Chiliast schrieb am 12.09.2012:Zeigt diese Massenbewegung nicht, dass die "europäische Idee" eines vereinten, grenzenlosen Europas (zumindest in Spanien) gescheitert ist? Wie wird die EU auf die Forderungen reagieren?
Gescheitert ist deshalb die "europäische Idee" bestimmt nicht, aber gefährdet. Ich meine, dass ich über einen sensiblen Sinn für Recht und Gerechtigkeit verfüge, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht für Argumente offen bin, wenn sie mir gut begründet erscheinen. Im Falle der Forderung der Katalanen sehe ich allerdings keine guten Gründe, die für eine Abspaltung dieses Landesteils von Spanien sprechen. Es war schließlich das allzu kleinstaatliche und engstirnige nationalistische Denken, welches in Europa Anlass zu kriegerischen Entwicklungen bot. Auch die unterschiedlichen Sprachen - katalonisch und spanisch - sind kein Grund für eine Spaltung Spaniens in zwei Teile. Dass der katalonische Teil Spaniens wirtschaftlich stärker ist, als das restliche Spanien, mag für die Katalanen ein Grund, aber kein Argument sein, um sich von Spanien zu lösen.
Am Beispiel der Schweiz wird ersichtlich, dass es gelang, vier verschiedene Sprachen - deutsch, französisch, italienisch und romanisch - unter einer Flagge zu vereinen. Kaum jemand weiß aber, dass der Kanton Jura erst ab dem 1.1.1979 ein eigenständiger Kanton wurde. Nach 165jähriger Zugehörigkeit zum deutschsprachigen Kanton Bern erkämpften sich die überwiegend französisch sprachigen Jurassier ihren eigenen Kanton. Zuvor gab es aber eine militante separatistische Bewegung, die schon mal mit Sprengstoffanschlägen auf Telefonleitungen auf sich aufmerksam machte. Davon wurde aber selbst im benachbarten Ausland kaum Notiz genommen.
Für separatistische Bewegungen habe ich schon eher Verständnis, wenn sich z.B. Länder in Afrika um die Eigenständigkeit bemühen, wurden doch viele Grenzen von den damaligen Kolonialmächten willkürlich mitten durch Stammesgebiete gezogen. Das führte ja bis in unsere Zeit zu blutigen kriegerischen Auseinandersetzungen, so z.B. im Kongo, Ruanda, Aethiopien (Eritrea) und Nigeria (Biafra). Ob auch die Unabhängigkeitsbestrebungen in Belgien (Flandern u. Wallonien) und von Schottland berechtigt sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
Die EU jedenfalls dürfte kein Interesse an einer Abspaltung Kataloniens haben, weil dies andere Sezessionsbemühungen (z.B. in Belgien) befördern könnten. Die Kleinstaaterei kann nicht im Sinne Europas sein. Katalonien könnte nicht automatisch mit einer Aufnahme in die EU rechnen, weil dieser Anspruch völkerrechtlich nicht akzeptiert werden könnte.
intruder schrieb:Ich denke die Ukraine Diskussion führt viel zu weit vom Thema des Thread weg.
Diese Wertung kann ich beim besten Willen nicht teilen. Um die Unterschiede zu erkennen, müssen auch solche Beispiele in die Beurteilung einbezogen werden.