Umfassende Kontroll- und Überwachungsapparate, Massenorganisationen, Propaganda und erhebliche Beeinträchtigung bishin zur Aufhebung der Grundrechte sind keine speziellen Merkmale des Sozialismus oder des Kommunismus. Sie sind Merkmale des Totalitarimus und einige (oder alle) Merkmale finden sich auch in totalitären Regimes, die sich laut Eigenverständnis nicht dem Sozialismus zugehörig fühlen oder fühlten, sondern von der Wirtschaftsform her dem Kapitalismus zuzuordnen sind, etwa die Pinochet-Diktatur in Chile, Turkmenistan unter dem "Turkmenbashi", die südkoreanischen Militärdiktaturen unter Park Chung-hee und Chun Doo-hwan oder auch der aktuelle saudi-arabische absolutistische Staat.
Die totalitären Staaten des Ostblocks, die VR China, Nordkorea (welches offiziell sogar die Juche-Ideologie des Staatsgründers als dem Marxismus-Leninismus vorrangig betrachtet) und alle anderen totalitären Staaten unter der Führung einer marxistisch-leninistischen Partei sind im ursprünglichen marxistischen Sinne nicht einmal mehr als sozialistisch zu bezeichnen. Der "linke" Flügel des Marxismus bezeichnet die Wirtschafts- und Gesellschaftsform von Staaten unter der Führung einer leninistischen "Avantgardepartei" als "Staatskapitalismus" und schon früh hat sich eine linke Opposition gegen Lenin ergeben, so etwa durch Rosa Luxemburg oder den niederländischen Rätekommunisten Anton Pannekoek.
Neben der totalitären Bevormundung des Menschen und desen totaler Kontrolle im marxistisch-leninistischen Einparteienstaat ist auch das Wirtschaftssystem der Zentralverwaltungswirtschaft alles andere als sozialistisch, sondern im Prinzip staatskapitalistisch. Dazu eine genauere Ausführung von Pannekoek aus "5 Thesen über den Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus" (Mai 1947):
Gleichzeitig vollzieht sich in den meisten Ländern ein Prozeß, die organisierte Staatsmacht einzusetzen, um die Kontrolle der Schlüsselindustrien in die Hände zu bekommen, als Beginn der "Planwirtschaft".[...] Im staatskapitalistischen Rußland beherrscht die Bürokratie kollektiv die Produktionsmittel und unterdrückt diktatorisch die ausgebeuteten Massen.
Der Sozialismus, der als Ziel des Arbeitskampfes dargestellt wird, ist tatsächlich lediglich die Organisierung der Produktion durch den Staat. Er ist Staatssozialismus, Leitung der Produktion durch Staatsbeamte, Herrschaft der Direktoren, der Intelligenz und der Kader in der Fabrik.
In der sozialistischen Wirtschaft bildet dieser Apparat eine gut organisierte Bürokratie, die als Beherrscherin des Produktionsprozesses fungiert. Der Apparat verfügt vollständig über die Produktion und bestimmt, welchen Anteil davon die Arbeiter in Form von Lohn erhalten; den Rest behält sie für die allgemeinen Bedürfnisse und für ihre eigenen ein.
Sozialismus ist daher laut Pannekoek weder durch eine leninistische Kaderpartei, noch durch staatliche Bevormundung und staatliche Planvorgaben, die die Eigeninitiative der Arbeiter auf der untersten Ebene genauso beschränken, wie die kapitalistischen Vorgaben zur Mehrung von Kapital bzw. der Anhäufung von Mehrwert, zu erreichen.
Es ist Aufgabe der Arbeiterklasse, sich von der Ausbeutung zu befreien. Dieses Ziel wird und kann nicht durch eine neue Führungsgruppe, die die Bourgeoisie ersetzt, erreicht werden. Dies kann nur dadurch erreicht werden, daß die Arbeiter selbst Herren über die Produktion werden.
"Arbeiter als Herren der Produktion" drückt an erster Stelle aus, daß in jeder Fabrik, in jedem Unternehmen die Organisation der Arbeit das Werk der Arbeiter sein muß. Anstatt durch einen Direktor und dessen Aufpasser reglementiert zu werden, werden die Produktionsabläufe durch die Gesamtheit der Arbeiter bestimmt. Diese alle Arbeiter, Spezialisten, Techniker umfassende Gesamtheit, also alle, die an der Produktion teilnehmen, bestimmt in Versammlungen über alles, was sie bei der gemeinsamen Arbeit betrifft. Diejenigen, die eine Arbeit erfolgreich durchführen sollen, müssen auch über sie die Leitung haben, die Verantwortung übernehmen in den Grenzen der Gesamtheit. Diese Regelung kann auf alle Zweige der Produktion angewendet werden. Sie setzt voraus, daß die Arbeiter ihre eigenen Organe schaffen, um die vereinzelten Unternehmer zu einer Einheit planvoller Produktion zusammenzuschließen. Diese Organe sind die Arbeiterräte. Arbeiterräte sind Gremien von Delegierten, Beauftragten der verschiedenen Fabriken oder Abteilungen großer Unternehmen, als Wortführer ihrer Absichten, Meinungen; um gemeinsame Probleme zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen und ihren Auftraggebern Rechenschaft abzulegen.
Sie bestimmen die verschiedenen Regeln und legen sie fest; indem sie die verschiedenen Meinungen zu einer gemeinsamen Position vereinigen, verbinden sie untereinander die getrennten Einheiten, machen daraus ein gut organisiertes Ensemble. Sie bilden kein permanent leitendes Gremium. Alle können jederzeit von ihren Funktionen abberufen werden. Die ersten Ansätze der Arbeiterräte gab es in der russischen und deutschen Revolution (Sowjets und Arbeiterräte). Bei den künftigen Aufgaben der Arbeiterklasse müssen sie eine mehr und mehr wachsende Aufgabe erfüllen.
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/pannekoek/1947/05/5thesen.htm