Militärische Intervention in Libyen!
21.10.2011 um 03:40
Libyen plant die Nach-Gaddafi-Zeit
Wenige Stunden nach dem Tod des langjährigen libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi hat der Übergangsrat erste Weichenstellungen für die Zukunft des Landes bekanntgegeben. Der Chef der Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, sagte laut dem Sender "Al Dschasira", an diesem Samstag solle offiziell der Beginn der Übergangsphase auf dem Weg zu einem demokratischen Staat verkündet werden. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, wolle dies in Syrte, der Heimatstadt von Ex-Diktator Gaddafi tun. Dann werde binnen 30 Tagen eine neue Übergangsregierung gebildet. Acht Monate später solle dann ein Nationalkongress einberufen werden, um die Weichen für einen kompletten Neuanfang zu stellen.
Dschibril erklärte demnach, der Übergangsrat habe, nachdem Gaddafi getötet worden sei, Kontakt mit dem Internationalen Strafgerichtshof aufgenommen. Das Gericht habe die Libyer gebeten, Gaddafi vorerst nicht zu begraben, damit der Leichnam untersucht werden könne. Der Übergangsrat habe jedoch anders entschieden. Allerdings hätten Ärzte Haar- und Gewebeproben von der Leiche genommen, um keine Zweifel an der Identität des Getöteten aufkommen zu lassen. Gaddafi werde in Kürze an einem unbekannten Ort nach islamischem Ritus begraben.
Mit dem Tod Gaddafis steht auch der monatelange Krieg in Libyen offenbar vor dem Ende. Der NATO-Rat wurde für heute zu einer Sondersitzung einberufen. Das Gremium der Botschafter der 28 NATO-Staaten werde aller Voraussicht nach den Einsatz für abgeschlossen erklären, sagten Diplomaten. In einer Erklärung von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen heißt es: "Die NATO und unsere Partner haben das historische Mandat des UN-Sicherheitsrates zum Schutz der libyschen Bevölkerung erfolgreich umgesetzt." Der französische Außenminister Alain Juppé sagte, der NATO-Einsatz werde gestoppt, sobald der Übergangsrat die vollständige Befreiung Libyens bekannt gebe. Das steht offenbar unmittelbar bevor.
"Zeit, ein neues, einiges Libyen zu schaffen"
Dschibril hatte gestern Nachmittag in Tripolis den Tod Gaddafis bestätigt. "Wir bestätigen, dass alles Böse und Gaddafi aus diesem geliebten Land verschwunden sind." Nun sei es an der Zeit, ein neues, einiges Libyen zu schaffen. Spätestens heute werde Übergangspräsident Mustafa Abdel Dschalil die Befreiung des Landes von Gaddafis Herrschaft verkünden. In zahlreichen Städten in Libyen feierten die Menschen das endgültige Ende der knapp 42 Jahre langen Herrschaft des Diktators. Gaddafi wurde acht Monate nach dem Beginn des Volksaufstands in Libyen in seiner Heimatstadt Syrte getötet. Er war im Sommer gestürzt worden, seitdem war er abgetaucht.
Widersprüchliche Angaben zu den Umständen des Todes
Nach wie vor sind die Angaben über die genauen Umstände des Todes Gaddafis widersprüchlich. Nach Angaben des Nationalen Übergangsrats wurde Gaddafi nach seiner Festnahme in Syrte bei einer Schießerei durch einen Schuss in den Kopf getötet. "Als er gefunden wurde, war er bei guter Gesundheit und hatte eine Waffe", sagte Dschibril. Er sei anschließend auf einen Pickup gebracht worden. Als das Fahrzeug losfuhr, sei jedoch eine Schießerei ausgebrochen, bei der er einen Schuss in den Kopf erhalten habe. Bis zu seinem Eintreffen im Krankenhaus in Misrata sei er jedoch am Leben gewesen, sagte Dschibril.
Der Kommandeur des Übergangsrats in Syrte, Mohammed Leith, hatte zuvor gesagt, Gaddafi habe aus einem Jeep zu fliehen versucht, als dieser beschossen wurde. Er habe sich in einem Abwassergraben versteckt, sei dann jedoch mit einer Kalaschnikow und einer Pistole in den Händen herausgekommen und habe sich umgeschaut. Da sei er von Kämpfern des Übergangsrats an der Schulter und am Bein getroffen worden, sagte Leith.
NATO bestätigt Luftangriff auf Fahrzeugkonvoi
Als gesichert gilt nur, dass Gaddafi in oder in der Nähe von Syrte starb - kurz bevor diese letzte noch von Gaddafi-Anhängern gehaltene Bastion fiel. Nach Angaben eines Arztes des Krankenhauses von Misrata, in das der Leichnahm von Syrte aus gebracht worden war, starb er an Schussverletzungen. Gaddafi sei am Kopf und am Bauch von Schüssen getroffen worden, sagte der Arzt dem Nachrichtensender "Al Dschasira".
In früheren Berichten hatte es geheißen, Gaddafi könnte bei der Flucht aus Syrte durch einen NATO-Luftangriff getötet worden sein. Die NATO bestätigte zwar den Angriff auf einen Fahrzeugkonvoi, betonte aber, man wisse nicht, wer dabei getötet worden sei. Die NATO bestätigte außerdem, dass an dem Angriff eine unbemannte Drohne beteiligt war.
Auch zwei Gaddafi-Söhne tot
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) forderte eine Untersuchung der Todesumstände von Muammar al Gaddafi. Es sei wichtig, dass dem libyschen Volk durch eine unabhängige Untersuchung alle Fakten offenbart würden. Neben Gaddafi wurden auch zwei seiner Söhne getötet. Die Leichen Saif al-Islam und Mutassim al Gaddafi seien in das Krankenhaus von Misrata gebracht worden, berichtete das libysche Fernsehen. Beide sollen ebenfalls beim Kampf um Syrte ums Leben gekommen sein.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete den Tod des gestürzten libyschen Machthabers als entscheidenden Wendepunkt für das nordafrikanische Land. Dieser Tag markiere "eindeutig einen historischen Übergang für Libyen". Der weitere Weg für die libysche Bevölkerung werde aber "schwer und voller Herausforderungen" sein. Ban rief die Kämpfer auf beiden Seiten auf, ihre Waffen niederzulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, nun sei der Weg "endgültig frei für einen politischen Neuanfang in Frieden".
US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Tod Gaddafi als "Ende eines langen und schmerzhaften Kapitels". Das libysche Volk habe nun die Chance, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Obama sprach von einem "historischen Tag in der Geschichte Libyens". "Sie haben ihre Revolution gewonnen", sagte er an die Adresse der Rebellen.
tagesschau.de