02.09.2001 Die Tobin-Steuer
Tobin, ein Anhänger der Keynesschen Wirtschaftslehre, der 1981 den Nobelpreis erhielt, entwickelte 1972 die Idee, alle Devisengeschäfte an den Börsen mit einer Abgabe von einem Prozent zu belegen und so Sand ins Getriebe der Finanzmärkte zu streuen.
Heute ist die Tobin-Steuer zum Symbol der Globalisierungskritiker geworden. Vehement fordern Gruppen wie Attac, eine Spekulationsteuer in Höhe von 0,1 bis 0,25 Prozent einzuführen und mit den Einnahmen der Dritten Welt zu helfen. In der vergangenen Woche unterstützte mit Lionel Jospin erstmals der Regierungschef eines großen Industrielandes diesen Ansatz. Der Franzose will die EU-Finanzminister, die Ende September in Lüttich tagen, zu einer Initiative bewegen. Gastgeber Belgien hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Alle anderen Euro-Staaten, aber auch die USA lehnen die Abgabe dagegen ab.
"Die Tobin-Steuer könnte nur funktionieren, wenn sie in allen Ländern der Welt eingeführt wird", urteilt Bundesfinanzminister Hans Eichel. "Das ist illusorisch." Gleichwohl ist auch in Berlin eine kontroverse Debatte in Gang gekommen. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und Außenminister Joschka Fischer halten die Steuer, trotz aller Zweifel, für prüfenswert, linke Politiker bekunden ihre Sympathie. So sind die SPD-Parlamentarier Edelbert Richter, Detlev von Larcher und Andrea Nahles sowie Rebecca Harms, Parteiratsmitglied der Grünen, und Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine gleich Mitglied bei Attac geworden.
Weltweit unterstützen 680 Abgeordnete die Gruppe, in der vergangenen Woche schickte Attac seine Erklärung an alle Bundestagsabgeordneten. Erster Erfolg: Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller versprach, einen Antrag zur Tobin-Steuer ins Parlament einzubringen vorausgesetzt, die SPD macht mit. Doch die ziert sich: SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warnt, "diese Steuer zu überhöhen", es gebe bessere Instrumente gegen die Spekulation. Auch der grüne Finanzexperte Oswald Metzger spricht von einer "Sankt-Nimmerleins-Tag-Steuer, die nie kommt".
Selbst in Frankreich wachsen die Zweifel: Finanzminister Laurent Fabius wies den Vorstoß seines Chefs brüsk zurück. Und ein Attac-Sprecher argwöhnte, Jospin, der 2002 Präsident werden möchte, wolle bloß Wähler gewinnen und die Tobin-Steuer ansonsten beerdigen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,154674,00.html