@Mrs.Spock Mrs.Spock schrieb:Wieso glaubt ein erwachsener gebildeter Mensch an das, was vor Jahrtausenden in ein Buch geschrieben wurde?
Das hängt daran, was das Lesen dieses Buches ausgelöst hat oder eben nicht ausgelöst hat. Man kann das nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen. Es hängt auch daran, welche Menschen einem begegnet sind. Woher die Neugier danach und das Vertrauen darauf kommt, kann man nicht erklären: Man käme sonst dahin, eine Art Notwendigkeit für den "richtigen Weg" zu belegen. Die Entscheidung für (oder gegen) den Glauben ist aber immer eine Entscheidung in Freiheit. Du weißt wahrscheinlich, daß es hoch Gebildete zu allen Zeiten gegeben hat, die tief gläubige Christen waren/sind? Für heute: Professoren in Harvard, Princeton, Oxford, Paris... Ebenso hat es immer welche derselben wissenschaftlichen Kategorie gegeben, die sich als Atheisten oder als Agnostiker verstanden. Man kann Gläubigkeit nicht am Bildungsstand festmachen. Vom Glauben erfaßt zu sein sehe ich als ein überhaupt nicht selbstverständliches Glück an. Aber jegliche Art von Hybris gegenüber Mitmenschen, die nicht gläubig sind, ist völlig fehl am Platz. Gläubige sind nicht "die besseren Menschen". Dankbarkeit für und Verbundenheit mit dem Glauben ist etwas ganz anderes als ein überhebliches Gefühl gegenüber Nicht-Gläubigen: eben weil man weiß, wie brüchig der Weg war, dahin zu kommen.
Mrs.Spock schrieb:Ist es denn wichtig was in einem Buch geschrieben steht?
Wichtig ist in meinen Augen, was das Lesen des Buches mit dir macht, nicht der wörtliche Text. Daß es um den Geist desselben geht, sieht man schon daran, daß es Tiefgläubige gibt, die gar nicht gut lesen können bzw. es kaum tun. Wie sollte auch Gläubigkeit den Gelehrten vorbehalten sein? - Das Wort "wichtig" ist auch nicht leicht zu verstehen, denn man muß ja fragen: wichtig wofür? Für mein gutes Auskommen? Für meine körperliche Gesundheit? Für meine Seele?
Mrs.Spock schrieb:Ist es nicht wichtiger human zu sein und so zu leben?
Das klingt so, als säße man als Glaubender in so einer Art Gefängnis von Vorschriften und würde sich am liebsten immer anders verhalten. Für mich ist die Lebensweise nach dem Neuen Testament aber die humane Lebensweise schlechthin. Ich muß dazu sagen: Dabei lasse ich mich auf gewisse Aussagen aus dem Neuen Testament nur deswegen ein, weil ich im Übermaß festgestellt habe, daß das Vertrauen trägt. Es trägt nicht nur da, wo ich verstehe.
Mrs.Spock schrieb:Ist der Humanismus nicht die Moral unserer Zeit?
Den Maßstab meines Handelns entnehme ich nicht den Normen unserer Zeit. Das kann man eigentlich nur, wenn man meint, mit dem Ablauf der biologischen Lebensspanne sei auch "alles zu Ende".
Mrs.Spock schrieb:Wieso stören sich fast alle Religionen z.B. an Homosexualität?
Das weiß ich nicht. Es ist aber Fakt. Ich weiß nicht, wie ich mich gegenüber dem Glauben verhielte, wenn ich homosexuelle Neigungen verspürte. (Solche kenne ich tatsächlich nicht mal im Ansatz.) Es ist aber nach meinem Verständnis für die christliche Botschaft ein nebensächliches Thema, das nur aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen ausgerechnet in unserer Zeit plötzlich dauernd auf der Bildfläche ist. Es stimmt, daß die Bibel nur ganz wenige, dafür aber um so entschiedenere Worte zu dem Thema enthält. Verlange nicht von mir, diese zu erklären, ohne zu der billigen Ausrede unserer Zeit zu greifen, diese Äußerungen seien eben "nur historisch zu erklären" - was die Bibel der Relativität und unserem Urteil unterwürfe. Viel wichtiger ist, daß trotz dieser Worte sich die Botschaft Jesu Christi an alle wendet. Wie sollte ich erklären können, was Homosexuelle angeht? Kenne nicht auch ich Neigungen, die im Widerspruch zum Anspruch der Bibel zu stehen scheinen? Statt sich mit Urteilen über Homosexuelle zu überheben, sollte jeder lieber mal über seine eigene Lebenswelt nachdenken. (Das ist übrigens biblisch...)
Mrs.Spock schrieb:Warum wollen sich ALLE Religionen in das Leben der Menschen einmischen?
Einmischen? Leben heißt für den Glaubenden eigentlich: mit dem Glauben als Grundlage in dem Hier und Jetzt leben. Einmischung in dieses in meinen Augen gesunde Verhältnis findet dabei von allen möglichen Seiten durch alle möglichen Anreize und Anfechtungen statt. Es gibt nicht "den Glauben am Sonntag und das wahre Leben von Montag bis Sonnabend". Und auch Glaubende machen Mist, über den sie sich abends ärgern.
Mrs.Spock schrieb:Ich habe so viele Fragen und bekommen keine Antworten darauf, die mir logisch und erklärend erscheinen (solche, die ich akzeptieren kann) ...
Ich bilde mir nicht ein, Antworten gegeben zu haben, die du akzeptieren kannst. Aber es sind Antworten, die ich aus meinem Leben mit dem Glauben heraus geben kann. Sagen wir es so: Mich hat das Leben so geführt, daß mir diese Antworten kommen. Und ja, ich habe einen Beruf, in dem ich sehr viel mit anderen Menschen zu tun habe und in dem auch die Ratio einen Spitzenplatz einnimmt. Aber die Logik darin ist eine andere als die vielleicht von dir in diesen Antworten erhoffte. Was schlüssig eingesehen ist, kann als "erledigt" gelten. Glaubenssicherheiten sehen aber ganz anders aus. Argumentativ kann dich kein Mensch überzeugen, daß du - schon gar nicht, was du - glauben "mußt".