@FlamingO Hilflos, jein. Der Mensch steht ja ständig in Interaktion mit seiner Umwelt und Gesellschaft, und genauso wie der Glaube an irgendwas nicht von jedem einzelnen Menschen selber erfunden wird, die ganzen Strukturen werden ihm von Eltern und Umgebung eingetrichtert (bewußt oder unbewußt bereits im Kindesalter),
so hat jeder Mensch durchaus die Wahl, in welcher Form er sich die "religiösen" Glücksgefühle abholt.
Anders ausgedrückt, die angeborene Veranlagung im Hirn ist nur die halbe Miete, den Rest erledigen Schlüsselreize, die die "Belohnung" aktivieren, und die kommen von außen. Und die sind dann wieder individuell, sozial, gesellschaftlich geprägt.
Wie der Bericht sagte, manche gießen ihre Schlüsselreize in die Formen der bekannten Glaubensrichtungen und reden dann von Gott, andere gehen auf Antisemitismus und Verschwörungstheorien, also ungefähr das Gegenteil (Paranoia und Gewalt statt Nächstenliebe etc.)
und meiner bescheidenen Ansicht nach wurde eine dritte und gar nicht so kleine Gruppe schlicht übersehen oder vergessen, nämlich die Menschen, die man gemeinhin als "Fans" und zuweilen auch als "Nerds" bezeichnet, also die Typen, die sich mit geradezu "religiöser Inbrunst" (!) in ein beliebiges Fachthema versenken, und nicht selten ihre ganze Umgebung damit tödlich nerven, weil die diese Begeisterung einfach nicht nachvollziehen können.
Auch die holen sich ihre "Hirnbelohnung" damit ab, und es dürfte keineswegs ein Zufall sein, daß gerade die Trivialkultur, in der die Nerds wie Pilze aus dem Boden schießen, sehr stark von Religionen und Mythen befruchtet ist, egal ob ein Indiana Jones im Film auf die Bundeslade Jagd macht oder ob in Comics und Computerspielen Götter, Monster, Superwesen (Superman!) und Dämonen mitmischen. Und Du kannst drauf wetten, wenn auf der Kinoleinwand ein Superheld irgendeinen Fiesling sauber verdrischt, daß dann der Nerd im Kinositz seinen "religiösen" Kick erlebt. Oder denk an Spiele- oder Comic-Cons. Heilige Hallen für die Fans, wie eine Kirche für die Katholiken.
Einen gewaltige Unterschied zwischen den religiösen Gläubigen und VT-Anhängern einerseits und den Nerds andererseits gibt es allerdings: die Nerds nehmen es in Wahrheit nicht so ernst. Sie wissen, daß am Ende alles nur Spaß, nur Phantasie ist, alles nicht real, auch wenn sie fast aufeinander losgehen über Fragen wie, welches Pokemon ist stärker.
Das heißt, man kann diesen "Kick", diese Belohnung auch abholen, ohne tatsächlich fest dran zu glauben als eine absolute Wahrheit. Die eingeprägten Strukturen, die Schlüsselreize worauf jemand individuell positiv reagiert, reichen schon. Das "so tun als ob es wahr wäre" ist entwicklungsgeschichtlich ziemlich neu, jedenfalls in der Qualität wie es insbesondere visuelle Medien wie Comics, Film, Computerspiele heute liefern, und so tricksen die Nerds gewissermaßen (ahnungslos) das eigene Gehirn aus, um sich ihren Kick zu holen. Der Mensch ist nun mal in erster Linie ein Augen-Tier und "glaubt" erst mal alles was er sieht. Auch wenn er von seinem Verstand her weiß, daß es gar nicht real ist.