Wenn man die professionellen Helfer richtig versteht, hat die Praxis der religiösen Beschneidung schon heute Tausende Deutsche zu seelischen Krüppeln gemacht. Wer will den Kölner Richtern also verdenken, dass sie alarmiert waren, als ihnen ein Fall zur Entscheidung vorgelegt wurde, bei dem am Ende sogar eine Behandlung in der Notaufnahme stand. Das Problem solcher Rechtsprechung, die die moderne Subjekttheorie in allgemein gültige Urteile überführt, ist eher praktischer Natur. Wer einmal damit anfängt, in jedem Eingriff, der nicht medizinisch geboten ist, eine Körperverletzung zu sehen, kommt aus dem Klagen nicht mehr heraus.
Was soll man zum Beispiel von Müttern halten, die ihrer vierjährigen Tochter die Ohrläppchen durchstechen lassen, um dort irgendwelchen Metallgegenstände aufzuhängen? In der "Ärzte-Zeitung" warnte eine Juristin für Medizinrecht bereits davor, dem Wunsch nach kosmetischen Eingriffen nachzugeben, nur weil das Kind wegen Fehlstellungen gehänselt wird. Wer abstehende Ohren hat, kann jetzt sehen, wie er bis zum 18. Geburtstag damit klar kommt: Da muss er das Gelächter der anderen wohl oder übel ertragen.
Obwohl: Mobbing steht ganz oben auf der Liste der Faktoren, die, um mit dem Analytiker Franz zu sprechen, "andauernde körperliche, sexuelle und psychische Leidenszustände" zur Folge haben können. In der Haut des Gerichts, das dann über diese Klage zu entscheiden hat, möchte man auch nicht sein.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/beschneidung-die-uebertriebene-angst-vor-dem-trauma-des-kindes-a-846543.html