@sacredheart sacredheart schrieb:Mit der Allegorie des Politikers als Zoowärter kann ich mich aber schlecht anfreunden. Das ist eher eine absolutistische Sicht auf Staat und Volk.
Wir suchen uns unsere Gehege (wenn kein Mietendeckel) und unser Futter (solange kein Veggie Day) ja weitgehend selbst aus.
Wir suchen uns aus den Auswahlmöglichkeiten aus, die uns geboten werden. Da mag es mehr ein Wildreservat sein als ein Zoo, je nach Gesellschaftsform, aber irgendwo sind leute, die die gesellschaft mit ihren Entscheidungen steuern (oft ist das denen gar nicht so klar).
Wenn das Bild für dich nicht passt, habe ich aber noch ein anderes: Das des Spiele Entwicklers. Die Gesellschaft ist ein Spiel und die Politiker bzw. anderweitig entscheidenden sind die, die die Regeln festlegen.
Wenn ein Entwickler merkt, dass eine Zahl von Leuten in ihrem Spiel auf eine Art und Weise spielen, die toxisch ist, dann ist die faulste Methode, einfach die Schuld auf diese Spieler zu schieben. Das, was man eigentlich tun sollte, ist aber, sich zu fragen, ob die Spielregeln möglicherweise Menschen zu toxischen Spielweisen verleiten
Wenn ich z.B. ein online spiel hab, in dem Menschen kooperieren sollen (also ein MMORPG, oder ein Moba, oder eben jegliche Teamspiele) und ich merke, dass ein signifikanter Teil meiner Spielerbasis ihr eigenes Team bekämpft, dann ist meine schlechteste Lösung einfach zu sagen 'das sind böse spieler' und nichts zu tun.
Meine zweitschlechteste lösung ist, zu sagen 'das sind böse spieler' und sie zu sanktionieren, ohne die Gründe zu erforschen. Denn offenbar ist mein Anreiz, kooperativ zu spielen, nicht attraktiv genug. Die Sanktionen würden SInn machen, wenn es um einige wenige spieler geht, die halt unverbesserlich sind.
Aber was, wenn mein Spielprinzip dafür sorgt, dass in einem Großteil der Spiele Frust und Streit im Team entsteht, selbst unter denen, die eigentlich kooperativ sein möchten?
Dann würde ich vielleicht die teamkiller sanktionieren können, aber den frust steigere ich so vielleicht sogar noch, weil ich jetzt dieses Ventil zu mache und die restlichen spieler TROTZDEM streit und keinen spaß haben, ob da einer auf sein team losgeht, oder nicht.
Ich bin hier in der VErantwortung als Entwickler. Ich kann nicht kontrollieren, was der einzelne tut (genausowenig wie der zoowärter) aber ich kann durch die rahmenbedingungen und statistische überlegungen letztendlich die Spielerbasis und ihre Entscheidungen formen und das ist auch meine Aufgabe. Und so ist es auch in der politik.
Es ist leicht zu sagen "linksextreme, ja, das sind besoffene Kinder die halt nicht arbeiten wollen und ihre unfähigkeit dann an polizisten auslassen". Und es gibt dann genug beispiele, wo man sich vermeintlich bestätigt sieht, wenn da irgendeiner mit bunten haaren aus einer rattenlochwohnung mit Regenbogenfahne antistaatliche Parolen schreit und Ziegel wirft.
Aber so über das Problem zu denken greift zu kurz und der staat muss auch hier seiner VErantwortung nachkommen und sich fragen: Warum wollen diese LEute am Gesellschaftsspiel nicht teilnehmen?
Selbst wenn da primitive Bedürfnisse wie Gruppengefühl, Lust an Gewalt/Aufregung oder Aversion gegen das Arbeiten im Vordergrund stehen sind das erstmal ja Bedürfnisse, die möglicherweise viel mehr Menschen als nur die Linksextremen teilen.
Vielleicht habe ich nicht nur ein problem mit ein paar hunder Hausbesetzern. Vielleicht sind das nur die LEute, die ihr Bedürfnis wirklich ausleben wollen auch ohne Rücksicht auf Sanktionen oder Nachteile, aber ich habe millionen Menschen im HIntergrund, die gut verstehen können, warum einer in so einer Kommune lebt und viele Gedanken, die die Linksextremen haben teilen.
Das muss ich untersuchen als staat, ich muss die Gründe dafür kennen, dass politische Gewalt anwächst bzw. mehr Leute gewaltbereit sind.
Das Individuum mag einen dummen grund haben. Der Löwe wollte halt kämpfen, der toxische Spieler hatte halt Bock zu trollen. Aber die Gründe einer Gruppe sind meist deutlich komplexer und indirekter, als es auf den ersten Blick scheint und es lohnt sich immer, zu verstehen, was da eigentlich passiert.
Früher waren verschwörungstheoretiker nette jungs mit nem fox mulder "I want to believe poster" und hingen auf allmy rum um über aliens zu quatschen. Heute töten sie Juden in Halle. Unterschied, muss man sich fragen warum.
GEnauso muss man sich fragen, warum . Genauso muss man sich schon fragen, warum gerade jetzt linksextrem motivierte gewalt ansteigt. Das kommt ja nicht von ungefähr, weil plötzlich mehr menschen einfach so zufällig sich zur politisch motivierten gewalt entscheiden. Peer group hin oder her, du kannst mit deinen linksextremen freunden auch einfach zusammen sitzen und saufen. Machen die meisten auch so. Wenn dort von mehr Menschen Steine geworfen werden oder Brandattacken ausgeführt werden als vorher, hat das irgendwelche Gründe, die wichtig sind.