Ein guter Artikel.
http://www.main-rheiner.de/region/objekt.php3?artikel_id=3639528 (Archiv-Version vom 03.03.2009)Mit guter Leistung gegen Vorurteile
Gebürtige Irakerin aus Bingen ist wissenschaftliche Meisterschülerin am George-Gymnasium
Von
Christine Tscherner
Nada Aldabbag rollt bei den Schlagzeilen um Ehrenmorde und Moslem-Klischees die Augen. "Mich ärgert es, wenn Muslime nicht mit guten Leistungen gegen Vorurteile ankämpfen." Die 16-Jährige passt nicht in das klassische Bild eines Mädchens mit "Migrationshintergrund". Nada ist eine naturwissenschaftliche Meisterschülerin. Am Aschermittwoch nimmt die Elftklässlerin an "Jugend forscht" teil. "Bis dahin will ich mein Patent noch anmelden." Physikalisches Knowhow statt Chemiekeule im Kampf gegen Ölteppiche auf den Weltmeeren, das ist ihr Thema. Das Mädchen mit den irakischen Wurzeln gilt als Physik-Ass.
Kondensatoren und Schaltkreise gehören meist nicht zum Lieblingsfach Pubertierender. Nada jedoch fing Feuer an der Physik, wurde im vergangenen Jahr mit weitem Abstand Landessiegerin bei "Jugend forscht". Physikalischen Formeln rang sie Finesse ab, wo andere über Kräftefeile und Mechanik grübelten.
Ihre Physik-Lehrerin erkannte früh Talent und Ehrgeiz der Schülerin. Nada feilte in Hausarbeiten an kniffligen physikalischen Fragen, wurde an die Uni Kaiserslautern eingeladen, zeigte Beständigkeit. Schminktipps austauschen oder mit Jungs flirten ist nicht ihr Ding.
Sich als Exotin in den jungengeprägten Klassen des Binger Stefan George Gymnasiums zu behaupten, das würde kein Zuckerschlecken. Das wusste die Familie. Doch das katholische Mädchengymnasium nebenan nahm das Mädchen mit Kopftuch und Spitzennoten nicht auf. "Inzwischen hat sich aber die zweite Wahl als Glücksgriff erwiesen." Mit stänkernden Jungs hat Nada keine Probleme.
Ohnehin bald zwangsverheiratet, rückständig und mit gebrochenem Deutsch? "Nur weil ich ein Kopftuch trage und den Koran kenne, bin ich ja nicht rückständig." Sie wünscht sich bessere Leistungen, mehr Ehrgeiz von Muslimen in Deutschland, um das Bild zu verändern. Nada kam in Bagdad zur Welt. Seit zwölf Jahren lebt sie mit zwei Brüdern und Eltern in Deutschland. Die Familie flüchtete aus dem Irak in die Golfstaaten und zunächst in den Jemen. Über den gesamten Globus ist ihre Verwandtschaft verstreut, viele Akademiker sind unter ihnen.
Als Kind hat sie erfahren: "Das einzige, was dich im Leben wirklich weiter bringt, das kannst du nicht in einen Koffer packen." Wissen zählt, Lernbereitschaft zahlt sich aus. Dieses Vorbild erfährt sie in der Familie. Und deren Anerkennung guter Noten ist Nada mit Abstand die wichtigste Meßlatte - der Ruf als Streber unter Mitschülern perlt ab.
Sie hält sich mit religiöse Essensriten, Kleidung und Fastenmonat an den Koran, lernt mit den Eltern abends regelmäßig Arabisch. "Seine Wurzeln zu kennen, das ist wichtig." Aufmüpfig klingt das alles nicht, aber auch nicht gezwungen. Für Nada sind Menschen, die zur Wiederherstellung der Familienehre töten, vor allem ein Beleg mangelnder Bildung. "Mord geht gar nicht."
Und überhaupt: Lange Zeit, um über die Absage an eine Kopftuch tragende Lehrerin am Wormser Eleonoren-Gymnasium nachzudenken, nimmt sich Nada Aldabbag nicht. Die Patent-Anmeldung wartet...