@rockandroll Ich widerspreche ungern, aber ich tue es dennoch.
Jemand, der über andere urteilt (insbesondere wenn diesem jemand gar kein Urteil zusteht und es besser gewesen wäre er hätte einfach die Klappe gehalten) muss sich an seinen Aussagen messen lassen. Moral und Wertevorstellungen sind kein Kaugummi.
Zu Hoeneß ließ sich Hofreiter zu folgendem Statement hinreißen:
"Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und gehört streng bestraft [...] Nun ist es Sache des Gerichts, zu einem Urteil zu kommen. Moralisch diskreditiert ist Uli Hoeneß schon jetzt. VW oder Audi halten im Bayern-Aufsichtsrat trotzdem zu ihm. Das ist ein Skandal. Wer in ihren Unternehmen einen Diebstahl begehen würde, würde rausfliegen. Wer wie Hoeness das Gemeinwesen bestiehlt, dem wird dagegen kumpelhaft der Arm um die Schultern gelegt. Diese Doppelmoral der Wirtschaftsbosse ist abstoßend."
Das war kein unbedachtes Interview zwischen Tür und Angel, sondern wohlformuliert auf seiner HP nachzulesen. Dem Leser solcher Aussagen stehen nicht nur die Haare zu Berge, er muss fürchten dass seine Haare flüchten und auf ewig verschwinden.
Es scheint als wolle er Hoeneß nicht verurteilen, er tat es dennoch weil er ihn (vor Urteilsverkündung) eines Verbrechens bezichtigte (was übrigens den Straftatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung darstellt, was ebenso justiziabel ist wie Steuerhinterziehung). Doch um den ganzen die Krone aufzusetzen brandmarkt er VW und Audi. Die standen aber nicht unter Anklage.
Was genau wirft er ihnen vor? Den Schulterschluss. Also den Umstand, dass sie eben nicht vor Verkündung des richterlichen Urteils eigene Urteile fällen! Also dass sie sich vorläufig
völlig korrekt verhalten haben, denn die Konzerne äusserten sich öffentlich explizit nicht zu dieser Sache.
Der "Moralheld" Hofreiter spielte sich hier nicht nur als Gewissen des Gemeinwesens und außergerichtlichem Richter auf, er bewarf nebenbei mit seiner Interpretation der Kollektivhaft und seinem individuellen Relativismus Unschuldige mit Dreck.
So leid es mir tut, moralische Ansprüche und geltendes Recht sind keine Hure, die man hinterher nie mehr anrufen braucht. Er muss an seinen Worten gemessen werden, sie sind die Hürde, die er sich selbst gewählt hat.
Der Umstand dass Zweitwohnsitz-Besteuerung eine selten dämliche Steuer ist, hilft da nichts. Der Umstand, dass es sich um einen vergleichsweise niedrigen Betrag geht, ändert nichts am Tatbestand und der Schuld. Vergesslichkeit ist nicht strafmildernd.
Er ist ebenso schuldig wie ein Hoeneß, das hat er mit seinem Eingeständnis ja eingeräumt.
Was sagt uns das über Hofreiters Moral und Gesetzestreue? Was sagt uns das über jene, die nun den Schulterschluss mit ihm üben?
In Anlehnung an Hofreiters Worte hat zu gelten:
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und gehört streng bestraft. Toni Hofreiter hat das Vergehen eingestanden. Moralisch diskreditiert ist Hofreiter schon jetzt. Eckhardt Göring, die einst Hoeneß vor Urteilsverkündung unmoralisch und kriminell bezeichnete, hält trotzdem zu ihm, für sie ist die Angelegenheit mit Hofreiters Bedauern und Einsicht erledigt. Wer das Gemeinwesen bestiehlt, dem wird kumpelhaft der Arm um die Schultern gelegt. Die Doppelmoral der Politiker ist abstoßend. Aber der Anton braucht sich nicht grämen. Vergesslichkeit qualifiziert in diesem Staat zum Bundesfinanzminister. Der großen Karriere steht somit nichts im Weg.
Ich finde es übrigens ziemlich widerlich, wenn nach solchen Ereignissen die Maulhelden unserer Zeit ihr großes Stündlein geschlagen hören und endlich mal richtig reindreschen können - einfach weil man grün ohnehin abgrundtief hasst und man sich so eine Gelegenheit nicht entgehen lassen sollte. Auf der anderen Seite weiß der Hofreiter ja auch nicht, wann es geschickter und angemessen ist, einfach mal die F.... zu halten und nutzt jede Gelegenheit zur eigenen Profilierung. Jetzt hat er sein Profil. Glückwunsch. Wer sich auf der Überholspur wähnt und seine Nase zu weit aus dem Fenster streckt, der braucht sich nicht wundern, wenn ihm aller möglicher Dreck um die ebendiese fliegt.
Und da Hofreiter gerne den Wecker zitiert, schließe ich frei nach Wecker mit den Worten:
Sage nein, auch wenn die Welt den "Oarsch" offen hat.