Welche Ziele haben die Zeugen Jehovas?
08.02.2005 um 22:54
Ace,
danke, dass Du Dir solche Mühe machst, obwohl Du hier viele Gegenstimmen
zu erwarten hast. :-)
Bzgl. Staat:
Ich halte dennoch fest an meinen Aussagen. Es bleibt abzuwarten, was
geschieht, sollte es jemals möglich sein für die ZJ, Steuern einzuziehen.
Jetzt kommt ein ziemlich langer Text; ich würde mich freuen, wenn Du ihn
bis zum Ende durchhalten würdest. :-)
144000 Personen im Himmel:
In seinem Brief an die Galater schreibt Paulus die bekannten Worte: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus." (Galater 3,28)
Es überrascht mich demnach, daß bei den Zeugen Jehovas deutliche Unterschiede gemacht werden. Einerseits gibt es die 144.000 mit der himmlischen und andererseits die "große Volksmenge" mit der irdischen Hoffnung, wobei es für beide Bezeichnungen eine Reihe von Synonymen gibt.
Der Wachturm:
"Diese große Volksmenge wurde im Jahre 1935 erkannt, und heute zählt sie über 5 Millionen Mitglieder. Ihre Glieder sind gekennzeichnet, die große Drangsal zu überleben, und werden zum ewigen Leben abgesondert werden, wenn Jesus 'die Schafe' von 'den Böcken' trennt. Christen, die Glieder der großen Volksmenge sind, gehören zu den `anderen Schafen' aus dem Gleichnis Jesu von den Schafhürden. [...] Den 144.000 wird der Segen des abrahamischen Bundes durch den neuen Bund zuteil. Als Beteiligte an diesem Bund stehen sie 'unter unverdienter Güte' und 'unter Gesetz gegenüber Christus' (Römer 6:15; 1. Korinther 9:21). Folglich haben nur die 144 000 Glieder des Israels Gottes bei der Feier zum Gedenken an den Tod Jesu passenderweise von den Symbolen genommen, und nur mit ihnen hat Jesus seinen Bund für ein Königreich Gottes geschlossen (Lukas 22:19, 20, 29). Die Glieder der großen Volksmenge sind keine Beteiligten an dem neuen Bund. [...] Sie sind zwar keine Beteiligten an dem neuen Bund, aber sie sind dessen Nutznießer." (Der Wachtturm, 1. Februar 1998, S. 19)
1935 ist man also zu der Erkenntnis gekommen, daß es zwei Klassen von Christen geben soll. Es wird mit Anleihe beim Alten Testament ausgeführt, daß die "große Volksmenge" zwar angeblich keinen Anteil an dem Neuen Bund hat, aber - genau wie Ausländer unter den Israeliten lebten, dem Volk, mit dem Gott einen Bund geschlossen hat - auch diese "Volksmenge" Nutzen daraus zeiht, daß sie bei dem "Israel Gottes" wohnen
In Jesus Christus schließt Gott, so sagt es das Neue Testament, einen Neuen Bund mit den Menschen. Die Zeit des Alten Bundes ist vorbei. Jesus nimmt es auf sich, freiwillig und unverdientermaßen stellvertretend für die Schuld der Menschen zu leiden und zu sterben. Der Vorhang zum Allerheiligsten im Tempel zerreißt bei seinem Tod von oben bis unten, durch ein übernatürliches Eingreifen Gottes. Deutlicher kann man es nicht mehr machen: Der Zugang zum Allerheiligsten, das zuvor nur der Hohepriester einmal im Jahr betreten durfte, steht offen. Als Zeichen dafür, daß jemand das Geschehen am Kreuz als für sich gültig anerkennt, gibt es das Abendmahl, Brot und Wein. Jesus sagt: "Trinkt alle daraus! Denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden." (Matthäus 26:28)
Zweierlei fällt auf: Zunächst mal die Aufforderung, daß alle daraus trinken sollen. Hier ergibt sich noch kein Problem mit der Lehre der Zeugen Jehovas, denn die unmittelbaren Jünger Jesu werden sicherlich zu den "144.000" zu zählen sein. Aber auch in den ersten Gemeinden wurden offenbar keine Unterschiede gemacht. Doch hierzu unten mehr. Zum anderen, weitaus gravierender, daß Jesus von dem Blut des Bundes spricht, daß zur Vergebung der Sünden vergossen wird. Das ist offensichtlich nichts, was nur für die 144.000 nötig wäre. Laut Wachtturm wird die "große Volksmenge" jedoch ausdrücklich an diesem Bund nicht beteiligt wird. Das bedeutet im Klartext: Jesus Christus ist eigentlich für sie nicht gestorben, sondern nur für die 144.000.
Eine Lehre mit gravierenden Konsequenzen. Die Verantwortlichen in der Wachtturm-Gesellschaft müssen sich mit vollem Recht fragen lassen, ob nicht auch für sie die biblische Aussage gilt, daß sie den Menschen, die Zugang zum Reich Gottes suchen, ihnen diesen verschließen (Matthäus 23:13). Was bekommt die "große Volksmenge" denn im Tausch dafür?
Der Wachturm dazu:
"Gott adoptiert sie nicht als geistige Söhne, so wie er die 144 000 an Sohnes Statt annimmt. Aber er spricht die anderen Schafe in dem gleichen Sinn gerecht, wie Abraham als Freund Gottes gerechtgesprochen wurde. (Matthäus 25:46, Römer 4:2; Jakobus 2:23)" (S.20)
Das ist eine durch nichts legitimierte Versprechung. Der "großen Volksmenge", also dem Löwenanteil der Zeugen Jehovas, wird der Weg zur Vergebung, den Gott unter dem Neuen Bund eingesetzt hat, vorenthalten. Stattdessen wird ihnen gesagt, daß sie nach den richtigen Spielregeln leben sollen, was ihnen bestimmt Nutzen bringt, und daß sie deswegen als "Freunde Gottes" angenommen würden. Eine krasse, unbiblische Irrlehre
Es bleibt zu untersuchen, auf welcher biblischen Grundlage die Lehre von den 144 000 denn überhaupt beruht. An zwei Stellen ist im Buch der Offenbarung davon die Rede:
"Und ich hörte die Zahl der Versiegelten: Hundertvierundvierzigtausend Versiegelte, aus jedem Stamm der Söhne Israels. Aus dem Stamm Juda zwölftausend Versiegelte, aus dem Stamm Ruben zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, [...] Nach diesem sah ich: und siehe, eine große Volksmenge, die niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen [...]" (7:4ff.)
"Und ich sah: und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die seinen Namen und den Namen des Vaters an ihren Stirnen geschrieben trugen. [...] Und sie singen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier lebendigen Wesen und den Ältesten, und niemand konnte das Lied lernen als nur die Hundertvierundvierzigtausend, die von der Erde erkauft waren. Diese sind es, die sich nicht mit Frauen beflechkt haben, denn sie sind jungfräulich, diese sind es, die dem Lamm folgen, wohin es auch geht. Diese sind aus den Menschen als Erstlingsfrucht für Gott und das Lamm erkauft worden. Und in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden; sie sind untadelig." (14:1ff.)
Auf den ersten Blick scheint es klar, daß es sich dabei keinesfalls um Menschen aus den heute lebenden Zeugen Jehovas handeln kann. Wird doch ausdrücklich von den Söhnen Israels gesprochen und sogar die einzelnen Stämme namentlich erwähnt. Das läßt sich aber mit etwas kunstvoller Exegese leicht lösen:
"Könnte es nicht sein, daß sich diese Worte auf das buchstäbliche, fleischliche Israel beziehen? Nein, denn die Aufzählung der Stämme in Offenbarung 7:4-8 weicht von der gewöhnlichen Aufzählung ab (4. Mose 1:17,47). Offensichtlich dient die Aufzählung in der Offenbarung nicht dazu, natürliche Juden nach ihren Stämmen zu kennzeichnen, sondern zeigt, daß das geistige Israel ein ähnliches, organisatorisches Gefüge aufweist wie das natürliche Israel. Die neue Nation besteht aus 144 000 Gliedern - 12000 aus jedem der zwölf Stämme. In diesem Israel Gottes ist kein Stamm besonders dazu auserwählt, die Könige oder die Priester hervorzubringen." (Offenbarungsbuch, S.116, 117)
Anscheinend folgt häufig, wenn es in den Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft "offensichtlich" oder "passenderweise" heißt, eine besonders wenig nachvollziehbare und/oder hahnebüchene Argumentation. So auch hier. Weil die Aufzählung der Stämme eine andere ist, meint der Autor folgern zu dürfen, es handele sich "offensichtlich" nicht um Israeliten und vollzieht - nicht mehr in Bibelauslegung, sondern in freier Phantasie - den Spagat, zu einem "geistigen Israel" zu kommen, das ein ähnliches "organisatorisches Gefüge" aufweise wie das natürliche Israel. Interessanterweise beschränkt sich diese Ähnlichkeit aber offensichtlich darauf, eine Gleichheit der Gesamtzahl festzustellen, in welcher Form eine Aufteilung des "geistigen Israel" nach 12 Stämmen Sinn macht, darüber schweigt sich der Autor aus.
Da macht es dann auch keine Schwierigkeit mehr, die Jungfräulichkeit im zweiten Bibelabschnitt zu einer geistigen zu versymbolisieren:
"Was diese Klasse auszeichnet, ist ihre geistliche Jungfräulichkeit. Die Glieder dieser Klasse haben sich nicht mit dem politischen System dieser Welt und der falschen Religion auf geistigen Ehebruch eingelassen." (a.a.O, S.202)
Problematisch auch, daß die ersten Christen pauschal zu den 144 000 gezählt werden müssen, weil ja in den entsprechenden Texten keine Unterschiede gemacht werden: Die Zustände in der Gemeinde in Korinth, die von Paulus scharf zur Ordnung gerufen werden mußte, will so ganz und gar nicht zu dem Bild der 144 000 passen, wie es in Offenbarung 14 beschrieben wird. Da ist das Abendmahl für die Betuchteren der Gemeinde zu einem Freß- und Saufgelage verkommen, während die erst später Ankommenden hungrig blieben.
Die "anderen Schafe"
Das Gleichnis von den "Schafhürden" wird, ebenso wie bei den Mormonen, wo die "anderen Schafe" für die nach Amerika ausgewanderten Israeliten stehen sollen, fehlausgelegt.
"Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch diese muß ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein." (Johannes 10:16)
Wer ist mit diesen "anderen Schafen" gemeint? Der Schlüssel liegt in der Antwort, die Jesus der kanaanitischen Frau gibt:
"Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel." (Matthäus 15:24)
Das heißt, Jesu Auftrag erstreckt sich zunächst einmal nur auf die Israeliten. Erst nach der Auferstehung heißt es: "Gehet hin in alle Welt..." Die anderen Schafe stehen also für die Menschen, die aus den Nichtjuden gewonnen werden sollen.
Daß sich Jesu Ankündigung über die eine Herde wortwörtlich bewahrheitet hat, kann man wiederum bei Paulus nachlesen, der im Epheserbrief schreibt:
"Darum denkt daran, daß ihr, die ihr von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind, daß ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt. Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Christi. Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat..." (Epheser 2, 11ff.)
Ganz klar wird in der Bibel also betont, daß es bei den anderen Schafen nicht etwa um Menschen mit einer geringeren Hoffnung geht, sondern daß es auf eine Herde, auf eine Einheit aller Schafe hinausläuft.
Tragisch ist, daß nahezu alle Aussagen, die nach dem Neuen Testament unterschiedslos allen Christen gelten, unter den Zeugen Jehovas den "anderen Schafen" - und das sind heute fast alle - vorenthalten bleiben sollen.
Die anderen Schafe haben keinen Anteil an dem Neuen Bund, ihnen wird nur indirekt durch die Wachtturm-Gesellschaft (nicht aber durch die Bibel!) versprochen, daß sie deshalb 'unter unverdienter Güte stehen', weil sie sich zu dem "Israel Gottes", den 144 000 halten.
Es gibt, nach Auslegung der Wachtturm-Gesellschaft, unter den "anderen Schafen" keine wiedergeborenen Christen. Denn auch dies ist ja mit dem Neuen Bund verknüpft:
"Diejenigen, die Jehova in den neuen Bund aufnimmt, erfahren ebenfalls eine Geburt - bei ihnen ist es eine geistige Geburt. Jesus erwähnte dies gegenüber dem Pharisäer Nikodemus, als er sagte: "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht wiedergeboren wird, kann er das Königreich Gottes nicht sehen."
Sie sind nicht mit dem Heiligen Geist versiegelt. Sie sind keine Brüder Jesu. Sie sind keine Miterben mit Christus:
"Gerechtgesprochen unter dem Neuen Bund, erhielten sie heiligen Geist als 'ein im voraus gegebenes Unterpfand' ihres königlichen Erbes (Epheser 1:14). Sie wurden 'aus dem Geist geboren', um Adoptivsöhne Gottes und somit Brüder Jesu und 'Miterben mit Christus' zu werden. (Johannes 3:6, Römer 8:16,17)" (S. 17)
Sie stehen nicht einmal im Buch des Lebens, denn das sind auch nur die 144.000:
"Bildlich gesprochen enthält diese Buchrolle die Namen derer, die mit Jesus in seinem himmlischen Königreich regieren werden. Die ersten Namen wurden zu Pfingsten des Jahres 33 u.Z. in die Buchrolle geschrieben, und in den seither vergangenen Jahren kamen immer mehr Namen hinzu. Seit 1918 geht das Versiegeln der 144 000 Königreichserben der Vollendung entgegen. Bald werden ihre Namen alle unauslöschlich in des Lammes Buchrolle des Lebens eingetragen sein." (Offenbarungsbuch, S.192)
Stattdessen führt die Wachtturm-Gesellschaft eine merkwürdige Zweispaltung ein: Es gibt des Lammes Buchrolle des Lebens, in die die Namen bereits unauslöschlich eingetragen sind. Es gibt andererseits noch ein "Buch des Lebens", in das alle die eingetragen werden sollen, "die die Aussicht haben, von Jehova ewiges Leben zu erhalten" (S. 298). Entscheidend geht es nach Meinung der Autoren um folgendes:
"Was wird denn ausschlaggebend sein, ob ein Name zu jener Zeit in die geöffnete Buchrolle des Lebens eingetragen wird? Es wird dasselbe sein, was auch schon in den Tagen Adamss und Evas entscheidend war: Gehorsam gegenüber Jehova." (S.298)
Die Wachtturm-Gesellschaft verschließt somit dem "normalen" Zeugen Jehovas den Zugang zu vielen Verheißungen Gottes, die nach der Bibel für ihn bestimmt sind. Insbesondere ist die letzte Aussage bedeutsam, denn nach den Worten der Offenbarung wird einmal jeder Mensch nach seinen Taten gerichtet werden, entscheidend wird es aber darum geht, ob unser Name im Buch des Lebens geschrieben steht. Ich empfehle jedem "anderen Schaf", das diesen Artikel liest, unbedingt einmal Offenbarung 20:15 nachzuschlagen.
Worauf vertraust Du?
Auf die Bibel?
Oder auf die Versprechungen im "Wachtturm"?
Liebe Grüße,
Mrs