Hammer-Artikel!!!"Der Truthahn, der täglich so freundlich gefüttert wurde und darin jedesmal einen weiteren Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Systems fand, fühlte sich am Tag vor seiner Schlachtung am sichersten."
Nassim Nicholas Taleb, ehemaliger Börsenhändler und Professor für Risikoforschung in New York: "Diese Krise wird das Schlimmste, was die Menschheit je erlebt hat."
Er beschreibt die totale Verwundbarkeit eines weltweit gleichgeschalteten Systems, welches sich trügerisch in Sicherheit wähnte und aufgrund teils unvorhersehbarer Risiken jäh in den Abgrund stürzt.
Die Truthahn Metapher beunruhigt derzeit die Amerikaner. Taleb vergleicht das Finanzsystem mit einem Truthahn, der sich 1000 Tage in Sicherheit wähnt und dem es einen Tag vor seiner Schlachtung am besten geht:
"Man stelle sich einen Truthahn vor, der regelmäßig jeden Tag gefüttert wird. Jeder Tag bestätigt dem Truthahn aufs Neue, dass eine allgemeingültige Regel seines Lebens darin besteht, dass freundliche Menschen ihn füttern werden, sich sozusagen um sein “Wohlergehen kümmern”, wie es Politiker wohl formulieren würden. Das geht ganze 1000 Tage so, während derer die Überzeugung des Truthahns immer und immer wieder bestätigt und folglich stärker wird. Bis am Mittwoch Nachmittag vor Thanksgiving etwas gänzlich Unerwartetes mit dem Truthahn passiert, etwas, was zu einer radikalen Abkehr von seiner bisherigen Überzeugung führt …"
Die FAZ schreibt:
Kaum eine amerikanische Zeitung, die im Augenblick den brillanten Taleb, dessen Buch „Der schwarze Schwan“ bei Hanser gerade in Deutsch erschienen ist, nicht um Auskunft bittet. Seine Theorie über „die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“ ist zum Handbuch einer Gesellschaft geworden, die gerade die Zerstörung ihrer Lebenssicherheit erlebt. Weil man nur weiße Schwäne kannte, konnten sich die europäischen Gesellschaften schwarze Schwäne nicht vorstellen, bis sie eines Tages in Australien entdeckt wurden. Taleb ist es, der, weil diese Unfähigkeit in den Finanzmärkten zum logischen Gesetz wurde, mit dem Satz zitiert wird, die Herausforderung, vor der die amerikanische Gesellschaft stehe, sei nicht die der „Great Depression“, sie trete angesichts der Verarmung der amerikanischen Mittelschichten womöglich in die schwierigste Phase seit der amerikanischen Revolution ein.
Die Sicherheit vor der Schlachtung
Wahrscheinlich würde man dem Mann nicht so genau zuhören, wenn er nicht bewiesen hätte, dass seine Theorie des Unwahrscheinlichen zu validen Risiko-Erkenntnissen führt. Er hatte den Zusammenbruch von Fannie Mae („sie sitzen auf Dynamit“) vorausgesagt und vor dem Crash erklärt: „Die Globalisierung schafft nichts anderes als eine ineinander greifende Verwundbarkeit, bei gleichzeitiger Reduktion der Volatilität, was den Anschein von Stabilität gibt. In anderen Worten: Sie schafft verheerende schwarze Schwäne. Wir haben niemals zuvor unter der Drohung eines globalen Kollapses gelebt. Die Ökologie schwillt ins Gigantische, wenn eine zusammenbricht, brechen alle zusammen. Es stimmt, wir haben heute seltener Systemversagen. Aber wenn es geschehen wird. . . Ich zittere bei dem Gedanken.“ Geschrieben wurde das im Jahre 2003.
Talebs dreihundertsechzigseitige Intervention ist deshalb so interessant, weil sie zeigt, wie riesige Finanzökologien in ihrem System genau das gleiche anrichten, was der Mensch in seinem ökologischen Lebenssystem anrichtet. Dieser bereits von Jared Diamond erkannte Zusammenhang rechnet nicht mit langsamen, gleichsam evolutionären Krisenprozessen, sondern geht davon aus, dass Krisen schnell, plötzlich und unerwartet eintreten. Die Systeme, die wir aufgebaut haben, funktionieren aber nicht, weil sie vor diesen Krisen schützen, sondern sie funktionieren nur, solange diese Krisen nicht eintreten. Der Truthahn, der täglich so freundlich gefüttert wurde und darin jedesmal einen weiteren Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Systems fand, fühlte sich am Tag vor seiner Schlachtung am sichersten.
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Da bleibt einem die Spucke weg...