass es zu unserer hochtechnisierten Welt heute durchaus noch beachtliche Parallelen gibt.
Ebenso, dass er mit der christlichen Religion so weit kompatibel war, dass er die Zeiten und Zensur überdauert hat und uns relativ viel und relativ unverfälscht überliefert ist.

Aber der eigentliche Knackpunkt, das wirklich Entscheidende, was ihn zu so einer herausragenden und universellen Philosophie gemacht hat, ist, dass er sich auf drei Worte runterbrechen lässt:

ἀταραξία - αὐτάρκεια - ἀπάθεια

ataraxía - autárkeia - apátheia



Es ist ein Kennzeichen der großen Genies, die die Menschheit hervorgebracht hat, dass sie ihre wesentlichen Erkenntnisse so kurz und knapp formulieren können, dass sie die Zeiten überdauern und gleichzeitig aber so allgemein, dass man alles daraus ableiten kann. (Modernes Beispiel: e=mc²)

Selbst wenn nichts anderes überliefert wäre als diese drei Worte und das Wissen, dass sie eine zusammenhängende Philosophie bilden, könnte, wer verständig ist und aufrichtig nach Weisheit strebt (und nichts anderes ist ja die Philosophie) alle wesentlichen Paradigmen daraus ableiten, um ein gutes Leben im Sinne der Stoa zu führen.



Wie jeder im Detail verfährt, das bleibt ja jedem selbst überlassen; ich für meinen Teil mag es zum Beispiel lieber, je weniger konkrete Regeln es gibt und je mehr ich auf Basis der Grundlagen für mich selbst entdecke. Es gibt kaum etwas Schöneres und Erfüllenderes, als einen vollständig eigenen Gedanken, eine vollkommen aus eigener Kraft erreichte Erkenntnis und es erfüllt einen schon mit einem gewissen Stolz, wenn man diese dann bei dem ein oder anderen großen Denker wiederfindet.

Aber natürlich, man kann sagen: Der tradierte Stoizismus schafft diese Gratwanderung, dass er für sehr viele auch sehr unterschiedliche Menschen genügend Lebensregeln vorgibt ohne dabei einengend wie ein Korsett zu sein.


Das nenne ich lebenspraktisch. :Y:


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 13:14
Zitat von PtoliporthosPtoliporthos schrieb:Wie jeder im Detail verfährt, das bleibt ja jedem selbst überlassen; ich für meinen Teil mag es zum Beispiel lieber, je weniger konkrete Regeln es gibt und je mehr ich auf Basis der Grundlagen für mich selbst entdecke. Es gibt kaum etwas Schöneres und Erfüllenderes, als einen vollständig eigenen Gedanken, eine vollkommen aus eigener Kraft erreichte Erkenntnis und es erfüllt einen schon mit einem gewissen Stolz, wenn man diese dann bei dem ein oder anderen großen Denker wiederfindet.
Ja, stimmt. Das war bei mir auch so, noch bevor ich mich mit dem Stoizismus beschäftigte. Ich schrieb für mich eine persönliche Handlungsanleitung und brach sie auf das Wesentliche herunter. Die Verbindung zum Stoizismus ist für mich eigentlich nur eine Bestätigung, wodurch ich mit meiner autarken Sichtweise der Seelenruhe und Selbstgenügsamkeit auf einmal einen kollektiven Bezug zur historisch tradierten Philosophie herstellen konnte, was mich natürlich freut. So konnte ich die selbst entwickelte Thematik noch vertiefen anhand des Stoizismus.

Die Lehre der Stoa weist auf den eigenen intuitiven Zugang zur geistigen Welt hin ohne Hilfsmittel von außen, wie ein Ringer, der sich nur mit den eigenen lebendigen Armen behauptet ohne künstliche, tote Hilfsmittel wie ein Schwert, das nicht Teil von ihm ist, sondern ihm in die Hand gegeben wird als Vorlage und Methode, welche nicht von innen kommt.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 16:08
@Laura_Maelle
Also ich hab jetzt nochmal das ganze "Von der Gemütsruhe" durchgelesen und von Zeit und Zeiteinteilung steht da kein einziges Wort bei Seneca. Wohl aber fast das gesamte "De brevitate vitae" - "Von der Kürze des Lebens"

[Das gibts übrigens hier: https://www.amazon.de/s?k=seneca+de+brevitate+vitae&sprefix=seneca+de+bre%2Caps%2C95&ref=nb_sb_ss_ts-doa-p_1_13
und wenn Du über den Link bestellst, sollte Dennis auch noch was dran verdienen. ;) ]

Und, wenn das richtig nummeriert ist, der erste Brief der "Epistulae morales ad Lucilium"

Und der geht so...
Folge meinem Rat, mein Lucilius, widme dich dir selbst, halte deine Zeit zusammen und hüte sie; du hast sie dir bisher entweder geradezu wegnehmen oder heimlich entwenden oder auch nur entschlüpfen lassen. Glaube mir, es ist so, wie ich schreibe: ein Teil unserer Zeit wird uns offen geraubt, ein Teil uns heimlich entzogen, und ein dritter verflüchtigt sich. Am schimpflichsten aber ist derjenige Verlust, der auf Rechnung der Nachlässigkeit kommt. Gib nur genau acht: der größte Teil des Lebens fließt uns dahin in verwerflicher Tätigkeit, ein großer im Nichtstun, und das ganze Leben in Beschäftigungen mit Dingen, die mit dem wahren Leben nichts zu schaffen haben. Zeige mir den, der wirklichen Wert auf die Zeit legt, der den Tag zu schätzen weiß, der ein Einsehen dafür hat, dass er täglich stirbt! Das eben ist die große Selbsttäuschung, der wir uns hingeben, dass wir den Tod in die Zukunft verlegen. Zum großen Teil liegt er schon hinter uns, alles vergangene Leben liegt im Banne des Todes. Bleibe also dem in deinem Briefe kundgegebenen Vorsatz treu: lass keine Stunde ungenützt vorübergehen. Nimm den heutigen Tag voll in Beschlag; dann wirst du weniger von dem folgenden abhängen. Mit dem Aufschieben lassen wir das Leben nur enteilen. Nichts, mein Lucilius, ist unser wahres Eigentum außer der Zeit. Dieses flüchtige und schwer fassbare Gut ist das einzige, dessen Besitz uns die Natur vergönnt hat; und doch verdrängt uns der erste beste daraus. Ja, so groß ist die Torheit der Menschen, dass, während sonst auch das Kleinste und Unbedeutendste, wenn es nur überhaupt ersetzbar ist, von dem Empfänger als Schuldposten anerkannt wird, niemand sich als Schuldner fühlt dem gegenüber, der ihm seine Zeit gewidmet hat, während doch gerade dies das Einzige ist, was auch der Dankbare nicht wiedererstatten kann. Du fragst vielleicht, wie ich es denn selbst mit mir halte, der ich dir diese Lehre gebe? Ich will ganz rückhaltlos zu dir reden. Ich halte es damit wie ein im vollen Wohlstand lebender, dabei aber gewissenhaft haushälterischer Mann; ich führe streng Buch. Ich kann nicht sagen, dass ich nicht mancherlei Verluste hätte, doch vermag ich genau Auskunft zu geben über den Betrag und über die Gründe des Verlustes: ich kann Rechenschaft ablegen über die Ursachen meiner Armut. Doch teile ich das Schicksal so vieler, die ohne ihr Verschulden in Not geraten sind: jedermann verzeiht ihnen, aber niemand hilft ihnen. Wie steht es also? Ich halte den nicht für arm, dem auch der geringe Rest des Seinigen noch genügt. Du aber musst, wenn es nach mir geht, das Deinige zusammenhalten und damit bei guter Zeit anfangen. Denn, wie unsere Altvorderen meinten: wer erst spart, wenn es schon zur Neige geht, der hat die Zeit verpasst. Denn was sich unten im Grunde noch findet, ist nicht nur das Wenigste, sondern auch das Schlechteste.
Doch, ein Gedanke war bei der "Gemütsruhe":
Athenodoros sagte, er werde sich nicht einmal zur Tafel einfinden bei einem, der sich ihm dafür nicht als Schuldner fühle.
x'D


Na schön, ich les dann mal Deinen Blog. :popcorn:


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 17:22
@Laura_Maelle
Ok, Nice. :)

Wobei die "antiken Atheisten" ja so völlig verblödet auch nicht waren: Thales hat als erster eine Sonnenfinsternis berechnet, Eratosthenes den Erdumfang und Aristarch hat ein heliozentrisches Weltbild entwickelt.

Aber sei's drum. :D

Das mit den Affekten bei den Stoikern hab ich noch nie so richtig begriffen. Juckt mich auch nicht so. Aber dass die Vorstellung dem Willen vorausgehen soll, das finde ich interessant. Muss mal wieder Schopenhauer lesen, der sich ja auch als Stoiker verstanden hat: Die Welt als Wille und Vorstellung.

Ansonsten sehe ich als alter Grieche Kosmos und Logos eher pragmatisch: Kosmos ist für mich "die Welt, das Weltall", und Logos "Wort, Rede, Vernunft, Sinn" -> en archein en ho logos: Im Anfang war das Wort. :D Na, glaub ich eher nicht, vielleicht eher klassisch: das Chaos. Kosmos ist halt das, was ist, das Seiende, und der Rest ist das Nicht-Seiende. Mir fehlt da nix. 🤷‍♂️

Aber wenn sich das für Dich alles zusammenfügt, der Kosmos, der Gott, der Logos und die Stoa - wunderbar! Dann beglückwünsche ich Dich dazu. :D


Hat mich gefreut! :merle:


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:12
Zitat von PtoliporthosPtoliporthos schrieb:Das mit den Affekten bei den Stoikern hab ich noch nie so richtig begriffen. Juckt mich auch nicht so. Aber dass die Vorstellung dem Willen vorausgehen soll, das finde ich interessant. Muss mal wieder Schopenhauer lesen, der sich ja auch als Stoiker verstanden hat: Die Welt als Wille und Vorstellung.
Ja, diesen Aspekt finde ich auch sehr hilfreich. Könnte Dir das nicht auch helfen bei den von Dir beschriebenen Affektschwankungen von manisch zu depressiv und umgekehrt? Das hat bei den Stoikern auch alles mit der Affektregulation zu tun! Sogar die moderne Kognitionspsychologie basiert auf diesen Erkenntnissen.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:17
Zitat von Laura_MaelleLaura_Maelle schrieb:Könnte Dir das nicht auch helfen bei den von Dir beschriebenen Affektschwankungen von manisch zu depressiv und umgekehrt?
Ich bin nicht bipolar. Aber Danke, ich hab. x'D


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:32
@Ptoliporthos
Ich bin eher zu kontrolliert und gehemmt und oft auch blockiert. Das ist auch nicht ideal. Der Stoizismus zeigt den goldenen Mittelweg.


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13.05.2022 um 20:36
@Laura_Maelle
Eindreizwölfacht Glas Wein kann da helfen. ;)


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13.05.2022 um 20:38
@Ptoliporthos
Bei mir nicht! Ich habe vorsorglich 2 Flaschen Sahnelikör vorrätig, aber das ist nur gegen Husten! Mehr macht mich nur noch mehr träge. :)


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:41
@Laura_Maelle
Wie gesagt, ich würd's mal mit Wein probieren. Rotem Wein. Nicht zu kräftig. 12%.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:45
@Ptoliporthos
Das wird wohl kaum gezielt in Richtung Arbeitsflow wirken, wie es sollte! :)
Da ist der Stoizismus glaub ich schon die bessere Alternative. Und auch gesünder.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:47
@Laura_Maelle
Oh, das ist durchaus eine stoizistische Empfehlung. Steht alles in dem Buch, das ich vorhin gelesen hab. Weißt schon: Seneca, Gemütsruhe und so. ;)


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 20:56
Zitat von PtoliporthosPtoliporthos schrieb:Oh, das ist durchaus eine stoizistische Empfehlung. Steht alles in dem Buch, das ich vorhin gelesen hab. Weißt schon: Seneca, Gemütsruhe und so. ;)
Ich glaube, da hat Seneca eher epikureerisch gedacht! :)

Marc Aurel war da glaub ich disziplinierter. Er hatte nicht einmal eine bequeme Liege zum Schlafen.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

13.05.2022 um 21:02
@Laura_Maelle
Er hat ja auch alleine geschlafen.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

14.05.2022 um 15:25
Zitat von PtoliporthosPtoliporthos schrieb:Er hat ja auch alleine geschlafen.
Ja, Marc Aurel konnte wirklich alleine sein und war damit glücklich. Er fühlte sich nicht unvollständig ohne Partnerin. Seine Ehefrau sah er ja nicht so oft, da er meistens an der Front war. Stattdessen hat er sein Alleinsein genutzt, um sein Werk zu schreiben - für sich selbst.

Bei Seneca kommt eher der Eindruck auf, dass er nur ungern ohne große Gesellschaft sein konnte. Sogar sterben wollte er nicht allein. Das passt nicht so ganz zum Stoizismus der Eigenständigkeit, Autarkie und Selbstgenügsamkeit. Sein Werk wirkt sehr extravertiert.

Beide haben viel Wertvolles hinterlassen, aber ich ziehe Marc Aurel vor.


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Stoizismus als lebenspraktische Philosophie?

30.05.2022 um 03:44
@Laura_Maelle
Seneca schreibt sinngemäß, dass es mit dem Alleinesein eines Philosophen sich in etwa so verhält, wie mit einer körperlichen Behinderung. Wenn ihm an einer Hand jetzt ein paar Finger fehlen, dann gewöhnt er sich daran, beschwert sich nicht, lernt damit umzugehen, macht das Beste daraus und gleicht das aus. Aber einfacher ist es natürlich, wenn alles intakt ist. Und so ähnlich soll es sich auch mit der Freundschaft des Philosophen verhalten: Wenn er alleine ist, kommt er genauso gut zurecht und beschwert sich nicht, aber angenehmer und einfacher ist es, wenn Freunde da sind.

Das find ich eigentlich ziemlich stoisch gedacht: So oder so, es spielt keine Rolle, der Philosoph kommt mit beidem zurecht, wie es das Schicksal auch bringt. Letztendlich ist es gleichgültig für die Seelenruhe, da steckt schon eine gewisse Ataraxie dahinter.

Aber sicher, allein die Art des Vergleichs bestätigt natürlich auch schon irgendwo Deine Ansicht. ;)

Auf der anderen Seite Marc Aurel: Ist sicher der modernere Typus. Wobei er als Kaiser auch im Feldlager sicher immer Menschen um sich hatte. Aber eben berufliche, professionelle Beziehung zu seinen Mitmenschen, vielleicht auch distanzierter. Aber ob das so wünschenswert ist, wenn man auch in Gesellschaft so entfremdet ist, dass sich die eigene Frau auf der Suche nach Nähe lieber den Gladiatoren zuwendet? Und das, obwohl sie 14 Kinder hatten. Also irgendwas hat anscheinend doch gefehlt, vielleicht war er doch irgendwie unterkühlt. Keine Ahnung, kann man nur spekulieren.

Viel wichtiger finde ich was Seneca zu Beginn eines seiner Briefe schreibt: "Ich habe begonnen mir selber ein Freund zu sein." Das ist doch das Entscheidende. Wer mit sich selbst gut auskommt, ist nie allein. Also, allein vielleicht schon, aber nicht einsam. Das ist nicht nur wünschenswert im Sinne der Autarkie, sondern auch ein wesentlicher Schritt zur Entwicklung in die richtige Richtung. Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, dann ruht man auch eher in sich selbst, erlangt Charakterfestigkeit und somit Ataraxie.

Nur eines hat mich ein bisschen gestört, ich weiß nicht, es klang irgendwie komisch:
Zitat von Laura_MaelleLaura_Maelle schrieb am 14.05.2022:Ja, Marc Aurel konnte wirklich alleine sein und war damit glücklich.
Was heißt das "er war damit glücklich"? Das klingt irgendwie so, als wäre mit "glücklich sein" der finale Zustand erreicht. Das finde ich ein bisschen problematisch, weil das Ziel nicht Glück heißen darf, sondern Apatheia, Gleichgültigkeit gegenüber Glück und Unglück. Es geht nicht darum glücklich zu sein, sondern unberührt von Leidenschaften, auch vom Glück bzw. dem Glücklichsein. Teilnahmslos, abgeklärt, wissend, dass sowohl das eine wie das andere kommt und vergeht. Das erleichtert es dann auch wieder die Seelenruhe zu bewahren, die Ataraxie.

Und siehst Du: So greifen Apathia, Autarkia und Ataraxia immer wieder ineinander und bedingen sich gegenseitig. Man muss sich das nur immer wieder bewusst machen.


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