Ist Antisemitismus wieder "in"?
18.12.2011 um 13:02
Wenn man mit ,,die Deutschen sterben aus" meint, dass die ,,reinrassigen" Deutschen aussterben, also solche, die bis zum Urururirgendwas-Vorfahren nur Deutsche als Vorgänger nachweisen können, dann ist das sicher richtig.
Wenn man damit meint, dass Deutsche an sich verschwinden, ist die Aussage Unsinn.
Die Deutschen sind doch nicht einfach vom Himmel gefallen und waren dann hier in diesem Land.
Wenn man weit genug zurückgeht, dann wird man auch erkennen, dass die deutsche Bevölkerung ab einem bestimmten Punkt selbst Einwanderer waren in diesem Land.
Und in der heutigen Zeit gibt es eben wieder neue Einwanderer in dieses Land. Es verändert sich. Veränderung aber bedeutet erst Leben, Fortschritt und Entwicklung.
Die Angst vor Veränderung und so genannter Überfremdung ist eine traurige Sache und sie ist unnötig. Veränderung heißt nicht, dass alle Traditionen und jegliche Identität verschwinden.
Veränderung heißt, dass EINIGE verschwinden und NEUE entstehen.
Soviel dazu.
Jetzt zum Thema Antisemitismus: Gerade in Zusammenhang mit Israel ist das etwas sehr kritisches.
Denn die Frage ist immer: Wo ist eine Aussage noch konkrete und berechtigte Kritik am israelischen Staat oder am israelischen Militär oder auch an bestimmten, jüdischen Strömungen - und wo beginnt die einfach gegen ,,die Juden" gerichtete Kritik?
Ich meine, eine konkrete und sachliche Kritik am israelischen Staat, Militär und jüdischen gesellschaftlichen und religiösen Strömungen muss erlaubt sein, ohne dass deshalb gleich von Antisemitismus gesprochen wird.
Leider fällt mir immer wieder auf, dass genau dieser Vorwurf gerne ausgepackt wird, um Kritiker zum Schweigen zu bringen.
,,Du sagst was dagegen, dass jüdische Siedler arabische Bewohner eines Dorfes vertreiben und dort die Häuser plattwalzen oder übernehmen? Bist du etwa ein Nazi?"
Oder:,,Dir gefällt es nicht, dass die Palästinenser im Gaza-Streifen eingesperrt werden? Das sind Terroristen! Außerdem ging es den Juden mal viel schlimmer, also halt die Klappe, Nazi..."
Derartige Polemik kann man immer wieder beobachten, auch wenn ich jetzt mal etwas überspitzt formuliert habe.
Selbst bei nichtigsten Angelegenheiten wie einer Kaffeewerbung kann heute noch das schlechte Gewissen bemüht werden, um angeblichen Antisemitismus darin zu sehen, dass ein antiker Denkspruch in verfremdeter Form, der von den Nationalsozialisten einst missbraucht wurde, nun absichtlich bei einer Kaffeewerbung genutzt wurde. Aus Antisemitismus. Braune Propaganda und so ^^
Und so etwas darf nicht geduldet werden!
Die Menschen jüdischen Glaubens, die während der Nazi-Zeit in Deutschland starben, sind nicht deshalb gestorben, um heute ständig als Ausrede und Legitimation für jegliches Verhalten Israels, des Militärs und israelischer Strömungen zu dienen und Kritik zu ersticken.
Sie sind vielmehr ein Mahnmal, welches die Menschen lehren sollte, sich nicht wegen bloßer Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer Religion überlegen zu fühlen und andere Menschen deshalb zu verachten und schwer zu drangsalieren. Sie sind vielmehr ein Mahnmal dafür, dass man eine Wiederholung des Nationalsozialismus keinesfalls zulassen darf.
Doch sie sind kein billiger Schutzschild, mit dem man in Form eines Antisemitismusvorwurfes jegliche Kritik abschmettern kann.
Das Paradoxe ist, nebenbei bemerkt: So einige Politiker, die in Israel höchste Würden genießen, im Parlament sitzen und saßen, ja sogar Minister sind oder waren, würden anhand ihrer Rhetorik und ihrer Ansichten in Deutschland sehr gut in die NPD passen.
Wenn sie keine Juden wären.
Was manche da gegen Araber ablassen und wie sie es schaffen, jeden ihrer Nachbarn durch knallharte Unnachgiebigkeit und Selbstgefälligkeit (=,,Wir dürfen ALLES!!!") auf die Palme zu bringen, Siedlungsbau, illegale Vertreibungen, Gaza, kriegerische Aktionen - DAS ist wahrer Antisemitismus!
Warum? Weil dies Verhalten dafür sorgt, dass eine Abneigung gegen Juden ganz im Allgemeinen entsteht beziehungsweise verfestigt wird in anderen Ländern verfestigt wird.
,,Prosemitismus" wäre es, selbstbewusst eine gemeinsame Lösung mit den Palästinensern zu finden, die ein gleichberechtigtes Zusammenleben ermöglicht. Prosemitismus wäre es, die staatliche Souveränität anderer Länder zu achten und nicht einfach heimlich dort Killeraufträge auszuführen oder einfach mal eben mit Kriegswaffeneinsatz zu reagieren.
Prosemitismus wäre es, den Nachbarn klarzumachen und zu beweisen, dass das Zusammenleben auch anders aussehen kann, man bereit ist, für Anerkennung und Zusammenarbeit auch was zu tun, beispielsweise Bereiche Jerusalems, die muslimisch dominiert sind, auch muslimisch zu belassen und nicht nur Forderungen zu stellen oder seinen eigenen Kopf durchsetzen zu wollen.
Momentan leider gefallen sich viele Menschen aus der Politik, dem Militär und religiös-orthodoxen und nationalistischen Strömungen in Israel eher im Antisemitismus.
Nun noch ein paar Worte dazu, was keine annehmbare und sachliche Kritik mehr an Staat oder Gesellschaft ist:
Wenn ich sage, dass Juden generell XY (hier irgendwas beliebig negatives einfügen) sind, dann ist das Antisemitismus. Wenn ich sage, dass Juden generell dies und das (negatives) sind, weil sie Juden sind, ist das Antisemitismus und ebenfalls nicht akzeptabel.
Solche undurchdachte Kritik an Menschen mit jüdischem Glauben ganz im Allgemeinen ist Blödsinn. Es ist nicht zweckdienlich, wenn man Frieden und konstruktive Kritik möchte, wenn man einen Fortschritt im Zusammenleben der Menschen erreichen möchte!
Kritik sollte immer sachlich und möglichst konstruktiv sein, man sollte positive Effekte und Fortschritt im Auge haben, nicht einfach nur dumme Beleidigungen!