Wie ein Skandal gemacht wird
Wer die „Zehn Goldenen Regeln“ einer Affäre beherrscht, hat Medien-Macht. Die Öffentlichkeit wird dann zur Manipulationsmasse. Auch bei Präsidenten.
Es war einmal ein Präsident. Er stammte aus einfachen, gleichwohl schwierigen Verhältnissen. Er kämpfte sich hoch und kam, an Alter noch sehr jung, ins höchste Amt. Rasch wurden seine Frau und er beliebt. Doch dann überzog man sie mit Affären. Die Vorwürfe prasselten schneller auf das Präsidentenpaar ein, als es sich wehren konnte. Und wie so oft, so war es auch diesmal: Nicht der Inhalt eines Skandals wurde dem Präsidenten zum Verhängnis, sondern sein eigener Umgang damit.
Der Präsident log, vor der Öffentlichkeit und sogar unter Eid. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet, ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege geleitet. [...]
„Zehn Goldenen Regeln für die erfolgreiche Inszenierung eines Skandals“. Es lohnt, diese zehn Regeln kurz in Erinnerung zu rufen:
1. Falls Du keine Enthüllungs-Konkurrenz befürchten musst, warte mit der Veröffentlichung auf eine nachrichtenarme Zeit. Gut ist der Beginn der Sommerferien, perfekt die Weihnachtszeit. Mangels anderer Themen gibt es hier die größtmögliche Resonanz.
2. Verschieß’ Dein Pulver nicht gleich beim ersten Mal. Strecke und dosiere die Geschichte so, dass der Leser das Gefühl bekommt, er habe erst die Sitze des Eisbergs gesehen. Das erzeugt Neugier und garantiert eine längere Haltbarkeit.
3. Ideal ist, wenn sich der Angegriffene zum Zeitpunkt der Lancierung auf Urlaub oder Dienstreise befindet. Dann kann er sich nicht unmittelbar zur Wehr setzen, sondern hinkt dem Skandal hinterher, der dadurch eine Eigendynamik bekommt.
4. Suche Komplizen! Ein einzelnes Medium ist für eine Kampagne zu schwach. Füttere also die Konkurrenz recht bald mit Exklusiv-Informationen, damit sie in die Geschichte einsteigt. Ohne andere willige Vollstrecker – insbesondere auch in den elektronischen Medien – laufen Affären schnell leer.
5. Weil immer etwas hängen bleibt, gib nach der ersten großen Welle Umfragen in Auftrag, die belegen, dass der Angegriffene an Ansehen verliert. Das beschleunigt dessen Negativspirale. Anschließend musst Du Politiker finden (jeder Hinterbänkler ist willkommen), die seinen Rücktritt fordern. Dann kannst Du tagelang titeln „…immer stärker unter Druck“.
9. Starte nach etwa zwei bis drei Wochen die Nachfolge-Diskussion. Das erzeugt das Gefühl, der Rücktritt des Angegriffenen sei schon beschlossene Sache und nur noch eine Frage der Zeit.
10. Sollte die Person wider Erwarten jetzt immer noch im Amt sein und Du Dein Pulver verschossen haben, konzentriere Dich ausschließlich auf die Charakter-Frage (Pattex-Politiker, klammert sich ans Amt, ist ehrlos, hat keine Würde mehr).
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kontrapunkt-wie-ein-skandal-gemacht-wird/6046546.htmlViel Erfolg beim Mitmachen.