Link: www.welt.de (extern)0815 hat hier großzügig mitgeteilt, was schon lange Programm ist. Jungen habens in der Schule schwer. Mit Intelligenz kann man einige Defizite ausgleichen. Bildung jedoch erwirbt man nur, indem man sie sucht! Intelligenz beweist man, indem man Fehler erkennt und so schnell wie möglich korrigiert. Deutschland ziert sich noch...
Warum Jungen es in der Schule schwerer haben
Es ist wissenschaftlich belegt: Mädchen sind in der Schule erfolgreicher als Jungen. Die Gründe dafür sind nicht nur in den selbst Jungen zu suchen – sondern auch in dem weiblich geprägten Schulsystem. Ein neues Lernprogramm soll nun gezielt Jungen fördern und ihnen Selbstvertrauen geben.
Das Schulsystem und die Art in der Schule zu lernen, sprechen eher Mädchen an - Jungen haben oft das Nachsehen.
Während Kevin, Max und Mehmet noch traulich neben Catharina, Gülay und Svea (alle Kindernamen wurden geändert) auf dem Klassenfoto der 1c ihre Eltern anlächeln, haben Statistiker schon über ihre Schul- und Berufschancen entschieden. Bleibt es beim derzeitigen Trend, werden die Mädchen die Jungen beim Abitur mit 56 zu 44 Prozent abhängen. Die Jungs werden zu zwei Dritteln die Eleven der Haupt- und zu drei Vierteln die Belegschaft der Sonderschulen stellen. Die Mädchen werden sich, ausgestattet mit Lernfleiß und angespornt durch Girls Day und Genderkurs genehme Ausbildungs- und Studienplätze wählen. Die Jungen werden, schlechtere Abschlussnoten im Tornister, die unnützen Lehrgänge der Berufsvorbereitung und hernach die Flure der Jobcenter füllen.
Seit Jahren stehen Pädagogen und Bildungspolitiker einer wachsenden Misere gegenüber. War ehedem das katholische Mädchen vom Lande die geborene Bildungsverliererin, ist es jetzt der "Großstadtjunge mit Migrationshintergrund", so der Berliner Erziehungswissenschaftler Ulf Preuss-Lausitz. Medienwirksam zieht der Schulleiter der Wattenscheider Fröbelschule, Christoph Graffweg, mit seiner "Hartz-IV-Schule" die pädagogische Konsequenz aus der Tatsache, dass jährlich 80.000 Jugendliche, zwei Drittel von ihnen Jungen, ohne Schulabschluss auf den Arbeitsmarkt drängen. Graffweg leistet, was Schule leisten soll - auf das Leben vorbereiten. Bei Kindern aus Haupt- und Förderschulen heißt das: Leben von Hartz IV.
Während Graffweg seine Jungs auf dem Schulhof mit Kreide ALG-II-Kleinstwohnungen malen lässt, streitet man in Bildungsministerien und Unis noch über Erklärungen, warum überdurchschnittlich viele Jungen in der Schule versagen. Das Land Brandenburg, dem die Abiturienten Jahrgangsweise westwärts davonlaufen, wollte es genau wissen und legte 2007 einen Masterplan zur Jungenförderung vor. Erste These: Jungen versagen, weil Bildung weiblich ist. Brandenburg hat nachgezählt. Von den 14.500 Beschäftigten der Kindertageseinrichtungen war 2006 nur ein Prozent männlich. Andere Bundesländer zeigen ähnliche Werte. In den Grundschulen liegt der Anteil der Lehrerinnen im Bundesdurchschnitt bei 86,3 Prozent. Erst an Gymnasien sinkt er auf 51,2 Prozent.
Auch Schulbücher sind mittlerweile weiblich
Männer fallen damit in der Grundschule als positive Bezugspersonen weg. Auch die Schulbücher sind mittlerweile weiblich. Frauen schreiben und redigieren sie. Und sie enthalten Mädchenthemen. Während Jungen den schnellen Kick bei der Lektüre suchen, wie ihn Sachtexte bieten, die ohne Vorrede mit hoher Spannung einsteigen, bietet Schullektüre meist "Beziehungsdramen", die eher Mädchen ansprechen. Nils, Zweitklässler, findet diese political correctness "voll langweilig". Eltern sollten Jungen den privaten Lesestoff selbst aussuchen lassen. Da ist Anleitung zum Backen sinnvoller als die Empfehlungen der Stiftung Lesen.
Während Genderforscherinnen wie Ursula Rabe-Kleberg von der Uni Halle nicht müde werden, die Dominanz der Jungen in den Klassen zu betonen und männerlastige Darstellungen im Unterrichtsstoff aufzuzeigen, dreht der Wind in den Schulen. "Frauen wissen nicht, wie Jungen 'ticken'. Wer sich heute wie ein typischer Junge aufführt, wird schnell als hyperaktiv, aggressiv oder sozial defizitär wahrgenommen und entsprechend behandelt", resümiert Buchautor und Gesamtschullehrer Frank Beuster aus Hamburg seine Erfahrungen. Beuster setzt sich seit Jahren aktiv für Jungenförderung in der Schule ein. Ulf Preuss-Lausitz formuliert noch schärfer: "Lehrerinnen bewerten Jungen unfair", denn: "Lehrerinnen wollen störende Jungen loswerden."
"Haushaltsüberlebenskurse" für den Alltag
Was Jungen hilft, sind Projekte von Männern für Jungen an der Schule. Das Netzwerk "Neue Wege für Jungs" trägt sie bundesweit zusammen. In "Haushaltsüberlebenskurse" steht Kochen-Putzen-Backen auf dem Plan. Mancher 16-Jährige muss noch lernen, dass die Pizza im Ofen nicht dann fertig ist, wenn die Schutzfolie geschmolzen ist. Jungenkurse stärken das Selbstbewusstsein, weil die mädchenfreien Zonen es erlauben, sich ungehemmt den Tücken des Alltags zu stellen. Abenteuer-Angebote vom Hochseilklettergarten bis zur Kanutour verbessern das soziale Miteinander. Teamfähigkeit ist in der Dienstleistungsgesellschaft eine Einstellungsvoraussetzung. Mancher hypermaskuline Jung-Rambo entdeckt das Teamwork erst, wenn es gilt, voll beladene Kanus über Staustufen zu schleppen und in strömendem Regen Zelte aufzubauen.
Der Outdoortrip oder Konflikttrainings dienen der aktiven Vorbereitung auf Sozialberufe, in denen Männer ebenso selten wie bei Arbeitgebern begehrt sind. Während sich die Mädchen am Girls' Day beim Autobauer umschauen, besuchen die Jungen Altenheime, Kliniken und Kitas. Eltern können sich Schulkollegien nicht nach deren Männerproporz aussuchen - aber eine Schule wählen, die Jungen gezielt fördert: durch Kurse, Stunden, Cafés und Schulgärten mit dem Label "Nur für Jungen". Auch Väter können aktiv werden. Hoch im Kurs steht die Väter-Schüler-Koch-AG, in denen sie als positive Rollenvorbilder in Aktion treten.
Klischee des "Haupternährers" verschwindet
These zwei zum Jungendilemma besagt, dass nicht das Geschlecht der Lehrkräfte entscheide, da viele Jungen auch bei Lehrerinnen erfolgreich lernen. Die soziale Herkunft determiniere, wer eine Hauptschul- oder eine Gymnasialbank drücke. Die jüngste Internationale Leseuntersuchung (IGLU) unterstützt diesen Ansatz. Mittlerweile sei die Leseförderung der Jungen so erfolgreich, dass ihre Lesekompetenz nach der vierten Klasse die der Mädchen erreiche - und einen internationalen Spitzenwert. Allerdings zeigt IGLU auch, dass Kinder aus höheren sozialen Schichten deutlich besser lesen lernen als Kinder aus den unteren Schichten.
Die Bildungschancen der Jungen korrelieren damit in Deutschland, weit über dem internationalen Schnitt, mit dem sozialen Status der Eltern. Kinder aus Akademikerhaushalten erhalten bei gleicher Leistung eher eine Gymnasialempfehlung als Arbeiterkinder, insbesondere solche aus Migrantenfamilien. Mädchen wird das Abitur eher zugetraut als Jungen.
Ältere Jungen scheitern in der Schule oft an der beruflichen Perspektivlosigkeit, geraten messbar unter hormonellen Stress und reagieren mit Aggression. Wozu büffeln, wenn kein Lehr- oder Studienplatz in Sicht ist und das Hausmannsein als Rollenalternative nicht akzeptiert wird? Jungen, zumal aus unteren Schichten, kleben bei der Planung ihres Lebens weit stärker als Mädchen an der Vorstellung, "Haupternährer" zu sein. Die Aufgabe von Schule und Eltern liegt darin, Jungen von dieser Illusion zu befreien.
"Mach Krach! Bau es auseinander, um es zu begreifen!"
Szenenwechsel. In der Erich-Kästner-Grundschule des Berliner Nobelstadtteils Dahlem trifft sich die sonderpädagogische Lesefördergruppe der 2c. Fünf Jungs, kein Mädchen ackern sich brav durch den Buchstabendschungel. Die meisten Lesenovizen stammen aus Akademikerhaushalten. Die Ehen sind intakt. Die Eltern bildungsbeflissen. Warum lernen diese Jungen nicht lesen? Wo Klassen- und Genderkämpfer ins Stottern geraten, halten Mediziner und Entwicklungsbiologen These drei bereit. Sie ermitteln im Einschulungsalter bei Jungen im Vergleich zu Mädchen einen Entwicklungsrückstand von sechs bis zwölf Monaten. Neuromediziner schauen Jungen und Mädchen beim Lösen von Problemen, etwa beim Lesen, ins Gehirn und messen nach, dass dabei geschlechtsspezifisch unterschiedliche Hirnregionen aktiv sind.
Naturwissenschaftlich gesehen setzen wir Jungen mit einem Denkapparat an die Schulbank, der dafür nicht taugt. Ihr Testosteronhaushalt sagt: "Beweg dich! Mach Krach! Bau es auseinander, um es zu begreifen!" Die Regelschule verordnet still sitzen und abstraktes Verstehen. Weil Jungen nicht so lernen dürfen, wie sie es können, produziert der Schulbeginn einen Frust, der die ganze Schulzeit anhält. Unter biologischen Aspekten sollten Jungen später eingeschult werden. Länder wie Berlin gehen derzeit den umgekehrten Weg und schulen zwangsweise mit fünfeinhalb Jahren ein, "unabhängig von ihrem Entwicklungsstand und ihrer Leistungsfähigkeit", so die Schulverwaltung.
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Eltern helfen überforderten Söhnen am besten, wenn sie die Gründe für Lernprobleme nicht beim Kind, sondern im Schulsystem suchen. Das bedeutet Zeit gewähren, Leistungsdruck vermeiden und der Natur ihr Recht lassen, indem die Schuleingangsphase ein Jahr länger besucht wird - in Berlin wird das Bonusjahr nicht auf die Zahl der Schuljahre angerechnet.