Kapitalismus - Die Ausgeburt der Hölle
18.03.2023 um 13:49cejar schrieb:Ich war bestürzt das Du vor Fedy einknickst - während Deine Beiträge durchdacht und sehr schön formuliert waren knickst Du vor jemanden ein, der nur sagt: Nein, ich habe recht, Du nicht, ohne was zu begründen. Um so mehr freue ich mich das Du an der Diskussion doch noch teilnimmst.Er verschwendet unsere Zeit.
cejar schrieb:Um das mal weiterzuspinnen ist es eventuell das Problem allgemein, das die Intellektuellen vor den Pragmatikern zu oft zurückweichen, einfach weil sie keinen Bock auf Taubenschach haben.Ganz sicher gibt es Transferblockaden und ich bin voll bei dir, dass wir die kritisch sehen müssen. Aber ich glaube, das Problem hier ist nicht nur, was Fedy von sich gibt, sondern wer da durch ihn spricht. Seine Profs glauben das nämlich auch.
Die Wirtschaftswissenschaften – Volks- und Betriebswirtschaftslehren – sind innerhalb der Sozialwissenschaften, zu denen sie ja eigentlich gehören, weitgehend isoliert. Vor allem die Soziologie, die innerhalb des Wissensgebiets die Methodologien und Theorien entwickelt, nimmt diese ,Wissenschaften' überhaupt nicht mehr ernst. Das liegt einerseits an der Weigerung der WiWi, sich mit den sie selbst fundierenden Gesellschaftstheorien auseinanderzusetzen; andererseits an Großereignissen wie 2007/2008, bei denen die Neoklassik vor den Augen der Welt versagt hat.
Die Sache ist, dass das wirklich in Hohn mündet, vor allem auf interdisziplinären Veranstaltungen, auch gerade seitens scharfzüngiger Fachdisziplinen wie der Politikwissenschaft. Die internen Wissensblockaden der WiWi hebst du so natürlich nicht auf; andererseits ist die Erschließung unseres Wirtschaftssystems in wissenschaftlich-analytischem Sinne aber auch gar nicht deren Ziel. Fedy kann und soll weiter glauben, Mehrwert entstünde auf nebulöse Weise durch Tauschbeziehungen. Er befindet sich von Anfang an in einem suggerierter Framing neoklassischer Scheinkomplexität und verfügt über keinerlei Kenntnis heterodoxer Ökonomien.
Sie erziehen also abertausende Zinnsoldaten, die dann in die freie Wirtschaft strömen und das tun, wofür sie wirklich ausgebildet wurden, nämlich in den Arenen konkurrierender Mächte um Profite zu kämpfen, und sie werden sehr gut dafür bezahlt. Aber das funktioniert nur, wenn du es nonstop ideologisch legitimierst. Besuch zum Beispiel mal eine von deren Vorlesungsreihen zum Human Ressource Management: Sie werden dir erzählen, dass es einem Unternehmen nicht nur um Profit gehe, sondern weitere soziale Ziele.
Mit diesem Bild im Kopf werden sie eines Tages als HR-Manager Gehälter in Lohnverhandlungen drücken.
Umgekehrt blockiert dieser Mechanismus progressive Entwicklungen innerhalb der WiWi. Interne Bemühungen etwa, HRM weiterzuentwickeln, also auch analytisch besser zu begreifen, lässt sie immer wieder die Soziologie durchwühlen, aber sobald sie etwas Nützliches finden, erfordert das regelrechte Verrenkungen, denn sie können und dürfen nichts aufnehmen, was ihre eigenen Paradigmen untergraben würde. Lange Zeit und heute immer noch weltweit überwiegend wird etwa wird im HRM mit dem Persönlichkeitsmodell der Big Five gearbeitet. Dann hat man erkannt, weil man es gemessen hat, dass die soziale Umwelt ("situative Variablen") und das Führungsverhalten einen sehr viel größeren Einfluss auf Angestellte haben, als deren Persönlichkeitseigenschaften. Um die situative Motivationsstruktur und Gefolgsbereitschaft von Menschen innerhalb eines Unternehmens zu verstehen, brauchst du dann aber Milieu und Ökonomie koppelnde Theorien wie die von Bourdieu – nur komplett lesen darfst du den nicht, weil dich das natürlich unmittelbar in die Kapitalismuskritik manövriert.
Wenn du Menschen solche Bildungslücken anerziehst, wird es auch für deren Kritiker absurd. Fedy weiß überhaupt nicht, wer Marx war und was er gemacht hat und sieht in der Theorie dahinter einen Utopismus, weil er das in Stammtischdiskussionen so aufgeschnappt hat. Marx hat sich mit ermüdender Pedanterie fast ausschließlich der Analyse der Lehre der Nationalökonomie gewidmet, ist praktisch jeden ihrer Aspekte durchgegangen, und war unglaublich vorsichtig mit alternierenden Gesellschaftsentwürfen. Fedy interessiert das nicht; Fedy wird ,Das Kapital' nie aufschlagen. Er mauert sich hinter Stohmannargumenten ein, um seine Wissenslücken zu kaschieren, beziehungsweise – und danach sieht es für mich aus – er ist mit diesen Strohmannargumenten eingemauert worden.