Rederecht im Bundestag - Fraktionen planen Maulkorb für Abgeordnete

Rederecht im Bundestag Fraktionen planen Maulkorb für Abgeordnete

14.04.2012, 07:43
Von Heribert Prantl

Mit neuen Regeln für den Bundestag wollen Union, SPD und FDP das Rederecht der Parlamentarier einschränken. Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zufolge sollen in Zukunft nur noch von der Fraktion aufgestellte Redner zu Wort kommen. Vertretern abweichender Meinungen wird die Wortmeldung damit erschwert - Kritiker bemängeln eine Aushöhlung der Glaubwürdigkeit.


Das Rederecht der Abgeordneten im Bundestag soll eingeschränkt und noch stärker als bisher von den Fraktionen kontrolliert werden: Der Süddeutschen Zeitung liegt der einschlägige Entwurf des Sekretariats des Geschäftsordnungsausschusses vor, der nun den Fraktionen zugeleitet wird; am 26. April soll im Plenum darüber abgestimmt werden. Er stützt sich auf die Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP; Grüne und Linke haben im Geschäftsordnungsausschuss dagegen gestimmt.

Mit den neuen Regeln soll der Parlamentspräsident verpflichtet werden, das Wort nur mehr den von der Fraktion eingeteilten Rednern zu erteilen. Andere Abgeordnete darf er nur ganz ausnahmsweise und nur noch drei Minuten lang reden lassen - auch dies nur "im Benehmen mit den Fraktionen".

Diese Formulierung verlangt zwar keine ausdrückliche Zustimmung der Fraktionen (die wahrscheinlich regelmäßig nicht erteilt würde). Der Bundestagspräsident soll sich aber nicht nur mit der Fraktion des Abgeordneten verständigen, den er abweichend von der Nominierung reden lassen will. Er soll auch alle anderen Fraktionen informieren und ihre Stellungnahmen einholen. Und er muss allen Fraktionen nicht nur die geplante Worterteilung, "sondern auch die konkrete Platzierung in der Rednerfolge" mitteilen.

Diese neue Geschäftsordnung soll es offensichtlich dem Bundestagspräsidenten besonders schwer machen, Vertreter abweichender Meinungen überhaupt zu Wort kommen zu lassen: Das ihm auferlegte Procedere ist kompliziert. Es soll auf diese Art und Weise verhindert werden, dass noch öfter passiert, was Norbert Lammert bei der Abstimmung über die Euro-Rettung gestattete: Er hatte die Abgeordneten Klaus-Peter Willsch (CDU) und Frank Schäffler (FDP) reden lassen, die von ihrer Fraktion abweichende Meinungen vertraten.

Lammert wollte, das sich so die kontroverse öffentliche Debatte auch im Parlament widerspiegele. Die Fraktionschefs hatten protestiert, der Ältestenrat erteilte Lammert eine Rüge. Die Änderung der Geschäftsordnung ist nun ein Mittel, um den Bundestagspräsidenten nachhaltig zu disziplinieren.

In der Praxis ist es seit langem so, dass die Fraktionsgeschäftsführer festlegen, wer als Redner zum Zug kommt. Der Bundestagspräsident bekommt fertige Rednerlisten. Dabei soll es nun, durch die neue Geschäftsordnung zementiert, strikt bleiben. Eine Verpflichtung der Abgeordneten, sich der Mehrheitsmeinung der Fraktion anzuschließen, gibt es freilich nicht. Im Grundgesetz sind die Fraktionen nicht einmal erwähnt.

Des Weiteren sehen die Änderungen vor, dass das Recht, "Erklärungen zur Abstimmung" abzugeben, beschnitten wird. Bisher darf jeder Parlamentarier ein Votum vor einer abschließenden Abstimmung fünf Minuten lang begründen. Künftig soll er nur noch eine knappe schriftliche Erklärung abgeben können. Nur ausnahmsweise darf ihm der Bundestagspräsident das Wort für eine mündliche Erklärung erteilen - für maximal drei Minuten.

Damit wird der Bundestag vollends zu einem Operationsfeld der Fraktionsmeinungen. Der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch warnte vor der Aushöhlung der Glaubwürdigkeit des Bundestags. Dieser sei kein "Kongress der Fraktionen, sondern Versammlung der Abgeordneten", sagte er der SZ.
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Hintergund war wohl ua. dies hier:
http://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagspraesident-in-der-kritik-lammert-gegen-alle-1.1153017
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Ich empfinde daß als eine Anmassung sondersgleichen, mit welcher Selbstverständlichkeit demokratische Instanzen immer weiter ausgehölt werden. Brauch mir niemand erzählen das sich eine Merkel in einem totalitärem Regime wie der DDR weniger wohlgefühlt hätte, ganz im Gegenteil.

Ließt sich für mich auf den ersten Blick als ob man dadurch versuchen wolle, Gesetzesänderungen schneller durchkriegen zu wollen.

Aber "Fraktionsdisziplin" gibt es schon länger als seit dieser Änderung.

Wikipedia: Fraktionsdisziplin

"Im "Focus" hatte der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler Anfang April vor einer solchen Änderung gewarnt. "In Karlsruhe sehen wir uns wieder", sagte er dem Magazin."
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,827499,00.html (Archiv-Version vom 15.04.2012)

buddel

Da ich selbst mal in der Jugendvertretung eines Vereins tätig war, kann ich die Debatte bzw. Forderung des Bundestags durchaus nachvollziehen. Da sich vor allem manche Themen endlos in die Länge ziehen können und jeder eine Meinung dazu hat und wenn die sich auch nur hauchdünn von der anderen unterscheiden mag, ist es schwer möglich zum Ende zu kommen, es sei denn man begrenzt die Zeit ooder beendet die Debatte und kommt anschließend zum Voting.

Die Fraktionsdisziplin lässt sich ja hieraus rechtfertigen

Jede Partei muss sich, um ihre Interessen durchsetzen zu können, auf ihre Abgeordneten verlassen, und umgekehrt sind die Abgeordneten der Partei im Wahlkampf meist auf die Unterstützung der Partei angewiesen.

Wenn Abgeordnete sich nicht an das Programm ihrer Partei halten, so werden diese Entscheidungspakete wieder aufgeschnürt.

Kein Abgeordneter kann in allen Fachthemen ausreichende Sachkenntnis haben und muss sich daher an den Meinungen der anderen Mitglieder seiner Fraktion orientieren.

Ohne Fraktionsdisziplin wäre die Arbeitsfähigkeit der Regierung stark eingeschränkt, da von Abweichlern aus der eigenen Fraktion und von der Opposition (deren Abgeordnete der Meinung sind, die Regierung müsse abgelöst werden) die Gesetzgebung blockiert werden würde.

Es kann durchaus eine Gewissensentscheidung sein, Gesetzen zuzustimmen, die nicht der eigenen Überzeugung entsprechen, da Alternativen (Regierungswechsel) oder die Unterstützung durch die Fraktion bei einem anderen Thema schwerer wiegen

Alles durchaus nachvollziehbare Gründe.

Mit welchen Recht argumentiert man die geplante Änderung? @seraphim82

Der ganze Bundestag war, ist und bleibt eine Lachnummer, die nichts anderes zustande bringen kann und wird, als dieses Land immer mehr zu zerstören und zu überfremden.
Was sie Deutschland antun wird sie eines tages einholen.

Interessant und was hast du zum Thema zu sagen? @Rodewin

@Can

Da brauch man nichts mehr zu sagen. Weil alles was von da kommt nur Müll ist. Beschäftigst du dich jeden tag mit Müll? Über was willst du denn morgen diskutieren? Such dir was aus.
Dieser Klüngel da... was erwartest du eigentlich? Was intelligentes ?

Abartig. Ich hoffe, Karlsruhe macht denen einen Strich durch die Rechnung.

@GrandOldParty

Sei doch froh das die sich jetzt schon gegenseitig den Mund verbieten, macht Hoffnung. :)

Passt doch: Gesetze schneller durchpeitschen, unliebsame Redner nicht zu Wort kommen lassen. Hat hier jemand was von Demokratie gesagt?

@Rodewin

Überfremdung? Was für ein Blödsinn.
Es regiert schwarzgelb, falls du es noch nicht bemerkt hast und das nennt man Rechts-Mitte-Koalition.

Unter Rot-Grün war die Zuwanderungsgesetzgebung genauso restriktiv.

So wird jede Kritik verhindert, wenn man nur noch seine Marionetten zum Reden schickt.

Die Fraktionsdisziplin ist natürlich unerlässlich, um den Bestand einer parlamentarischen Demokratie zu garantieren. Aber hier wird vielleicth ein wenig zu weit gegangen; immerhin stören vereinzelte Rebellen den Ablauf eigentlich kaum. Meines Erachtens grassiert ein wenig Panik bei den "entidoeologisierten" Partein, die fürchten, in Zukunft öfter mit energischen vertretern ihrer ursprünglichen Überzeugungen konfrontiert zu werden.

Warum so umständlich? Der Herr Adolf hat die einfach aufs Maul hauen lassen und ruhe war. Warum müssen wir noch debatieren? Da können sie die ja gleich ausschliessen. Das ist doch mal Meinungsfreiheit^^ Die dürfen drinsitzen aber nix sagen... Da sieht man doch mal was das Volk wert ist!

MfG Heppy™

wird doch hoffentlich in Karlsruhe kassiert werden.

Die Hälfte der Mitglieder des Bundestages werden direkt vom Volk gewählt, eine Zugehörigkeit zu einer Partei und zu einer Fraktion ist dafür nicht notwendig.
Mit einer solchen Regelung schließt man von vorneherein aus, daß die direkt gewählten Vertreter, sollten Sie mal ausnahmsweise nicht einer Fraktion angehören ihr Rederecht nicht mehr frei, sondern nur noch in Absprache mit Fraktionen ausüben dürfen. Im Parlament wird dann (eigentlich jetzt schon) nicht mehr der Volkeswille, sondern der Fraktionswille umgesetzt.

Darf an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich die bisherige Praxis der Fraktionsbildung ebenfalls extrem verfassungsfeindlich ansehe, schränkt sie doch den Parlamentarier in seiner freien Willensbildung ein.

Scheinbar wird die modere Politik zu faul zum diskutieren und keinen Bock mehr auf Demokratie.
Den Dialog mit dem Volk hat man schon lange verloren, jetzt will man an seine eigenen Leute ran.

Aethelred schrieb:immerhin stören vereinzelte Rebellen den Ablauf eigentlich kaum.

Finde diese Verniedlichung unangemessen. Überhaupt wird überall wo eine gewisse Dynamik entsteht gegen die vermeindliche Alternativlosigkeit des ethablierten Parteienspektrums immer nur verniedlicht. Ein Tatbeständ der immer wieder die Zornesröte ins Gesicht treibt.

@seraphim82

Es geht ja nicht um das Parteienspektrum, sondenr um die Fraktionsdisziplin. Und um die abzuschaffen, müssen wir schon zuerst ein präsidentielles System errichten. Innerparlamentarische Opposition soll im Moment von den Nichtregierungsparteien geübt werden, während die von mir verniedlichten Rebellen innerparteiliche Opposition betreiben.

Paradoxerweise wird diese innerparteiliche Opposition immer stärker von oben nach unten initiiert. Zumindest drängt sich der Gedanke gerade in Bezug auf die Rettungsschirme immer stärker auf. Der Bürger hat ein Recht Einblicke in das gesammte Stimmungsbild in den entsprechenden Parteien vermittelt zu bekommen, und eine Vertuschung dieser Sachverhalte genügt höchstens der Selbsgerechtigkeit der jeweiligen Parteielite.

@Can
jeder abgeordnete ist nur seinem gewissen verantwortlich und nicht der fraktion!

eine solche änderung wäre ein demokratie abbau und nicht ein mehr an demokratie.

@seraphim82
Ich entleihe mir mal diese Anmerkung und beziehe sie auf deine Überschrift:

seraphim82 schrieb:Ein Tatbeständ der immer wieder die Zornesröte ins Gesicht treibt.

Ich werte diesen Versuch als Abbau der Demokratie,solange nicht nachvollziehbare Gründe der entsprechenden Befürworter dieses Maulkorbes vorgebracht werden.